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Brandt ist ein Meister der großen politischen Symbole: Bei der Kranzniederlegung vor dem Mahnmal des Ghetto-Aufstandes von 1943 fällt er plötzlich auf die Knie.
Ist das spontan? Ist es kalkuliert? - Egal! Es ist eine wunderschöne Geste, dass der wichtigste Repräsentant eines Landes, das es sich in der Vergangenheit mit der ganzen Welt verdorben hat, Demut zeigt.
Nicht unbedingt zuhause, aber sonst überall erwirbt sich Brandt damit große Sympathie. Und zugleich ist der Kniefall das Symbol für Brandts neue Außenpolitik. Die erfolgreich ist: Schon vor dem Warschau-Besuch wird der Moskauer Vertrag unterzeichnet, in dem sich die Bundesrepublik und UdSSR verpflichten, den internationalen Frieden aufrecht zu erhalten; in Warschau dann folgt die Anerkennung der Oder-Neiße-Linie als polnischer Westgrenze; 1971 besiegeln das Vier-Mächte-Abkommen und das Transitabkommen den ungehinderten Verkehr von West nach Ost; 1972 erkennen sich beide deutsche Staaten im Grundlagenvertrag gegenseitig an; 1973 werden beide in die Vereinten Nationen (UN) aufgenommen.
Toll! Nach 1936 endlich wieder Olympische Spiele in Deutschland, diesmal nicht in Leni-Riefenstahl-Ästhetik, sondern bunt und lustig (seit 1967 gibt’s Farbfernsehen).
„Heitere Spiele“ sollen's werden, die Polizisten, die zum Schutz des Olympischen Dorfs abgestellt sind, tragen Zivilklamotten und sind unbewaffnet. Das machen sich acht Palästinenser zu Nutze, brechen ins Lager der israelischen Olympiamannschaft ein – Mord und Totschlag und Geiselnahme! Ihre Forderung: Freilassung von 232 in Israel gefangenen Palästinensern.
Zum Schein gewährt man ihnen freies Geleit, die neun übriggebliebenen Geiseln sollen erst auf dem Flughafen befreit werden, aber die Befreiungsaktion scheitert spektakulär – u.a. daran, dass die „Scharfschützen“ der Polizei weder Scharfschützengewehre haben noch Funkkontakt. In einer wilden Schießerei sterben alle Geiseln.
Drei Konsequenzen des Münchner Attentats:
Brandts Ostpolitik polarisiert, sodass einige Abgeordnete der sozialliberalen Koalition ins andere Lager wechseln. Anfang '72 droht die Regierungsmehrheit zu kippen; CDU-Fraktionsführer Barzel nutzt seine Chance und beantragt ein „konstruktives Misstrauensvotum“, d.h. er will Brandt vom Parlament abwählen und sich selbst zum Regierungschef wählen lassen. Überraschenderweise gibt es ein Patt.
Brandt stellt im September die „Vertrauensfrage“ mit dem (erwarteten) Ergebnis, dass der Bundestag ihm das Vertrauen mehrheitlich nicht ausspricht. Also: vorgezogene Neuwahlen.
Eine beispiellose Aktivierung der Öffentlichkeit führt zu einer nie wieder erreichten Wahlbeteiligung von 91,1%. Die SPD bekommt ihr (ebenfalls nie wieder erreichtes) Bestergebnis von 45,8 %.
Die „Willy wählen“-Buttons haben gewirkt.
Video: AdsD/FES
...alle Räder stehen still, wenn die OPEC es so will. Anlässlich des Jom-Kippur-Krieges zwischen Ägypten/Syrien und Israel drosseln die arabischen Erdölexporteure die Fördermengen.
Am 17. Oktober steigt der Ölpreis um 70%. Die Bundesrepublik reagiert schnell auf diese Krise: Ende '73 folgen vier Sonntagsfahrverbote für die Autobahn aufeinander, und für ein halbes Jahr darf nur 100 km/h gefahren werden.
Bringt alles nichts: Aus der ersten Ölkrise resultieren Rezession, Arbeitslosigkeit und „Stagflation“ (der Finanzpolitik gelingt es weder, die Produktivität zu steigern, noch die Geldentwertung zu stoppen)...
