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Die gemeinsame europäische Energiepolitik ist eines der ersten Kinder der Union – und doch scheint sie in den Kinderschuhen stecken zu bleiben. Schade, denn sie hätte das Potential zu einem neuen Integrationsmotor zu werden.
Bild: Energieunion von blickpixel lizenziert unter CC0 1.0
Mit der Europäischen Kohle- und Stahlgemeinschaft wurde 1951 der Grundstein für die heutige Europäische Union gelegt. Die EU wankt heute mehr denn je und niemand kann wissen, wie sie in einigen Jahren aussehen wird. Symptomatisch dafür ist auch die momentane Energiepolitik: Sie bietet enormes Potential, zu einem Integrationsmotor zu werden, es gibt viele Projekte, auf denen aufgebaut werden könnte und es gibt einiges zu tun: Angesichts geopolitischer Spannungen muss Energiesicherheit hergestellt werden – gerade die osteuropäischen Mitgliedstaaten beklagen ihre Abhängigkeit von Russland. Auch könnte durch ein integriertes Energiesystem der gesamteuropäische CO²-Austoß leichter und deutlicher gesenkt werden.
Doch die Luft scheint raus zu sein. Das Versprechen lautete einst, dass Liberalisierung und freie Märkte zu gesteigertem Wettbewerb und niedrigeren Energiepreisen führen würde. Die Bürger_innen und die Unternehmen würden profitieren. Doch die Realität heute sieht anders aus. Teils wegen nationaler Eigeninteressen, teils wegen eines von Beginn an wackeligen Aufbaus des gemeinsamen Energiemarktes, welcher verhindert hat, dass grundsätzliche Probleme in der Energiepolitik angegangen werden konnten.
Die Europäische Kommission hat Anfang 2015 eine neue Strategie für eine gemeinsame europäische Energiepolitik entwickelt, welche fünf Dimensionen umfasst: Versorgungssicherheit und Solidarität, integrierte Energiemärkte, Energieeffizienz, Dekarbonisierung der Wirtschaft, Forschung, Entwicklung und Wettbewerbsfähigkeit. In einem gemeinsamen Papier von terra nova, dem Institute of Public Affairs und der Friedrich-Ebert-Stiftung hat sich Ende 2015 ein europäisches Expertenteam mit den Vorschlägen der Kommission und der Zukunft der Energiepolitik auseinandergesetzt. Bei den Erkenntnissen dieser Studie setzte eine Podiumsdiskussion an, welche das Brüsseler Europabüro der Friedrich-Ebert-Stiftung im Juni 2016 veranstaltete.
Mit Philipp Fink, Antoine Guillou und Christophe Schramm waren auch drei Autoren der Publikation „New and Ambitious or just more of the same? The Energy Union at a Crossroads“ mit dabei, welche zu dem Schluss kommen, dass der Strategieplan der Kommission eher letzteres sei: „just more of the same“ und wenig Ambitionen zeige. Er beinhalte zwar alle nur denkbaren Felder und Inhalte, zeige aber keinerlei neue Wege und Ideen auf. Das Autorenteam kritisiert, dass dieser „business-as-usual“-Ansatz zu breit und nicht zielführend sei. Vielmehr müsste es eine Auswahl von und Fokussierung auf die wichtigsten Aufgaben in der gemeinsamen Energiepolitik geben – anstatt zu versuchen, alles unter einen Hut zu bekommen und dabei alles zu verschlafen.
Das drängendste dieser Felder sei, die zentralisierten europäischen Strommarktdesigns in die Neuzeit zu überführen, also in dezentrale und erneuerbare Energieträger – gerade hier hapere es laut Martina Werner, Abgeordnete im Europäischen Parlament, am Commitment der Kommission. Vor allem vermisst Werner eine stärkere Einbeziehung der Regionen, um das Projekt Energieunion mit Bürger_innen, Mitgliedstaaten und der EU-Ebene gemeinsam voranzubringen. Mit Tadhg O’Brian war auch ein Vertreter der Kommission bei der Veranstaltung in Brüssel dabei. Dieser verteidigte die vorgestellte Strategie mit den Worten: „The energy union is built around the citizens“. Ob dies tatsächlich so ist, bleibt jedoch höchst umstritten – Stichwort „just transition“.
Was tatsächlich zu tun wäre, legen die Autor_innen der besprochenen Studie in drei Forderungen dar:
1. Die Energieunion benötige eine transparente Governance-Struktur, in der eine klare Arbeitsteilung festgelegt wird
2. Die Reformierung des europäischen Energiesystems sei unausweichlich, um die langfristigen energiepolitischen Ziele der Union erreichen zu können
3. Die europäische Energiepolitik müsse langfristig in die übergeordneten Ziele der Union integriert werden
Wer die deutsche Energiewende verfolgt, ahnt, wie schwierig der Umbau auf europäischer Ebene wird – geht er doch schon in Deutschland selten sanft vonstatten. Dazu kommt, dass sich viele Mitgliedsländer in ihrer Souveränität bedroht fühlen, zu deren unabdingbaren Teil sie die Energieversorgung zählen. So kommt auch Stephan Thalhofer vom Europabüro der FES und Moderator der Podiumsdiskussion zu dem Schluss: „Jegliches Voranschreiten braucht Kompromisse zwischen den Mitgliedstaaten, die das Profil einer ambitionierten Energieunion zwangsläufig abschleifen.“ Dies ließe sich ändern – wenn die Akzeptanz für ein europäisches Vorgehen in der Energiepolitik in der Bevölkerung und den Mitgliedstaaten gesteigert werden könnte. Notwendig wäre es allemal, denn sicher ist wohl: Kaum ein Staat der Welt kann seine Energieversorgung alleine stemmen, Autarkie ist selbst auf europäischer Ebene in weiter Ferne. Das dauernde Pochen auf nationalstaatliche Kompetenzen ist daher kontraproduktiv und rückschrittlich.
Weiterführende Links:
Die gesamte Studie: „New and Ambitious or just more of the same? The Energy Union at a Crossroads“
Ansprechpartner in der Friedrich-Ebert-Stiftung:
Stefan Thalhofer
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