Diese Webseite verwendet Cookies
Diese Cookies sind notwendig
Daten zur Verbesserung der Webseite durch Tracking (Matomo).
Das sind Cookies die von externen Seiten und Diensten kommen z.B. von Youtube oder Vimeo.
Geben Sie hier Ihren Nutzernamen oder Ihre E-Mail-Adresse sowie Ihr Passwort ein, um sich auf der Website anzumelden.
Bild: FES
Bild: GPM1479 18
Bild: GPM1492 18
Bild: GPM1496 18
Bild: GPM1583 18
Bild: GPM1633 18
Stagnierende Rüstungskontrolle: „Aus Krisen kann Positives erwachsen“
Internationale Rüstungskontrolle ist schon längere Zeit vor Russlands Völkerrechtsbruch durch den Angriffskrieg gegen die Ukraine aus den Schlagzeilen verschwunden und zu einem Nischenthema für Experten_innen zusammengeschrumpft. Gleichzeitig stiegen die Militärausgaben weltweit trotz Ende des Kalten Krieges wieder erheblich an.
Der bereits jahrelange Stillstand der Gespräche zwischen den USA und Russland über neue Beschränkungen im Bereich vor allem von Massenvernichtungswaffen dokumentiert die Krise der Rüstungskontrolle so nachdrücklich, dass erstmals seit dem Fall des Eisernen Vorgangs wieder die Gefahr eines Atomkriegs als durchaus realistisch gelten muss. Gleichwohl nennt Izumi Nakamitsu, die Hohe Repräsentantin der Vereinten Nationen (UNO) für Abrüstungsfragen, „Rüstungskontrolle und Abrüstungsbemühungen“ weiterhin „Instrumente für unsere Sicherheit und keinen idealistischen Traum“.
In der hochrangig besetzten Podiumsdiskussion „Der Preis der Zeitenwende – welche Zukunft hat die internationale Rüstungskontrolle?“ erörterten Nakamitsus Vorvorgängerin Angela Kane (Nuclear Threat Initiative) sowie Rüstungsexperte Dr. Max Mutschler (Bonn International Centre for Conflict Studies BICC) und der SPD-Europaabgeordnete Prof. Dr. Dietmar Köster zahlreiche Facetten im Themenfeld Rüstungskontrolle. Unter der Moderation von Christoph Bongard von der Plattform Zivile Konfliktberatung debattierte das Panel im Rahmen der Bonner Friedenstage etwa über die Situation der Rüstungskontrolle und die Auswirkungen des Ukraine-Kriegs auf entsprechende Prozesse oder auch Impulse und Möglichkeiten zum Wiederaufbau von Vertrauen und Kooperationen zwischen beteiligten Staaten.
Die Bonner Bürgermeisterin Melanie Grabowy verband zu Beginn der nicht zufällig am Weltfriedenstag angesetzten Veranstaltung, die das Landesbüro NRW der Friedrich-Ebert-Stiftung zusammen mit der Bundesstadt Bonn, Plattform für Zivile Konfliktforschung, dem Bonn International Centre for Conflict Studies (BICC) und der Deutschen Gesellschaft für die Vereinten Nationen (Landesverband NRW) organisierte, die triste Lage mit Aussichten auf eine Besserung. „Die Probleme mit dem Frieden in der Welt“, sagte Grabowy in ihrer kurzen Begrüßung im Alten Rathaus der Bundesstadt, „lassen sich nicht schönreden. Das Leid und die Verzweiflung von Betroffenen sind immer wieder nur ganz schwer zu ertragen. Aber vielleicht geht von diesem Gebäude, in dem schon so viele Helden des Friedens zu Gast gewesen sind, wieder ein wenig Frieden aus, wenn wir einen Blick auf die Möglichkeiten einer multilateralen Kooperation erhalten können, worauf natürlich meine ganz besondere Hoffnung ruht.“
Nach einer Schweigeminute als, so Grabowy, „Zeichen des Respekts und für die Bedeutung des Augenblicks im Wunsch nach Frieden“, dämpfte Kane allerdings für absehbare Zeit allzu große Erwartungen an die Möglichkeiten der Politik: „der Friedenstag ist Wunschdenken, denn wir haben keinen Frieden in der Welt.“ Zur Verdeutlichung der Misere nicht zuletzt im Bereich der Rüstungskontrolle berichtete die gebürtige Hamelnerin aus ihrer langjährigen Laufbahn als internationale Diplomatin. „In den 80er Jahren“, schilderte Kane die Anbahnung einer seinerzeit spektakulären Entwicklung, „in den 80er Jahren entstanden zuerst ein Dialog und später die viel gefeierten Abrüstungsabkommen zwischen Ost und West alleine durch das starke Interesse der damaligen Sowjetunion an Kontakten und einem Austausch mit den USA. Wir bräuchten auch jetzt wieder mehr Dialog mit Russland, aber es gibt keinen Dialog mit Moskau. Das ist politisch gerade sehr schwierig.“
