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Die Schere öffnet sich weiter - Wie viel Ungleichheit dürfen sich Wirtschaft und Gesellschaft leisten? Wir haben mit Expert_innen aus Wirtschaft, Politik und Gewerkschaften diskutiert.
Soziale Ungleichheit in Deutschland
82 Prozent der Deutschen sind der Meinung, dass die sozialen Unterschiede in Deutschland inzwischen zu groß sind – das hat jüngst eine von TNS Infratest in unserem Auftrag durchgeführte Bevölkerungsbefragung zur Zukunft des Wohlfahrtsstaates gezeigt. Über drei Viertel der Befragten sind zudem überzeugt, dass das Ausmaß der sozialen Unterschiede langfristig der wirtschaftlichen Entwicklung in Deutschland schadet.
Gewinne und Wachstum sorgten heutzutage nicht mehr automatisch für mehr Arbeitsplätze, Wohlstand und Einkommen für alle, betonte auch Ralf Stegner, stellvertretender SPD-Vorsitzender, zu Beginn seines Impulsvortrages. Während Vermögen heute immer ungleicher verteilt seien, häuften sich im unteren Drittel unserer Gesellschaft die sozialen Problemlagen. Bildungsarmut, die Abhängigkeit von staatlicher Unterstützung sowie die Verfestigung von Arbeitslosigkeit seien die Folgen.
Gerechtigkeit hat viele Gesichter
Eine erfolgreiche sozialdemokratische Politik, so Stegner durchaus selbstkritisch, müsse glaubhaft deutlich machen, dass sie es mit dem Ideal der sozialen Gerechtigkeit ernst meint. Doch was bedeutet das in der Konsequenz für die konkrete politische Arbeit?
Ralf Stegner führte dabei aus, dass es nicht notwendigerweise einen Zielkonflikt gäbe zwischen Leistungsgerechtigkeit und einer Politik, die dem Trend wachsender Ungleichheit entgegensteuern möchte. Der Staat habe hier die zentrale Aufgabe, gleiche Startbedingungen für alle zu schaffen. Dies könne beispielsweise durch mehr Chancengleichheit bei Bildung und Ausbildung erreicht werden, oder durch eine Rente, die sich an der Lebensleistung orientiert. Auch die Schaffung von Steuergerechtigkeit sei hier ein zentrales Aufgabenfeld.
Gerechtigkeit und Chancengleichheit bedeuteten aber auch, dass niemand aufgrund seines Namens oder seiner Herkunft bei der Arbeitsplatzsuche diskriminiert würde, oder dass für Flüchtlingskinder die Chance auf Bildung realisiert werden könne. Hier sei nicht nur die Politik gefragt, für eine offene und gerechte Gesellschaft einzutreten, auch jeder einzelne könne dabei seinen Beitrag leisten.
Was sind die Treiber sozialer Ungleichheit?
Wie kann es möglich sein, dass in einem eigentlich reichen Land wie Deutschland die soziale Schere immer weiter auseinander geht? Welche Rolle spielt der Staat in der Gerechtigkeitsdebatte? Mit diesen und anderen Fragen beschäftigte sich die anschließende Diskussion mit Prof. Steffen Mau, Makrosoziologie von der HU Berlin, Dorothea Siems, Chefkorrespondentin für Wirtschaftspolitik der Zeitung „Die Welt“, DGB Vorstandsmitglied Stefan Körzell und natürlich Ralf Stegner.
Prof. Mau zeigte dabei zunächst eindrucksvoll, welche Faktoren eine hohe soziale Ungleichheit bedingen können. Eine wachsende Schere zwischen Hochqualifizierten und Geringqualifizierten, Veränderungen in der Vergütungsstruktur und gegenseitige Absicherung von bereits gut gestellten Personen sorgten dafür, dass sich Statuspositionen am oberen und am unteren Ende verfestigten. Auch die Politik habe durch eine lange Phase der Entlastung von oberen Vermögen und Einkommen dazu beigetragen.
Dorothea Siems betonte in diesem Zusammenhang, dass auch eine hohe Zuwanderung im unteren Einkommensbereich und das hohe Armutsrisiko von Alleinerziehenden weitere Faktoren seien.
Was hilft gegen die wachsende Ungleichheit?
DGB Vorstandsmitglied Stefan Körzell betonte, Bildung und Weiterbildung seien zentrale Schlüssel gegen soziale Ungleichheit. Hier müsse investiert werden, ebenso wie in eine zielgenauere Arbeitsmarktpolitik, um gegen die Verfestigung der Arbeitslosigkeit anzukämpfen. Steffen Mau ergänzte in diesem Zusammenhang, dass Bildungsinvestitionen alleine nicht reichten – es benötige gezielte Investitionen in die Unterstützung benachteiligter Bevölkerungsgruppen. Auch die Wiedereinführung der Vermögenssteuer oder die Erbschaftssteuer wurden als Reformoptionen diskutiert.
Trotz einer zum Teil kontroversen Debatte um die einzelnen Instrumente wurde eines deutlich: Nur mit einer klaren und umfassenden Reformagenda lässt sich ein weiteres Ausfransen der Gesellschaft und eine weiter wachsende soziale Ungleichheit verhindern.
Das ausführliche Veranstaltungsprogramm finden Sie hier: Einladungsflyer
Die vollständige Videoaufzeichnung der Veranstaltung finden Sie hier.
Ansprechpartner in der FES: Max Ostermayer
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