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Marktmacht, Finanzialisierung, Ungleichheit

Was kann die Politik mit Blick auf die Digitalisierung tun, um der zunehmenden Finanzialisierung und Vermögensungleichheit entgegenzuwirken?

Zwei politische Maßnahmen halten wir für besonders geeignet, um der beschriebenen Problematik gegenzusteuern und die Digitalisierung mitzugestalten:

Eine Anpassung des Steuersystems auf die Herausforderungen einer digitalisierten Wirtschaft und die Einrichtung von strategischen Staatsfonds. Als steuerliche Maßnahme wäre etwa eine Finanztransaktionssteuer ein sinnvolles Instrument, um die stärker werdende Finanzmarktorientierung wieder einzudämmen, aber auch um einen fairen Beitrag von den Profiteur_innen der Digitalisierung an der Finanzierung öffentlicher Leistungen zu erzielen.

Darüber hinaus geht es aber auch um die Frage, wie Unternehmenseigentum gesellschaftlich gerechter verteilt werden kann, um nicht erst nachträglich die technologieinduzierte Ungleichheit zu korrigieren, sondern sie bereits vor ihrer Entstehung zu bekämpfen. Das kann mithilfe von Staatsfonds erreicht werden oder in Form von Mitarbeiterbeteiligungen an Unternehmen.

Finanztransaktionssteuer reduziert Finanzmarktorientierung

In unserer Untersuchung stellte sich ein Zusammenhang zwischen Digitalisierung und verstärkter Finanzmarktorientierung in der deutschen Wirtschaft heraus. Eine Antwort auf die potenziellen Begleiterscheinungen dieser Entwicklung, wie etwa überbordende Spekulation, makroökonomische Instabilität und zunehmende Ungleichheit, könnte eine Finanztransaktionssteuer sein. Dabei handelt es sich um eine Steuer auf den Kauf und Verkauf von Wertpapieren, die bei jeder Transaktion anfällt. Investor_innen, die eine langfristige Perspektive haben, sind von dieser Steuer kaum betroffen, da die Steuersätze selbst gering sind. Häufige Käufe und Verkäufe von Aktien hingegen werden durch diese Steuer verteuert. Und genau darauf zielt die Finanztransaktionssteuer: spekulatives Verhalten an der Börse, das auf volatile Kurse zielt, kann so eingedämmt werden. Eine Finanztransaktionssteuer verteuert zudem auch bestimmte finanzmarktorientierte Strategien von Unternehmen, z. B. Rückkäufe von Aktien, um die eigenen Aktienkurse in die Höhe zu treiben.

Die Digitalisierung spielt bei der Einführung einer Finanztransaktionssteuer aber auch noch eine ganz andere Rolle, denn sie ermöglicht eine relativ einfache technische Umsetzung dieser Form der vermögensbezogenen Besteuerung. Es kostet nur einen Knopfdruck am Computer, um auf den Cent genau alle Umsätze aus Finanztransaktionen zu berechnen. Dieses Potenzial der Digitalisierung lässt sich übrigens auch für andere steuerliche Maßnahmen zur Verringerung der Vermögenskonzentration nutzen. Denn mithilfe digitaler Technik lassen sich auch Steuern erfassen und administrieren, die bisher aus technischen Gründen als schwer praktikabel galten. So wäre es mit heutiger Technik durchaus machbar, alle Kapitaleinkommen in die progressive Einkommensbesteuerung zurückzuführen, statt sie wie derzeit mit einem pauschalen Einheitssteuersatz von 25 Prozent zu belegen (und damit gegenüber Lohneinkommen zu begünstigen).

Bei der Finanztransaktionssteuer gibt es in jüngster Zeit wieder Bewegung in der Politik. Auf Initiative des deutschen Finanzministers Scholz vereinbarten im Juni 2019 mehrere Mitgliedstaaten die Einführung einer (abgespeckten) Finanztransaktionssteuer ab 2021. Wichtige Details der Steuer müssen noch geregelt werden. Die Abgabe wird bisher vor allem als Maßnahme zur Stabilisierung der Finanzmärkte diskutiert. Unsere Untersuchung liefert in dieser Diskussion ein neues, wichtiges Argument, da wir zeigen konnten, dass es einen Zusammenhang zwischen Finanzialisierung und Digitalisierung der Wirtschaft gibt. Gerade in Zeiten des digitalen Hochfrequenzhandels, der einzig der Spekulation dient, bietet die Transaktionssteuer deshalb eine doppelte Chance: die Instabilität auf den Finanzmärkten einzudämmen und eine zusätzliche Finanzierungsquelle aus Kapitaleinkommen für das Gemeinwesen zu erschließen.