Kane leitete die früheren Erfolge von Bemühungen aller Seiten um Rüstungskontrolle und Abrüstung von den langfristigen Lehren und Erkenntnissen der Machtblöcke aus der Kuba-Krise zu Beginn der 60er Jahre ab. „Der Grundsatz war und sollte auch weiter sein, dass ein Atomkrieg nicht zu gewinnen ist und deswegen auch nicht stattfinden darf. Dadurch hat sich die Rüstungskontrolle zu einem integralen Bestandteil der globalen Sicherheitsarchitektur entwickelt. Ihre Bedeutung basierte auf dem Verständnis der Menschen für die Unvorstellbarkeit der Alternative.“
Die grundlegenden Veränderungen der internationalen Ordnung nach der „Hochblüte der Rüstungskontrolle“ sowie dem nachfolgenden Ende der UdSSR und ihres Machtbereiches allerdings hätten laut Kane spätestens ab 2010 faktisch für Stillstand auf sämtlichen für Rüstungskontrollen relevanten Ebenen gesorgt: „Durch die NATO-Osterweiterung und die Annexion der Krim begannen Narrative der Konfrontation und eine Spirale der gegenseitigen Beschuldigungen“, beschrieb Kane Wendepunkte der Entwicklung in eine bedauerliche Richtung: „Besonnene Diskussionen hinter den Kulissen waren dadurch nicht mehr möglich.“
Ungeachtet der neuen Eiszeit besonders zwischen den USA und Russland schloss Kane jedoch auch eine Wiederbelebung der Rüstungskontrolle gerade wegen der eingetretenen Eskalation mit Blick auf internationale Fortschritte nach der Kubakrise wenigstens mittelfristig keineswegs aus. „Daran kann man immer erkennen“, mahnte die frühere UN-Managerin, „dass aus solch tiefen Krisen immer auch etwas Positives erwachsen kann.“
Max Mutschler griff den Gedanken indirekt auf. Der Politikwissenschaftler zeigte sich auf dem Podium einig mit Kane in der Beurteilung der Kuba-Krise als Motor der einstigen Abrüstungsbemühungen. „Momentan aber ist es für die Rüstungskontrolle schwierig, weil es in Europa derzeit weniger als um den Ausgleich wechselseitiger Sicherheitsinteressen als viel mehr um Macht, Herrschaft und die gewaltsame Revision von territorialen Ansprüchen geht.“ Doch obwohl Mutschler die Rüstungskontrolle aufgrund „einer Reihe aus Mangel an weiterem Interesse zusammengebrochener Abrüstungsabkommen zwischen Staaten“ eindeutig „in einer veritablen Krise“ sieht, hält der auch Waffenexport-Forscher für die Zukunft einen Neustart von Gesprächen mit dem Ziel einer Verringerung des gegenseitigen Vernichtungspotenzials sehr wohl für möglich: „Russlands Angriff hat die Rüstungskontrolle natürlich erschwert, denn ein Ziel ist natürlich der Aufbau von Vertrauen, wofür es aber ein gewises Grundvertrauen schon geben müsste, was durch das Interesse von beiden Seiten an Sicherheit entsteht. Wenn das wieder vorhanden ist, kann auch Rüstungskontrolle wieder funktionieren.“
Mutschler zeigte in diesem Zusammenhang bereits auch vorsichtig Ansätze für einen Hoffnungsschimmer auf: „Trotz aller Differenzen hat man immer auch gemeinsame Interessen. Im Nuklearbereich sind die auch nicht verschwunden, denn es gilt – auch trotz gegenteiliger Behauptungen - weiter für alle Seiten, dass niemand einen Nuklearkrieg haben möchte. Doch auch im Bereich konventioneller Waffen sollten eigentlich überall weitgehend deckungsgleiche Interessen bestehen, nicht noch immer mehr Geld für Militärgüter auszugeben, während man die Ressourcen in anderen Bereich dringender und produktiver einsetzen könnte.“
