Neue Weltordnung

Herkunft und Bedeutung des Begriffs „neue Weltordnung“

Der Begriff „neue Weltordnung“ wird aktuell verstärkt genutzt, um Veränderungen in den internationalen Machtverhältnissen, die wir derzeit beobachten können, zu beschreiben. Von einer neuen Weltordnung spricht man also, wenn bestehende Machtkonstellationen sich verändern.

 

Der Begriff wird außerdem verwende, um ein politisches Konzept zu beschreiben, nach dem international eine gemeinschaftliche Rechtsordnung etabliert werden soll, die eine kollektive Sicherheit hervorbringt. Häufig benutzt wurde der Begriff im Rahmen der Außenpolitik der Großmacht USA im 20. Jahrhundert.

 

Seine Wurzeln liegen in den Bemühungen des damaligen US-Präsidenten Woodrow Wilson, nach dem 1. Weltkrieg den Völkerbund mit festgeschriebenem Völkerrecht als Instrument zur Vermittlung in internationalen Konfliktfällen aufzubauen. Im Laufe der Jahrzehnte tauchte der Begriff „neue Weltordnung“ dann in immer wieder neuen Kontexten auf – bis heute.

 

Zeitenwende 1989/90 - der Weg in eine neue Weltordnung

Der ehemalige US-Präsident George H.W. Bush brachte den Begriff „neue Weltordnung“ Ende des 20. Jahrhunderts zurück ins kollektive Gedächtnis, als er sich im Rahmen seiner Rede im Kongress am 11. September 1990 eine durch Amerika angeführte neue Ära des Friedens nach dem Kalten Krieg erträumte.

 

Dies war der Startschuss für eine Renaissance des Weltordnungsbegriffs: Die USA gingen in der Rolle als „unverzichtbare Nation“ bei der Beantwortung globaler Fragen auf und etablierten sich mit ihrer internationalen Sicherheitspolitik über die folgenden Jahre als eine Art „Weltpolizist“.

 

International wurde Demokratie in den Fokus gerückt und liberale Werte hervorgehoben. George H.W. Bush beschrieb die in der Folge stattfindende „beispiellose weltweite Kooperation“ gerne als Verdienst der US-amerikanischen Bemühungen, internationale Partner- und Freundschaften zu fördern. Tatsächlich übten die USA eine unbestreitbare Vormachtstellung in der internationalen Politik aus. Neben Freiheit und Demokratie galt der amerikanische Führungsanspruch damals als ein Hauptpfeiler der sogenannten liberalen Weltordnung.

 

Liberale Weltordnung in Gefahr?

Die ab 1990 bestehende unipolare Form der liberalen Weltordnung gerät in den letzten Jahren zunehmend ins Wanken. So wird die sogenannte „Pax Americana“ intensiv durch geopolitische Rivalen der USA bedrängt: Insbesondere China und Russland treten mittlerweile konfrontativ gegenüber den USA auf und versuchen ihre eigenen Ordnungsvorstellungen umzusetzen. Aber auch aufstrebende Mächte, wie zum Beispiel Indien, Brasilien, die Türkei, etc. verfolgen zunehmend ihre eigenen Ziele.

 

Dabei war die liberale Weltordnung fast dreißig Jahre lang vorherrschend und gilt insbesondere in demokratisch geprägten Staaten als ein wesentlicher politischer und wirtschaftlicher Motor für den Fortschritt. Gleichzeitig gab es insbesondere in einigen Ländern des so genannten Globalen Südens immer auch Kritik an ihr.

 

Die nach dem Kalten Krieg geprägte Ordnung ist also im Begriff ist, sich zu ändern. Dies geschieht vermutlich zu Gunsten einer neuartigen bi- oder multipolaren Ordnung. Wie viel am Ende vom regelbasierten Multilateralismus übrig bleibt und wie er sich an die neuen Machtverhältnisse anpassen wird, bleibt abzuwarten. Insbesondere Russlands Angriff auf die Ukraine und die damit einhergehenden internationalen Verschiebungen könnten zukünftig als Kristallisationspunkt für eine Zeitenwende in den internationalen Beziehungen gelten.

 

So scheinen internationale humanitäre Interventionen in Zukunft kaum noch realistisch zu sein. Verstärkt treten immer lauter geäußerte nationale Interessen in den Vordergrund. Konkurrenzen scheinen wichtiger zu werden als Kooperationen– und das in Zeiten, in denen wirtschaftliche und politische Zusammenarbeit besonders nötig wären, um gemeinsamen globalen Problemen entgegenzutreten.

 

Wie auch immer eine zukünftige „neuere“ Weltordnung sich ausgestalten wird klar ist: Gemeinschaftlichkeit wird in ihr neu definiert werden müssen.