Strategische Staatsfonds: Gesellschaft am Kapitaleigentum beteiligen

Eine andere wichtige Maßnahme, um sowohl die Finanzmarktorientierung, vor allem aber auch die Vermögensungleichheit zu reduzieren, ist eine breite gesellschaftliche Beteiligung am Kapitaleigentum. Wenn im Zuge der Digitalisierung Arbeitseinkommen immer stärker unter Druck geraten und Kapitaleinkommen immer relevanter werden, dann müssen wir über Möglichkeiten diskutieren, die durch mehr gesellschaftliche Teilhabe an Unternehmen diese Entwicklung nicht erst im Nachhinein korrigieren, sondern bereits das Entstehen von zu großer Ungleichheit bekämpfen. Es gibt unterschiedliche Ansätze dafür, die Gesellschaft am Kapitaleigentum zu beteiligen wie etwa die Mitarbeiterkapitalbeteiligung oder insbesondere die Förderung genossenschaftlicher Wirtschaftsformen. Darunter ist das Instrument des strategisch orientierten Staatsfonds, der aktive Industriepolitik betreibt, im Kontext der digitalen Transformation eine der vielversprechenden Möglichkeiten.

Ein strategischer Staatsfonds erwirbt gezielt Eigentum an Schlüsselindustrien und -betrieben, um wirtschaftliche Entwicklung aktiv zu fördern und zu gestalten. Gerade bei Grundlageninnovationen und Start-ups, bei denen eine geringe Erfolgswahrscheinlichkeit mit hohen Ertragschancen bei wenigen „Gewinnerunternehmen“ gepaart ist, bringt der Staat die richtige Kombination aus „tiefen Taschen und langem Atem“ mit, sprich das notwendige Volumen für Investitionen in die Breite einerseits und einer langfristigen Finanzierung andererseits. Tatsächlich nimmt die öffentliche Hand die Rolle als Motor innovativer Entwicklungen in der Wirtschaft mittels Forschungsförderung und Subventionen längst wahr. Das belegt Mazzucato (2011) anhand vieler Einzelfälle wie etwa der Medikamentenforschung, Nanotechnologie, der Entwicklung des iPhone und iPad, GPS und Spracherkennung, Solar- und Windenergie. Im Gegensatz zu einer weit verbreiteten Erzählung beruht die Entwicklung vieler dieser Innovationen, deren Patente sich im Besitz von Privatunternehmen befinden, auch stark auf staatlicher Förderung.

Im Rahmen eines strategischen Staatsfonds würden die öffentlich finanzierten Förderungen für Start-ups bzw. Zukunftstechnologien von Einmalzahlungen an Privatfirmen ohne Gegenleistung in staatliche Eigenkapitalanteile umgewandelt werden. Dadurch ergibt sich nicht nur die Möglichkeit, Innovationen voranzutreiben, sondern es können auch Rückflüsse aus der Privatwirtschaft an Staat und Gesellschaft generiert sowie mittelfristig ein staatlich gehaltener Anteil an den technologieorientierten Zukunftsbereichen der Wirtschaft aufgebaut werden. Dieses öffentlich gehaltene Kapitaleigentum ermöglicht es der Politik zudem, strategisch auf Entwicklungen in bestimmten Sektoren Einfluss zu nehmen, etwa mit Blick auf Arbeitsbedingungen (z. B. Tarifbindung und Mitbestimmung), aber auch bei spezifischen Investitionsentscheidungen.

Natürlich ergeben sich bei der Umsetzung auch heikle Fragen bezüglich der EU-Beschränkungen für staatliche Beihilfen, die geklärt werden müssen. Eine Gefahr besteht zudem in Regulatory capture, also der Beeinflussung der Politik durch die Interessen bedeutender staatsnaher Unternehmen. Dieses Risiko kann durch die Einrichtung unabhängiger Aufsichts- und Kontrollinstanzen aber minimiert werden.

Digitalisierung wohlstands- statt profitorientiert gestalten

Die Digitalisierung verändert die deutsche Wirtschaft und ihre Unternehmen tief greifend. Auch wenn Digitalisierung in Deutschland nicht eindeutig die Konzentration von privatem Unternehmensbesitz fördert, so führt sie doch zu mehr Finanzmarktorientierung. Dadurch steigt die Ungleichheit und verdichtet sich politische Macht.

Die digitale Transformation der Wirtschaft kann aber auch zum Wohl für die breite Gesellschaft gestaltet werden. Unsere Untersuchung des Zusammenhangs zwischen Digitalisierung, Marktkonzentration, Finanzmarktorientierung und Vermögensungleichheit unterstreicht die Relevanz politischer Maßnahmen gegen die negativen Begleiterscheinungen einer zunehmend digitalisierten Wirtschaft. Es gilt, Digitalisierungsprozesse aktiv zu gestalten und auftretende Ungleichgewichte zu berücksichtigen.

Eine Bändigung der Finanzmärkte – mit der Finanztransaktionssteuer als einem ersten Schritt – und die vermehrte gesellschaftliche Teilhabe an Unternehmen unter demokratischer Organisation und Kontrolle bieten dafür eine mögliche Antwort. Gleichzeitig müssen wir über unterschiedliche Optionen der betrieblichen Mitbestimmung und der konkreten Ausgestaltung von Kontrollmechanismen diskutieren. Die Chancen, Digitalisierung wohlstands- statt profitorientiert zu gestalten, sind vielfältig, und die politische Durchsetzbarkeit hängt unmittelbar von der Stärke der organisierten, fortschrittlichen Kräfte ab.

Literaturverzeichnis

Mazzucato, Mariana 2011: The Entrepreneurial State: Debunking Public vs. Private Sector Myths, London; New York.

Autor_innen:

Benjamin Ferschli, Miriam Rehm, Matthias Schnetzer, Stella Zilian


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