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Vierte Veranstaltung in der Reihe „Zukunft der Arbeit in NRW – mit Erfahrungsstärke den Wandel der Arbeitswelt gestalten“
Die Arbeitswelt in NRW ist im Wandel. Durch Digitalisierung, Dekarbonisierung, Demographie und aktuelle globale Krisen verändern sich Geschäftsmodelle, Berufsbilder und Arbeitsplätze in vielen Branchen enorm. Diese Transformationsprozesse führen auf Beschäftigtenseite oft zu Verunsicherungen. Ob der Wandel der Arbeitswelt aber am Ende zum Schicksal oder zur Chance für Beschäftigte wird, hängt entscheidend davon ab, wie Gestaltungsspielräume genutzt werden.
In der vierten Veranstaltung unserer Reihe „Zukunft der Arbeit“ stand am 25.10. die Stahlindustrie im Mittelpunkt. Neben den Zechen hat sie das Gesicht des Ruhrgebiets in den letzten 100 Jahren so stark geprägt wie kaum ein anderer Wirtschaftszweig. Knapp 40 Prozent der gesamten Stahlproduktion in Deutschland findet in Nordrhein-Westfalen statt, über die Hälfte der gesamten Stahlbelegschaft ist hier angestellt. Die Stahlindustrie ist ein großer und wichtiger Bestandteil der Arbeitswelt in NRW und steht im Zuge der Dekarbonisierung mehr denn je als Symbol für den sozioökonomischen Wandel in der Region.
In Krefeld erörterten Vertreter_innen aus Wirtschaft, Politik und Arbeitnehmer_innen-Interessenvertretungen die Frage, wie ein Wandel in der Strahlindustrie den Beschäftigten zugutekommen und als Chance zur Stärkung der Region genutzt werden kann: Vor welchen kurzfristigen und langfristigen Herausforderungen stehen sowohl die Betriebe als auch die Politik? Und welche Instrumente und Handlungsempfehlungen gibt es, um die Gestaltungsmacht der Beschäftigten im Transformationsprozess zu stärken?
Wenn Beschäftigte und ihre Interessensvertreter_innen gemeinsam mit dem Management die Herausforderungen des Wandels und aktuelle Trends erkennen und die Transformation aktiv gestalten, kann dies zu sinnvolleren Prozessen, besseren Arbeitsbedingungen und höheren Löhnen in den sich wandelnden Beschäftigungsfeldern führen. Dafür braucht es Strategien für die Entwicklung und Implementierung von zukunftsorientierten Konzepten – welche das sein können, wurde auf der Podiumsdiskussion am Dienstagabend, moderiert von Alice Greschkow, Politikberaterin und Bloggerin, erörtert.
Bevor der Blick in die Zukunft gerichtet werden konnte, wandten sich die Podiumsdiskutant_innen jedoch zunächst dem Hier und Jetzt zu. Eine Bestandsaufnahme der aktuellen Stimmung offenbarte die drängendsten Probleme der Stahlindustrie: Konstantinos Pinidis, Betriebsratsvorsitzender der Deutschen Edelstahlwerke GmbH, lenkte den Fokus auf die Sicht der Beschäftigten. „Die Leute machen sich Sorgen um ihre Arbeitsplätze“, fasste Pinidis die Situation vor dem Hintergrund der aktuellen Energiekrise zusammen. Die gestiegenen Strom- und Gaspreise sowie die hohen Rohstoffkosten versetzten ihn in Alarmbereitschaft. Dabei bemängelte der Betriebsratsvorsitzende vor allem die aus seiner Sicht geringe Unterstützung aus der Politik – auf eine angemessene Reaktion angesichts der Krise warte man vergeblich, und die Wertschätzung und Anerkennung für die Arbeit der Beschäftigten fehle. Auch Henrik Lehnhardt, Arbeitsdirektor bei Outokumpu Nirosta, nannte die aktuelle Situation rund um den Ukraine-Krieg als große Herausforderung. Wie schon während der Covid 19-Pandemie offenbare sich die Komplexität der globalen Lieferketten und wechselseitigen Zusammenhänge. Oft fehle den Leuten für eine derart ungewöhnliche Situation jedoch das Verständnis, doch insgesamt sei die Krise auch als Chance zu begreifen, um die Transformation schneller voranzutreiben.
Ralf Claessen, Geschäftsführer der IG Metall Krefeld, lobte hingegen den aktuellen Dialog mit der Politik und nannte u.a. die IG Metall-Kampagne Ein Herz aus Stahl sowie das Handlungskonzept Stahl, welches die Bundesregierung 2020 auf den Weg gebracht hatte, als positive Beispiele. Auch Jan Dieren MdB und Mitglied im Ausschuss für Arbeit und Soziales im Deutschen Bundestag, betonte, dass die Zukunft des Stahls in den Debatten des Bundestages angekommen sei. Gerade die aktuellen Krisen verdeutlichten die Dringlichkeit einer strategischen und langfristigen Transformation. Doch der Bundestagsabgeordnete betonte auch, dass die Politik selbst nur Rahmenbedingungen vorgeben könne – die Ausführung selbst liege am Ende bei den Unternehmen.
