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Die Externalisierungspolitik der EU kommt Schmugglern zugute, wirkt sich negativ auf die wirtschaftliche und soziale Entwicklung Afrikas aus und übersieht, dass 96 % der afrikanischen Flüchtlinge von afrikanischen Ländern aufgenommen werden, sagt Felicity Okoth, Koordinatorin des Forschungsnetzwerks International Migration and Ethnic Relations (IMER) an der Universität Bergen, Norwegen.
Routinemäßiger grenzüberschreitender Handel und transnationales Reisen kennzeichnen die Mobilitätsmuster in Afrika. Im Allgemeinen sind Arbeitsmigration, Zwangsmigration, saisonale Migration und Migration zu Bildungszwecken Teile der Migrationsdynamik in Afrika. Diese finden auf nationaler, regionaler und internationaler Ebene statt und können dokumentiert oder undokumentiert sein. Derzeit finden 85 % der afrikanischen Mobilität innerhalb des Kontinents statt. Konflikte und repressive Regierungen sind nach wie vor die Hauptursachen für Vertreibungen in afrikanischen Ländern. Derzeit gibt es schätzungsweise 40,4 Millionen gewaltsam vertriebene Afrikaner_innen (Binnenvertriebene, Flüchtlinge und Asylbewerber), von denen schätzungsweise 96 % von den jeweiligen Nachbarländern innerhalb des Kontinents aufgenommen werden.
Diese Zahlen stehen in krassem Gegensatz zu dem, was in dominierenden europäischen Diskursen als Migration innerhalb und aus Afrika dargestellt wird. Bilder von "illegalen" Migrant_innen, die Europa überfluten, stehen im Vordergrund der Externalisierungsvisionen der Europäischen Union (EU). Diese Etikettierung hat zu einer Externalisierungspolitik geführt, die afrikanische Migrant_innen als individuelle Akteure betrachtet, die eine Bedrohung für die EU und ihre Mitgliedstaaten darstellen. Folglich haben diese Akteure das Migrationsmanagement in Grenzländer außerhalb Europas ausgelagert, um zu verhindern, dass Migrant_innen die Binnengrenzen der EU erreichen. Unterstützt werden sie dabei von verschiedenen staatlichen und nichtstaatlichen Akteuren, vor allem in Grenzländern wie Libyen, Tunesien und Marokko.
In Libyen haben die Externalisierungsprojekte der EU zu einem Zustrom von Waffen und Geldern an staatliche und nichtstaatliche Akteure (private Sicherheitsfirmen) geführt, die bereit sind, die europäische Eindämmungsagenda umzusetzen. Die Gelder haben diesen Akteuren eine politische Legitimation verschafft, die dazu genutzt wurde, die Rechte von Migrant_innen zu untergraben (Abfangen auf See, gewaltsame Rückführung, Folter, unrechtmäßige Tötungen, sexuelle Gewalt und Zwangsarbeit). Die libysche Regierung und die Milizen haben den Zugang für humanitäre Akteure weiter eingeschränkt, und viele Organisationen hatten bereits Probleme, Visa zu erhalten (einschließlich der UN). In Tunesien sind afrikanische Migrant_innen aus Ländern südlich der Sahara derzeit mit Menschenrechtsverletzungen durch staatliche Behörden und durch Zivilist_innen konfrontiert. Aus diesem Grund haben die Elfenbeinküste und Tunesien Verfahren zur Wiedereinführung von Einreisevisa für Ivorer eingeleitet, nachdem diese aufgrund von Externalisierung und fremdenfeindlicher Rhetorik massenhaft aus Tunesien zurückgeführt wurden. Die Externalisierungsprojekte der EU haben sich auch auf afrikanische Migrant_innen weiter im Landesinneren negativ ausgewirkt.
So verabschiedete die nigrische Regierung 2015 unter erheblichem Druck der EU das Gesetz 2015-36. Das Gesetz, das seit 2016 Anwendung findet, kriminalisiert Migrationsbewegungen die nördlich von Agadez ihren Ursprung haben. Agadez ist eine Transitstadt und seit jeher eine Route für Migrant_innen aus Westafrika, die zu Handelszwecken oder für saisonale Jobs nach Nordafrika reisen. Die Strafverfolgungsbehörden haben sich die Strenge der Gesetze zunutze gemacht, um von den regulären Händler_innen und Migrant_innen, die die Hauptreiserouten benutzen, hohe Bestechungsgelder zu erpressen, was dazu führte, dass einige von ihnen mit Hilfe von Schmugglern verdeckte, nicht überwachte Wege bevorzugten. Es heißt, dass die Unzufriedenheit mit der von der EU geförderten Migrationskontrollpolitik teilweise zur Unbeliebtheit des nigrischen Präsidenten Mohamed Bazoum beigetragen hat, der im Juli 2023 durch einen Militärputsch gestürzt wurde. Im November 2023 hob die nigrische Junta das Gesetz mit der Begründung auf, sie wolle sich um die Länder kümmern, deren Wirtschaft seit langem vom freien Verkehr auf der Route abhängt.
