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Deutschland ist ein überaus reiches Land. Die Wirtschaft ist stark, die Konjunktur floriert. Die Finanz- und Bankenkrise haben wir hier einigermaßen gut überstanden. Die Arbeitslosigkeit ist niedrig, die Staatsverschuldung hält sich in Grenzen. Soviel Wohlstand wie heute war nie. Und trotzdem ist wahr: 82%, also eine überwältigende Mehrheit der Menschen in Deutschland hat das Gefühl, dass die soziale Ungleichheit in Deutschland zu groß geworden ist. Darunter sind viele von denen, denen es selbst gut geht.
Zu diesem Gefühl gibt es auch Fakten: In Deutschland gibt es die größte Vermögensungleichheit in der Eurozone. 10 % der Bevölkerung halten 60 % des Gesamtvermögens; die untere Hälfte verfügt dagegen nur noch über rund 1 % des gesamten Nettovermögens; kleine und mittlere Einkommen stagnieren, während es in manchen Chefetagen Abfindungsexzesse gibt; 7 Millionen Arbeitnehmer sind in prekären Beschäftigungsverhältnissen, also etwa 20 Prozent aller Beschäftigten.
Wir müssen also leider feststellen: Deutschlands Wohlstand ist krass unterschiedlich verteilt! Und nicht nur hier: Weltweit geht die Schere zwischen arm und reich weiter auseinander. Die Hälfte des weltweiten Vermögens ist in der Hand des reichsten Prozents. Die reichsten 20 Prozent der Weltbevölkerung verbrauchen 90 % aller produzierten Güter. Das greift den gesellschaftlichen Zusammenhalt und sozialen Frieden an. Welche Legitimation hat Politik, die hier nichts ändert?
Das Flüchtlingsdrama des vergangenen Jahres hat in weiten Teilen unserer Gesellschaft zu einer großen Verunsicherung geführt. Dies hat u.a. im Anwachsen der AfD seinen Ausdruck gefunden, und es zeigt: Die starken Fundamente, auf denen unser Staat steht, haben Risse.
Wir sollten uns nicht täuschen: Die rechtspopulistische Kampfansage gilt unserer weltoffenen, liberalen Gesellschaft. In ganz Europa sind rechtspopulistische Parteien auf dem Vormarsch. Sie verfolgen ein klares Ziel: Sie wollen die liberale Demokratie durch eine autoritäre Staats- und Gesellschaftsform ersetzen. Es gibt viele Erklärungsmuster für diesen Rechtsruck. Ein wichtiges scheint mir die Gerechtigkeitsfrage. Deshalb haben so viele Menschen das Vertrauen in die politischen Führungseliten verloren und flüchten sich in die Wahlenthaltung oder an den rechten Rand.
Während die Reichen immer reicher werden, verfestigt sich im unteren Drittel unserer Gesellschaft Arbeitslosigkeit, Bildungsarmut, Kinderarmut und Abhängigkeit von staatlicher Unterstützung. Zu viele Menschen haben ihre Hoffnung auf sozialen Aufstieg aufgegeben. Und selbst in der Mittelschicht grassieren Abstiegsängste. Das ist gefährlich, weil es ja einen direkten Zusammenhang zwischen der Stärke der Mittelschicht und der Stabilität unserer Demokratien gibt. Was machen wir falsch? Haben wir etwas Wesentliches aus den Augen verloren?
Wir selbst haben derzeit ein Problem: Viele Menschen glauben uns nicht mehr, dass wir das ernst meinen mit der Gerechtigkeit. Ohne dieses Vertrauen werden wir es aber nicht schaffen, den politischen Gestaltungsauftrag wiederzuerlangen. Sozialdemokratie kann nur gewinnen, wenn Menschen an die Gestaltbarkeit von Verhältnissen glauben, und an die Möglichkeit das eigene Schicksal wirklich in die Hand nehmen zu können. Wir dürfen deshalb den progressiven Anspruch nicht aufgeben, alle, also auch die "Abgehängten", wieder ins Boot zu holen!
Wer Gerechtigkeit befördern will, muss dafür sorgen, dass die Wirtschaft läuft. Mittlerweile weiß auch der letzte, dass die Frage der Ungleichheit kein Linken-Idealisten-Thema ist. Die harte Fakten des DIW sind klar: Ungleichheit schwächt unser Wachstum und verhindert Investitionen! Es ist eben nicht so, dass Gewinne und Wachstum automatisch zu mehr Arbeitsplätzen und Wohlstand für alle führen. Der Wohlstand sickert heute nicht mehr von oben nach unten. Wie also sieht eine kluge Wirtschaftspolitik aus?
Wir müssen den guten Teil unseres ökonomischen Fundaments sichern und stärken, und den anderen besser machen. Und zwar so, dass die gewaltige Umverteilung der vergangenen Jahrzehnte von den Arbeitseinkommen zu den Kapitaleinkommen endet. Großunternehmen dürfen sich nicht mehr der fairen Besteuerung entziehen. Unternehmen, die ihre Gewinne privatisieren statt zu investieren, müssen gesamtgesellschaftlich stärker beitragen. Arbeit muss fair verteilt und Arbeitnehmer fair beteiligt werden.
Wie also sieht eine sozialdemokratische Politik aus, mit der wir Vertrauen zurückgewinnen und den Weg in eine gute Zukunft für alle gehen können; auch gegen die stärker werdenden Anhänger autoritärer Gesellschaftsmodelle?
In den Alltagsfragen von Bildung, Arbeit, Familie, Rente, Gesundheit, Integration von Flüchtlingen und letztlich auch Steuergerechtigkeit müssen wir praktikable und gerechte Antworten geben, die auch bei den Leuten ankommen, die nicht jeden Tag drei Zeitungen lesen. Unser Anspruch muss sein, allen Menschen die nötige soziale Sicherheit für Selbstbestimmung und Souveränität über die eigene Lebensführung zu geben, und auch öffentliche Sicherheit, denn gerade die schwächeren sind darauf besonders angewiesen.
Gerade das Thema Chancen ist hochsensibel. Fakt ist: In den Eliten, aber auch schon bis hinein in die Mittelschicht, hat der Glaube nachgelassen, dass die Langzeitarbeitslosen oder die Kinder der verwahrlosten Stadtviertel es schaffen können, ihr Leben selbst in die Hand zu nehmen. Schlimmer noch: Man gibt ihnen alleine die Schuld an dieser Lage. Diese hochnäsige Verachtung warnt uns, dass eine neue Form der Klassengesellschaft droht, in der Einkommen und Beziehungen wichtiger sind als Leistung und Anstrengung.
Was tun wir gegen Herkunftsausgrenzung? Was tun wir dagegen, dass Ali Özgür weniger Chancen hat als Karl Schmidt, dass das Kind von der Paketzustellerin schlechtere Chancen hat als das vom Lehrer? Chancengleichheit theoretisch gut zu finden heißt ja leider oft, trotzdem abzulehnen wenn die Flüchtlingskinder in die Klasse der eigenen Tochter kommen. Da müssen wir uns auch an die eigene Nase fassen. Die Sozialdemokratie darf nicht nur eine Partei der Aufgestiegenen sein - sie muss auch eine Partei der Aufsteiger bleiben!
Der schwedische Sozialdemokrat Olof Palme hat den Satz geprägt: Politik heißt etwas wollen. Und es ist doch ganz klar: Wir Sozialdemokratinnen und -demokraten müssen ändern wollen, was nicht gerecht ist