In der Histadrut standen sich unterdessen weiterhin Gegner und Befürworter eines offiziellen Kontaktes mit dem DGB gegenüber. Hillel Seidel, einen Überlebenden des Ghettos von Wilna, konnte Rosenberg mühsam überzeugen, die Beziehungen nicht abzulehnen, wenn er sie auch nicht befürworten wollte. Als während des Sechstagekrieges 1967 DGB und Einzelgewerkschaften beschlossen, den Wiederaufbau Israels finanziell zu fördern, entschloss sich die Histadrut, eine Delegation in die Bundesrepublik zu entsenden. Der deutsche Botschafter in Tel Aviv berichtete nach Bonn, die Teilnehmer der Delegation hätten sich nach ihrer Rückkehr „sehr lobend, ja, geradezu begeistert” über ihren Empfang in der Bundesrepublik geäußert. Sie hätten überall eine große Sympathie für Israel gespürt. Er nannte es „besonders erfreulich”, dass Seidel „überzeugt“ zurückgekehrt sei, die Zusammenarbeit zwischen beiden Staaten sei „notwendig und gut”. Bemerkenswert klar erkannte Seidel den Zusammenhang zwischen der Shoah und der plötzlichen Sympathie für Israel in Westdeutschland: Viele Deutsche „suchen einen Weg, um für die Vergangenheit zu büßen, und sie glauben, daß die Unterstützung des Staates Israel ihnen diese Möglichkeit bietet”.
Kurz nach Rosenbergs Ausscheiden aus dem Amt im Mai 1969 ließ ihn Histradut-Generalsekretär Aharon Becker wissen, er sei fest entschlossen, Deutschland „als Gast des DGB” zu besuchen. In Rosenberg sah er „den Architekten der freundschaftlichen Beziehungen und Zusammenarbeit zwischen unseren Bewegungen”. Der DGB, jetzt unter Heinz Oskar Vetter, lud die israelische Delegation sogleich offiziell ein. Rosenberg nahm an den offiziellen Unterredungen ebenso teil wie an den Gesprächen mit Bundespräsident Gustav Heinemann, Bundeskanzler Willy Brandt, CDA-Hauptgeschäftsführer Norbert Blüm, Arbeitsminister Walter Arendt und BfG-Chef Walter Hesselbach. Zudem lud er die Delegation, Politiker, Gewerkschafter und Arbeitsdirektoren zu einem Abendessen mit anschließendem Beisammensein in seinem Privathaus ein.
Damit waren Rosenbergs intensive Bemühungen, die seine gesamte Amtszeit durchzogen haben, endlich an ihr Ziel gelangt. 1975 schlossen die Vorsitzenden von DGB und Histadrut, Heinz Oskar Vetter und Yeruicham Meshel, ein Partnerschaftsabkommen, das der inzwischen längst geübten Praxis der Zusammenarbeit formelle Bahnen gab.
Als Rosenberg 1977 starb, rief ihm Becker nach, er hatte „ein besonderes Empfinden für die jüdische Sache, obgleich er in einem bürgerlich-liberalen, assimilierten Haus“ aufgewachsen sei. Und er erinnerte daran, dass „Rosenberg, der Jude“, als er 1957 in Israel auf ihn und andere Funktionäre der Histadrut getroffen sei, seine „besondere Erregung“ nicht habe verbergen können und seither die Probleme Israels mitgelebt habe.
Gegenüber seinem Freund Jakob Moneta hatte Rosenberg angesichts palästinensischer Terrorakte in Israel 1970 bekannt: „Meine Anschauungen zum Zionismus kennst Du: Ich bin kein Zionist und habe das in Israel offen und deutlich so gesagt, daß es sogar dort in den Zeitungen stand. Aber ich bin froh, daß Juden, die als nationale Gruppe in einem eigenen Staat leben wollen, das nach zweitausend Jahren tun können. Für die anderen wie mir zum Beispiel ist es dann freie Entscheidung, daß sie die volle Assimilation mit allen Konsequenzen wählen können – das erste Mal wirklich aus eigener freier Entscheidung.“
Dr. Frank Ahland
Weiterführende Literatur:
- Frank Ahland: Bürger und Gewerkschafter. Ludwig Rosenberg 1903 bis 1977, Eine Biografie, Essen 2016.