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Während unsere Untersuchung keinen eindeutigen Zusammenhang zwischen Digitalisierung und Konzentration der deutschen Unternehmenslandschaft nachweisen konnte, finden sich Hinweise darauf, dass die Digitalisierung mit einer stärkeren Finanzmarktorientierung einhergeht. So zeigt die vergleichende Analyse wichtiger Kennzahlen von TecDAX- und DAX-Unternehmen, dass die technologieorientierten Unternehmen des TecDAX ihre Strategien und ihr Verhalten deutlich stärker auf die Aktienmärkte ausrichten, als das bei den traditionelleren DAX-Konzernen der Fall ist. Darüber hinaus wachsen die technologieorientierten Unternehmen auch schneller, gewinnen also für die deutsche Wirtschaft insgesamt an Bedeutung.
Um zu untersuchen, ob die Digitalisierung mit einer stärkeren Finanzmarktorientierung zusammenhängt, haben wir die traditionellen DAX-Unternehmen mit den im TecDAX gelisteten Technologieunternehmen anhand von ORBIS-Daten verglichen. Der 2003 eingeführte TecDAX repräsentiert die 30 bedeutendsten „Technologiewerte“ der deutschen Wirtschaft. Hier sind neben einigen Unternehmen aus der Biotech- und Medizintechnikbranche vorwiegend Firmen aus den digitalen Zukunftsbranchen Informationstechnologie (Hard- und Software sowie IT-Dienstleistungen) und Telekommunikation vertreten. Dass diese Unternehmen tatsächlich stärker technologieorientiert sind als z. B. DAX-Unternehmen, zeigt sich unter anderem auch an den höheren Ausgaben für Forschung und Entwicklung (F&E). Unter den 20 F&E-stärksten deutschen Unternehmen finden sich 17 TecDAX-, aber gerade mal drei DAX-Unternehmen.
Vergleicht man wichtige Kennzahlen von TecDAX- und DAX-Unternehmen, so zeigt sich, dass in absoluten Zahlen die stärker technologisierten Unternehmen des TecDAX durchschnittlich zwar deutlich kleiner als die großen deutschen DAX-Unternehmen sind – gemessen am Umsatz sind die traditionellen Unternehmen circa zehn Mal so groß (5.345 Millionen Euro für den TecDAX und 47.029 Millionen Euro für den DAX im Jahr 2017). Bei den Wachstumsraten der Vermögenswerte, also Assets der Unternehmen, wachsen dagegen die TecDAX-Unternehmen deutlich schneller (vgl. Abbildung). Auch bei den F&E-Ausgaben liegen die Wachstumsraten der Technologieunternehmen im Zeitraum von 2009 bis 2017 klar über denen der DAX-Unternehmen.
Nur bei einer Kennzahl entwickeln sich die TecDAX Unternehmen deutlich langsamer als ihre DAX-Schwestern: bei den Beschäftigtenzahlen. Zwar haben auch die TecDAX-Unternehmen in der Boomphase von 2009 bis 2017 Beschäftigung aufgebaut, aber mit 1,6 Prozent war ihr Wachstum der Beschäftigtenzahlen deutlich schwächer als die 2,5 Prozent der (noch dazu größeren) DAX-Unternehmen.
Finanzmarktorientierung, auch Finanzialisierung genannt, meint die zunehmende Dominanz der Finanzindustrie in den gesamten ökonomischen Aktivitäten (Dore 2002). Das drückt sich unter anderem in der Verschiebung von Real- zu Finanzvermögen und der zunehmenden Ausrichtung von Unternehmen am Shareholder Value aus (Stockhammer 2004, Davis 2017). Diese Orientierung spiegelt sich auch im strategischen Verhalten der Unternehmen wider, z. B. in einem verstärkten Fokus auf Dividendenausschüttungs- und Kurspflegestrategien im Gegensatz zu einer Strategie des internen Wachstums (Investitionen) durch das Einbehalten von Gewinnen.
Wie stark Unternehmen finanzialisiert sind, lässt sich beispielhaft an drei Indikatoren ablesen: Marktkapitalisierung, Dividende pro Aktie und Ausschüttungsquote. Während in den Jahren 2009 bis 2017 die Dividende pro Aktie bei beiden Unternehmensgruppen ungefähr im Gleichschritt zugenommen hat, ist die Marktkapitalisierung von TecDAX-Unternehmen deutlich stärker gestiegen als jene von DAX-Unternehmen (vgl. Abbildung). Auch die Ausschüttungsquote von TecDAX-Unternehmen ist im Vergleich zu DAX-Unternehmen 2,5-mal so hoch und auch mehr als doppelt so stark angestiegen. TecDAX-Unternehmen zeigen also bei zwei der drei Merkmale, die wir auf Basis unserer Daten als Indikatoren für die Finanzmarktorientierung verwenden können, ein deutlich stärkeres Wachstum als DAX-Konzerne.
Der Vergleich von TecDAX und DAX zeigt: Die Bedeutung technologieorientierter Unternehmen in der deutschen Wirtschaft nimmt zu. Und mit ihrem Bedeutungsgewinn, das legen die Indikatoren nahe, geht auch eine stärkere Finanzmarktorientierung einher. Das hat Auswirkungen, insbesondere für das Verhältnis zwischen Kapital und Arbeit. Unsere Ergebnisse zeigen über das relative Beschäftigungswachstum von stärker und weniger stark digitalisierten Unternehmen einen möglichen Wirkungskanal für den dokumentierten negativen Zusammenhang zwischen Digitalisierung und der Lohnquote (Autor et al. 2001, Ponattu et al. 2018). Zudem ist eine mögliche Ableitung aus unseren Ergebnissen, dass der Bedeutungszuwachs der Technologieunternehmen zur Finanzialisierung von Haushaltseinkommen beiträgt: Einkommen aus Löhnen nehmen in ihrer Bedeutung gegenüber Einkommen aus (Finanz-)Kapital ab. Nachdem wir also festgestellt haben, dass Deutschland digitalisiert, aber dass Digitalisierung und Monopolisierung in Deutschland keinen eindeutigen Zusammenhang haben, stellt sich also die Frage, was die Digitalisierung für die Verteilung von Vermögen und Einkommen in Deutschland bedeutet und welche Politikvorschläge sich daraus ableiten.
Autor, David H.; Levy, Frank; Murnane, Richard 2001: The Skill Content of Recent Technological Change: An Empirical Exploration, Cambridge, dspace.mit.edu/bitstream/handle/1721.1/64306/skillcontentofre00auto.pdf;sequence=1 (10.9.2019). Davis, Leila E. 2017: Financialization and the Non-Financial Corporation: An Investigation of Firm-Level Investment Behavior in the United States, in: Metroeconomica 69 (1), S. 270–307. Dore, Ronald 2002: Stock Market Capitalism versus Welfare Capitalism, in: New Political Economy 7 (1), S. 115–127. Stockhammer, Engelbert 2004: Financialisation and the Slowdown of Accumulation, in: Cambridge Journal of Economics 28 (5), S. 719–741.
Benjamin Ferschli, Miriam Rehm, Matthias Schnetzer, Stella Zilian