Auch Köster beklagte eine durch Russlands Angriffskrieg gegen die Ukraine nur verstärkte Konkurrenz in der Verteilung finanzieller Mittel zwischen Ausgaben für Rüstungsgüter einerseits und „dringenden Aufgaben zur Bekämpfung des Klimawandels und der Pandemie“. Nachdrücklich setzte sich der Europa-Parlamentarier dafür ein, Russland in der „Post-Putin-Ära“ verbindlich in eine „europäische Sicherheitsarchitektur einbinden“ zu wollen. Seiner Hoffnung nach einer Lösung womöglich auf diplomatischer Ebene zum Trotz bekannte sich der Sozialwissenschaftler auch zur Fortsetzung der militärischen Unterstützung für die Ukraine: „Russland, das den Krieg alleine vom Zaun gebrochen hat und deswegen auch alleine dafür verantwortlich ist, darf nicht erlaubt sein, sein Kriegsziel zu erreichen, Russland darf diesen Krieg nicht gewinnen.“
Spätestens für eine Zeit nach dem Ukraine-Krieg erklärten Kane und Mutschler die Notwendigkeit geschickter, weil immer auch fairer Verhandlungen für unverzichtbar. „Es wurde seit 2011 nicht mehr verhandelt, aber das muss man trainieren wie einen Muskel“, meinte Kane mit ihrem großen Erfahrungsschatz. Aus Mutschlers Sicht wäre die abermalige Erkenntnis, dass ein Atomkrieg nicht zu gewinnen ist, auch heutzutage sehr hilfreich: „Ein solcher Lernprozess wäre momentan das Beste.“
Im weiteren Austausch mit dem Auditorium betonten Kane wie Mutschler gleichermaßen das gegenüber früheren Jahrzehnten gewachsene Engagement sowohl von Staaten als auch zivilgesellschaftlicher Organisationen für den Abbau möglichst aller Atomwaffen als einen Grund für Optimismus. „Die wachsende Unterstützung“, sagte Kane zur Unterzeichnung des Atomwaffenverbotsvertrags durch 86 Staaten, „ist beachtlich und nicht zu leugnen.“ Mutschler hielt auch deswegen eine Rückkehr zur Rüstungskontrolle keineswegs für ausgeschlossen: „Die Rüstungskontrolle und dahinterstehende Interessen sind nichts Fixes und unterliegen keinerlei Vorgaben, sondern werden außer in Machtkämpfen auch im Denken, ob Chancen erkannt werden oder nicht, geformt.“
Der Forscher lieferte damit die Vorlage für Kanes großen Wunsch nach einer generellen Neubesinnung im Umgang mit todbringenden Waffen: „Vielleicht setzt die neue Drohung mit dem Einsatz von Atomwaffen auch einmal den Gedanken in Gang, wozu Atomwaffen eigentlich dienen: als Statussymbol, als Schutzschild oder als Bedrohung? Man sollte wirklich einmal darüber sprechen, wozu Atomwaffen überhaupt dienen.“
Dietmar Kramer, Journalist
Veranstaltungsnummer: 260536 – als .ics herunterladen
Bereits vor dem russischen Angriffskrieg in der Ukraine wuchsen die weltweiten Militärausgaben und die internationale Rüstungskontrolle steckte in einer tiefen Krise.Die Gespräche zwischen den USA und Russland über Abrüstung und Rüstungskontrolle stehen still. Erstmals seit Ende des Kalten Krieges scheint die Gefahr eines Atomkriegs real. Die Hohe Repräsentantin der UN für Abrüstungsfragen Izumi Nakamitsu betont dennoch: „Rüstungskontrolle und Abrüstungsbemühungen sind Instrumente für unsere Sicherheit, kein idealistischer Traum.“ Wie schlecht steht es derzeit um die internationale Rüstungskontrolle? Wie wirkt sich der Krieg aus? Wie können Vertrauen zwischen den Staaten und Kooperationen wieder aufgebaut werden? Und welche Initiativen braucht es, um Rüstungskontrollregime wiederzubeleben?Wir laden Sie herzlich ein, an der Debatte teilzunehmen.
Mittwoch, 21.09.2218:00-20:00 Uhr
Teilnahmepauschale keine
Bonn
Sohel Ahmed sohel.ahmed@fes.de
Kontaktanschrift
Friedrich-Ebert-StiftungLandesbüro NRWGodesberger Allee 14953175 BonnTel. 0228-883-7202, Fax 0228-883-9208
hier gehts zum weiterdenken 06/2024: "Migrations-wer-wie-was? Zur Notwendigkeit eines Wandels in Politik und Forschung"
Godesberger Allee 149 53175 Bonn Tel.: 0228 / 883 - 7202 Fax: 0228 / 883 - 9208
Schwanenmarkt 15 40213 Düsseldorf Tel.: 0211 / 436 - 375 63 Fax: 0211 / 436 - 381 48
Team & Kontakt