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Christos Katsioulis ist Leiter des Regionalbüros der Friedrich-Ebert-Stiftung für Zusammenarbeit und Frieden in Europa. Mit Benedikt Weingartner diskutiert er in der Sendung Europa:DIALOG des österreichischen Senders OKTO TV die Auswirkungen der Zeitenwende anhand der Untersuchungsergebnisse der Sicherheitsradar-Umfrage in Deutschland, Frankreich, Polen und Lettland.
Einige Highlights des Interviews:
OKTO TV: An den Diskussionen der letzten Monate rund um die Waffenlieferungen zeigte sich die Sorge darüber, dass die NATO und Europa in diesen Konflikt hineingezogen werden könnten. Denken wir vor allem an die nukleare Bedrohung, aber auch die Sorge, dass Provokationen zu einer Ausweitung des Krieges führen könnten. Ist das in Ihren Untersuchungen in Erscheinung getreten?
Christos Katsioulis: Wir haben in unserer Sicherheitsradar-Umfrage gesehen, dass die Sorgen der Bürgerinnen und Bürger für ihre persönliche Sicherheit, für ihr direktes Umfeld, aber vor allem auch für die Sicherheit ihres eigenen Landes gestiegen sind. Gleichzeitig sind aber auch die Sorgen rund um Inflation und Preissteigerungen, also um die ökonomische Zukunft, angestiegen. Wir haben es dementsprechend mit einer zunehmend ängstlichen Bevölkerung zu tun, die sich ebenfalls zunehmend mit der Frage umtreibt, die auch die Politik wälzt: Welche Unterstützungsleistungen können wir erbringen? Das ist sehr schwierig, gerade vor dem Hintergrund der Tatsache, dass zu Beginn viele davon ausgingen, dass der Krieg nur sehr kurz dauern würde. Als wir dann festgestellt haben, dass Russland nicht in der Lage ist, einen Drei-Tage-Krieg zu führen, stellte sich langsam das Bewusstsein ein, dass der Krieg bis über den Sommer hinausgehen könnte.
Das führte insbesondere in Deutschland zur Dynamik, dass sich die Debatte an jedem neuen Waffensystem neu entzündet hat. Da entstand der Eindruck: Wenn wir schwere Waffen liefern, wenn wir den Leopard-Panzer liefern, dann ist das der sogenannte Game-Changer, der den Krieg beenden wird. Daher haben wir auch die Bürgerinnen und Bürger nach ihrer Einschätzung gefragt, wie dieser Krieg enden wird. Glauben sie an einen schnellen Sieg der einen oder anderen Seite? Glauben sie, dass es zu Verhandlungen kommen wird? Oder glauben sie, dass der Krieg lange dauern wird? Wir haben diese Umfrage im September und Oktober 2022 kurz nach den Erfolgen der ukrainischen Armee in der Herbst-Offensive durchgeführt, und dennoch glaubte in Deutschland, Frankreich und Polen ein Drittel der Menschen, dass der Krieg nicht bald enden wird. Genau das macht die europäische Unterstützungsbereitschaft, die überall vorhanden ist, auch so tragfähig: Denn die Menschen gehen nicht davon aus, dass wir das nur ein oder zwei Jahre machen müssen, sondern möglicherweise über viele Jahre hinweg.
OKTO TV: Es ist auffällig, dass in Lettland und Polen die Überzeugung viel größer ist, dass die Ukraine siegreich sein wird.
Christos Katsioulis: Das hängt in meinen Augen auch mit der medialen Vermittlung des Krieges zusammen. Ich war genau in dieser Phase in Warschau, und da waren in jedem Fernsehsender Bilder von siegreichen ukrainischen Soldatinnen und Soldaten mit gehissten Flaggen und Karten mit Gebietszugewinnen zu sehen. Die Debatte in Deutschland war da deutlich zurückhaltender und vorsichtiger. Es war zudem äußerst ungewöhnlich für Deutschland, dass wir so viele militärisch konnotierte Debatten, über Panzer, über Haubitzen, und jetzt über Kampfjets führen mussten. Ich glaube, in der deutschen Öffentlichkeit ist der Respekt vor der russischen Armee noch deutlich größer: Hier glauben noch viele Menschen, dass Russland militärisch stärker ist.
Christos Katsioulis leitet das Regionalbüro für Zusammenarbeit und Frieden der Friedrich-Ebert-Stiftung in Wien. Zuvor leitete er die Büros der FES in London, Athen und Brüssel.
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