Viel Praxiserfahrung rund um verschiedenste Transformationsprozesse brachte Peter Stoverink, Berater TBS NRW e.V., Regionalstelle Düsseldorf, mit in die Runde. Es sei wichtig, Transformationen positiv und gemeinsam anzugehen. „Die Leute brauchen Mut und man muss versuchen, alle mitzunehmen“, so Stoverink. Dies gestalte sich aufgrund fehlenden Engagements zum Teil jedoch schwierig, weshalb zunächst niedrigschwellige und schnelle Lösungen wichtig seien. Die konkreten Ergebnisse dieser „quick and dirty solutions“ würden direkt bei den Leuten ankommen.
Der erste Teil der Podiumsdiskussion offenbarte die vielen Baustellen in der mit Transformationsprozessen konfrontierten Stahlindustrie – zugleich ergaben sich aber auch potenzielle Lösungsansätze und wichtige Handlungsperspektiven. Ralf Claessen nannte drei Bereiche, die für die Zukunft wichtig seien: die Handelspolitik, die Infrastruktur und die Bildungs- und Forschungslandschaft. Es sei wichtig, europäisch zu denken, vergleichbare Bedingungen zu schaffen und globale Abhängigkeiten zu vermeiden. Auch Peter Stoverink plädierte für eine gesamteuropäische Zusammenarbeit. Aus Sicht Henrik Lehnhardts könne die deutsche Stahlindustrie nur mit Nachhaltigkeit überleben. Wenn grüner Stahl produziert werden soll, werde grüne Energie gebraucht. „Der Weg dorthin ist eine große Herausforderung, aber alternativlos“, so der Arbeitsdirektor. Konstantinos Pinidis stimmte dem größtenteils zu und betonte, dass die Produktion – sowohl von grüner Energie als auch von grünem Stahl – in Deutschland stattfinden müsse. Das Thema Nachhaltigkeit in der Stahlindustrie beschäftigt selbstverständlich auch die Politik: es sei besonders wichtig, eine gemeinsame Strategie zu haben und an einem Strang zu ziehen, unterstrich Jan Dieren. Der Fokus liege dabei auf sicheren Arbeitsplätzen und einer innerdeutschen Produktion. Diese gemeinsame Zusammenarbeit zwischen Arbeitgeber_innen, Beschäftigten, Sozialpartnern und Politik fehle aktuell jedoch noch, so das Fazit von Ralf Claessen. Er sei jedoch positiv gestimmt: „Wenn die Rahmenbedingungen stimmen und die handelnden Personen dazu bereit sind, müssen wir uns keine Sorgen machen.“
Wie die Veranstaltungsteilnehmer_innen die Transformationsprozesse wahrnehmen und ihnen entgegensehen, und welche Erfahrungen sie aus ihrer eigenen Arbeitswelt im Bereich der Stahlindustrie mitbringen, wurde anschließend in einer offenen Diskussionsrunde erörtert. Dabei wurden zwei Punkte besonders oft genannt: Zum einen fehle das Engagement, auch auf Seiten der Beschäftigten, zum anderen erwarte man sich von der Politik eine schnellere energie- und klimapolitische Förderung, die niedrigschwellig angesetzt ist. Es sei problematisch, dass das Verständnis für die industrielle Produktion in Gesellschaft gerade in den letzten 20 bis 30 Jahren verloren gegangen sei und auch die Stahlindustrie mit abnehmender Sichtbarkeit zu kämpfen habe, so die Teilnehmer_innen. Dem konnten Ralf Claessen und Jan Dieren nur zustimmen: beide sprachen sich für eine stärkere Beteiligung und Mitbestimmung der Beschäftigten sowie für mehr Dialogformate, vor allem über die Sozialen Medien, aus, um die Sichtbarkeit der Produktion und das Verständnis in der Gesellschaft zu erhöhen. Henrik Lehnhardt führte zudem zwei Begriffe an, welche die Ergebnisse der Podiumsdiskussion im Hinblick auf eine zukunftsorientierte Gestaltung der Transformation in der Stahlindustrie rückblickend gut zusammenfassen: Zum einen müsse der Werkstolz wieder gestärkt werden, was sich wiederum positiv auf eine konstruktive Zusammenarbeit aller Beteiligten auswirken würde. Zum anderen sei die Sinnhaftigkeit des eigenen Tuns gerade in der heutigen Zeit im Hinblick auf Digitalisierung & Co. unfassbar wichtig: Was ist meine konkrete Aufgabe und wo finde ich mich im Gesamtgebilde wieder? Wer leistet welche Beiträge in der Gesellschaft und wie hängt am Ende alles zusammen?
Der lebhafte Austausch zeigte, dass sich alle der aktuellen Herausforderungen in Anbetracht der Transformationsprozesse in der Stahlindustrie bewusst sind, und diese aktiv als Chance genutzt werden können – durch Rückbesinnen auf die eigene Leistung, eine konstruktive Zusammenarbeit aller involvierten Parteien und vor allem mithilfe einer offenen und niedrigschwelligen Kommunikation auf Augenhöhe, für die die Reihe „Zukunft der Arbeit“ den Raum bietet. Der Wunsch nach Dialog und Austausch besteht allemal.
Bericht: Karla Graner
Redaktion: Landesbüro NRW, Friedrich-Ebert-Stiftung
Bild: Zukunft der Arbeit von FES
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