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Wie sieht eine progressive Finanzpolitik aus? Antworten gibt es in unserer Video-Reihe „Um den Block mit …“.
Die Coronakrise belastet alle europäischen Mitgliedsstaaten. Bei dem Versuch, die Finanzpolitik sinnvoll als Instrument der Krisenbewältigung zu nutzen, kann man aus den Fehlern der Eurokrise lernen. Dann sind die Chancen gut, dass wir gemeinsam und mit einem wirtschaftlichen Aufschwung aus der Krise hervorgehen.
Die Video-Reihe „Um den Block mit …“ fragt nach Visionen und Forderungen für eine progressive Wirtschaftspolitik. Die Moderatorin und Bloggerin Alice Greschkow spricht mit Expert*innen der Steuer-, Sozial-, Klima- und Industriepolitik. Gemeinsam werfen sie einen kritischen Blick auf den deutschen und europäischen Status quo. Dabei interessiert vor allem: Wie können wir die Zukunft besser machen?
Alice Greschkow trifft den Wirtschaftswissenschaftler Achim Truger. Beim Spaziergang durch Berlin Schöneberg erklärt er, wie eine progressive Finanzpolitik aussehen kann.
Greschkow: Wie geht es aktuell der europäischen Finanzpolitik?
Truger: Der geht es verhältnismäßig gut, vor allem wenn man es mit der Situation in der Eurokrise nach 2010 vergleicht. Wenn es so weiter geht, dann gibt es eine gute Chance, dass Europa viel besser durch die Krise kommt als damals. Die Streitigkeiten und Konflikte innerhalb der EU sind diesmal nicht eskaliert, sondern es gibt ein Wiederaufbauinstrument, bei dem die EU aus gemeinsamen Schulden Unterstützungszahlungen an die Mitgliedsstaaten leistet. Das ist im Grunde solidarische Krisenbewältigung. Jetzt kommt es darauf an, dass das Geld schnell ausgezahlt und gut ausgegeben wird.
Greschkow: Viele junge Menschen machen sich Sorgen über eine zu hohe Verschuldung. Wer soll das alles abbezahlen?
Truger: Diese Sorgen verstehe ich. Wenn allerdings die Jugendarbeitslosigkeit wieder so stark steigt wie in der Eurokrise haben die jungen Generationen davon auch nichts. Die Schulden sind auf jeden Fall tragbar und die Zinsen sind rekordniedrig. Und mit dem Geld wird Gutes getan: Es wird verhindert, dass die Wirtschaft abstürzt und die Investitionen kommen später dann den jungen Menschen zugute.
Greschkow: Welche politischen Rahmenbedingungen müssen auf EU-Ebene künftig bestehen, damit die Haushaltspolitik in der Form gestaltet werden kann wie jetzt angedacht?
Truger: Worauf es jetzt ankommt ist, die Fiskalregeln zu reformieren, die in der Vergangenheit nicht funktioniert haben. Wir müssen wegkommen von diesen strengen Regeln, die dazu führen, dass die Staaten sich immer tiefer in die Krise sparen und die nötigen öffentlichen Investitionen nicht tätigen können. 60 Prozent vom Bruttoinlandsprodukt als Schuldenstandsquote, 3 Prozent maximale Defizitquote und mittelfristig ausgeglichene oder sogar überschüssige Haushalte – davon muss man weg. Das sind technokratische Lösungen, die so nicht funktioniert haben.
Greschkow: Wie sieht das Idealszenario für die Geld- und Fiskalpolitik in der EU aus?
Truger: Wir brauchen mehr Kooperation und gemeinsame Abstimmungen. Und wo mir alle zumindest abstrakt zustimmen werden: Wir brauchen eine Demokratisierung und eine stärkere Wohlstandsorientierung. Die Wirtschaft ist nicht dazu da, irgendwelche engen Kennziffern zu erfüllen, sondern um Wohlstand für die Menschen zu bringen – in einem umfassenden Sinne. Dazu gehört nicht nur das Bruttoinlandsprodukt, sondern auch soziale Indikatoren, Gesundheitsindikatoren und die Versorgung der Bevölkerung – also Lebensqualität. Auf europäischer Ebene muss ein demokratischer Prozess entstehen, bei dem diese Dinge festgelegt werden. Es braucht eine völlig andere Vorstellung, die letztlich in Richtung Vereinigte Staaten von Europa geht. Diese Koexistenz mit strikten Regeln funktioniert weder ökonomisch, noch politisch, noch sozial.
Alice Greschkow ist Moderatorin und Bloggerin.
Prof. Dr. Achim Truger ist Professor für Sozioökonomie an der Universität Duisburg-Essen und Mitglied im Sachverständigenrat Wirtschaft. Das vollständige Interview ist im Video zu sehen.
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