 

Deutschlands Rolle in der Weltordnung

Der Begriff der neuen Weltordnung wurde auch in Deutschland schon vor einigen Jahrzehnten verwendet: In Zeiten des Nationalsozialismus fand er bisweilen in Zusammenhang mit dem Wunsch nach der Etablierung eines von Deutschland dominierten Europas Verwendung.

 

Dem gegen Ende des 20. Jahrhunderts neu geprägten Weltordnungsbegriff stand die Bunderepublik positiv gegenüber. Als stabile Demokratie, die die friedliche Wiedervereinigung erreicht hatte, sowie als wichtiger Verbündeter der USA, sah man sich als Profiteur einer amerikanisch geführten Ordnung. Die liberale Weltordnung wurde zum politischen und wirtschaftlichen Dreh- und Angelpunkt: Ein einheitliches Europa und freie Weltmärkte sind für Deutschland und seine Wirtschaft von hoher Bedeutung.

 

Aktuelle Umwälzungen der bestehenden Ordnung, inspirieren Politikwissenschaftler_innen und Publizist_innen wie Marc Saxer im IPG-Journal zu Vorhersagen einer weiteren Neuordnung der Welt. Also einer neueren neuen Weltordnung. So wird beispielsweise davon ausgegangen, dass es zwar durchaus eine „regelbasierte, multilaterale Weltordnung“ auch über politische Systemgrenzen hinaus existieren kann. Nur ist dessen tatsächliche Ausgestaltung noch unklar.

 

Die aktuelle internationale politische Lage stellt unser Weltordnungsverständnis auf den Kopf. Auch Bundeskanzler Olaf Scholz griff diesen Gedanken jüngst auf und sprach in seiner Rede vor den Vereinten Nationen von einer neuen Weltordnung des Respekts. Darin skizziert er ein politisches System mit einer „globalen Friedensordnung“.

 

Scholz Rede: Weltordnung des Respekts

In seiner Rede vom 20. September 2022 bei den Vereinten Nationen schlug Bundeskanzler Olaf Scholz eine von Respekt geprägte neue Weltordnung vor und setzte damit bewusst einen Kontrapunkt zu Weltordnungsszenarien, die die Macht des Stärkeren in den Fokus rücken.

 

Das von Scholz skizzierte Szenario käme einer internationalen Zeitenwende gleich, ist gleichzeitig aber auch ein sehr anspruchsvolles Unterfangen, das der Bundeskanzler wie folgt zusammenfasst:

 

„Ob aber in dieser Welt das Recht der Macht herrscht oder die Macht des Rechts, kann den allermeisten von uns nicht egal sein. Die Kernfrage, vor der wir als Weltgemeinschaft stehen, lautet: Schauen wir hilflos zu, wie manche uns in eine Weltordnung zurückkatapultieren wollen, in der Krieg ein gängiges Mittel der Politik ist, in der sich unabhängige Nationen ihren stärkeren Nachbarn oder ihren Kolonialherren zu fügen haben? Eine Weltordnung, in der Wohlstand und Menschenrechte ein Privileg der „lucky few“ sind? Oder schaffen wir es mit vereinten Kräften, dass die multipolare Welt des 21. Jahrhunderts eine multilaterale Welt bleibt? Meine Antwort, als Deutscher und als Europäer, lautet: Das muss uns gelingen, und das wird uns auch gelingen, wenn wir drei grundlegende Prinzipien beachten.“

 

Seine grundlegenden Prinzipien lassen sich wie folgt zusammenfassen:

 

  • eine klare Haltung gegen imperialistisches Vorgehen,
  • ein verantwortungsbewusstes Einstehen aller Länder für völkerrechtliche Prinzipien, internationale Vereinbarungen und Normen sowie
  • zeitgemäße Prozesse und Regeln in internationalen Institutionen.

 

Deutschlands Agieren nach Russlands Angriff auf die Ukraine zeige: Mehr internationale Beteiligung auch kleinerer Staaten und generell stärkere Zusammenarbeit sollen in Scholz´ Sinne zur Lösung von internationalen Problemen beitragen. Der respektvolle Umgang miteinander sei der Schlüssel. Ein sozialdemokratisches Ziel, das Scholz immer wieder zu einem zentralen Aspekt seiner Kommunikation macht.

 


Disclaimer

Nicht zu verwechseln ist der hier skizzierte Begriff der „neuen Weltordnung“ mit der Begrifflichkeit, die im Rahmen von Verschwörungsmythen genutzt wird. Denn auch wenn es einige grundlegende Parallelen im Wortverständnis gibt, so blicken christlich-fundamentalistische und rechte Gruppierungen weit über die Ursprungsbedeutung hinaus. In einem solchen verschwörungsmythischen Kontext wird davon ausgegangen, dass Geheimgesellschaften eine supranationale Weltregierung anstreben und dazu im Verborgenen eine neue, autoritär geprägte Weltordnung vorbereiten. Solche Mythen waren besonders zu Beginn der 1990er Jahre in den USA verbreiten, halten sich aber bis heute in bestimmten Kreisen.

 


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