Die zunehmende Absicherung und Militarisierung, insbesondere entlang der beliebten Migrationskorridore in Afrika, hat auch die Gesamtkosten der Migration erhöht. Die Migrant_innen müssen den Schmugglern mehr Geld zahlen, damit sie über neue geheime Routen einreisen.
Je mehr Beschränkungen Europa einführt, desto mehr Geld verdienen die Schmuggler - und desto gewalttätiger, organisierter und rücksichtsloser werden die kriminellen Gruppen, die von diesem Geschäft angezogen werden. Afrikanische Länder, die mit der EU Abkommen zur Migrationsmanagement in ihrem Hoheitsgebiet geschlossen haben, sind Hotspots für Schmuggler. Leider können diese Länder die Schleuser nicht strafrechtlich verfolgen, da sie nur über schwache Kapazitäten und schwache Rechtssysteme zur Durchsetzung solcher Gesetze verfügen. Anstatt sich mit der so genannten „Migrationskrise" zu befassen, hat die EU sie nach Afrika verlagert.
Die Externalisierungsagenda der EU hat zu restriktiveren Migrationsregelungen auf dem afrikanischen Kontinent geführt, wie im Fall von Niger und der Elfenbeinküste zu sehen ist. Solche Beschränkungen haben die irreguläre Migration innerhalb des Kontinents gefördert und stehen im Widerspruch zu Afrikas Migrations- und Entwicklungsagenda. Die Afrikanische Agenda 2063, das afrikanische kontinentale Freihandelsabkommen (AfCFTA) und das Freizügigkeitsprotokoll der Afrikanischen Union, das im Rahmen der Migrationspolitik für Afrika 2018-2030 verankert ist, setzen sich für eine freie und sichere Freizügigkeit als Schritt zur Verwirklichung des wirtschaftlichen und sozialen Wohlstands ein. Der freie Waren-, Dienstleistungs- und Personenverkehr war ein Eckpfeiler des sozioökonomischen Wachstums der EU und sollte sich auch auf dem afrikanischen Kontinent entfalten können.
Der Nutzen der regulären Migration, insbesondere im Hinblick auf Rücküberweisungen (Remittances), ist für die afrikanischen Länder eine Priorität und sollte nicht durch die wenig sachkundige Beschäftigung der EU mit der Verhinderung irregulärer Migration aus Afrika überschattet werden. Entgegen der landläufigen Meinung bleiben die meisten afrikanischen Migrant_innen auf dem afrikanischen Kontinent (85 %), und diejenigen, die den Kontinent verlassen, tun dies über legale Kanäle. Außerdem reisten im Jahr 2022 90 % der Migrant_innen regulär und nur 10 % irregulär nach Europa ein. Diese Zahlen verdeutlichen, dass auch ein Umdenken mit Blick auf die Kompetenzen afrikanischer Migrant_innen erforderlich ist. Die Anerkennung der Fähigkeiten afrikanischer Migrant_innen wird eine reguläre Migration erleichtern und der EU und der AU wirtschaftliche Vorteile bringen. Die EU muss ihren Ansatz für die Migrationszusammenarbeit mit afrikanischen Staaten ändern, um die Vorteile der Migration voll auszuschöpfen.
Felicity Okoth koordiniert das Forschungsnetzwerk International Migration and Ethnic Relations (IMER) an der Universität Bergen, Norwegen. Außerdem promoviert sie am Fachbereich für Sozialanthropologie der Universität von Bergen. Ihre Forschung befasst sich mit den situierten und translokalen Praktiken von afrikanischen Migranten aus Subsahara-Afrika in Nairobi und wie diese ihre Migrationsbestrebungen (Rückkehr oder Migration in Drittländer) beeinflussen.
Die im Artikel zum Ausdruck gebrachten Meinungen und Äußerungen der Gastautor_innen spiegeln nicht notwendigerweise die Haltung der Friedrich-Ebert-Stiftung wider.
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