Immerhin bringt dann die Band „Kraftwerk“ ihr erstes rein elektronisches Album „Autobahn“ auf den Markt, als man auf den Autobahnen wieder Gas geben darf, und führt damit den in Deutschland gespielten „Krautrock“ ebenfalls in eine Phase der Stagflation... Danke, Ölprinzen, danke, „Kraftwerk“!
Auch 'ne Folge der Ölkrise: Wenn die Zahl der Arbeitslosen steigt, sollen keine neuen „Gastarbeiter“ mehr ins Land geholt werden!
Dabei war knapp zehn Jahre vorher der einmillionste Arbeitsmigrant, Armando Rodrigues de Sá aus Portugal, noch mit großem Brimborium am Bahnhof Köln-Deutz gefeiert worden, inklusive Überreichung eines Kleinkraftrades der Marke Zündapp, Typ „Sport Combinette“.
Und es war geflissentlich übersehen worden, dass einige der „Gastarbeiter“ durchaus die Absicht hegten, dauerhaft in Deutschland zu leben.
Inzwischen ist Deutschland nach den USA das am zweithäufigsten gewählte Einwanderungsland.
Emmi, eine über sechzigjährige Münchnerin (Brigitte Mira), heiratet Ali, einen zwanzig Jahre jüngeren Marokkaner (El Hedi ben Salem), und wird dadurch zum Hassobjekt für ihre kleinbürgerliche Umgebung: Als Frau, als ältere Frau, als deutsche Frau, die einen viel jüngeren Ausländer liebt.
Fassbinder, neben Werner Herzog, Wim Wenders u.a. einer der produktivsten Regisseure des „Neuen Deutschen Films“, bringt damit auf den Punkt, was noch in den 70er-Jahren an Ressentiments, Xenophobie, Sexismus und grausamer Spießigkeit im bundesrepublikanischen Durchschnittskopf umherflunscht.
Die Wirkung auf die Opfer, in den Worten des nur gebrochen Deutsch sprechenden Ali: „Angst essen Seele auf!“
Willy Brandt schwächelt.
Die politischen Krisen (siehe links) gehen Hand in Hand mit persönlichen Problemen (Krankheiten, Alkohol, Frauen). Herbert Wehner, Großrhetoriker und „Zuchtmeister“ der SPD-Fraktion, lästert bei einem Moskaubesuch: „Der Kanzler badet gerne lau“.
Hinzu kommt, dass Brandts persönlicher Referent, Günter Guillaume, seit Ende Mai 1973 unter dem Verdacht steht, ein Spion des Staatssicherheitsministeriums (Stasi) der DDR zu sein.
Anstatt ihn sofort zu entlassen, folgt Brandt dem Rat des Verfassungsschutzpräsidenten (Günther Nollau) und des Innenministers (Hans-Dietrich Genscher, FDP), stillzuhalten, um die weiteren Ermittlungen nicht zu behindern. Damit läßt sich der Bock zum Gärtner machen – das sieht Brandt wenig später ein, weshalb er nach der Verhaftung Guillaumes und unter gutem Zureden Wehners am 7. Mai zurücktritt.
Helmut Schmidt, SPD, bisher Finanzminister, wird am 16. Mai 1974 mit 267 Ja-Stimmen von den Bundestagsabgeordneten zum Kanzler gewählt.
Foto (v.l.n.r.: Brandt, Wehner, Schmidt; Aufnahme von 1977); J.H.Darchinger / FES
Fußballweltmeisterschaft 1974 in Deutschland: Im Vorrundenspiel der Gruppe I besiegt der krasse Außenseiter DDR die als WM-Favoriten gehandelte DFB-Auswahl durch ein Tor von Jürgen Sparwasser – und wird damit vor der bundesdeutschen Nationalmannschaft Gruppenerster!
Verdiente Staatssicherheits-Mitarbeiter (normale DDR-Bürger dürfen natürlich nicht zur WM in den Westen reisen) jubeln dezent klassenkämpferisch.
Nützt aber nix: Danach trifft die DDR-Elf in einer zweiten Gruppenphase auf die Niederlande, Brasilien und Argentinien und scheidet aus, während es sich die bundesdeutsche Mannschaft mit Polen, Schweden und Jugoslawien gemütlich macht und im Endspiel (gegen die Niederlande) auch noch Weltmeister wird!
Der in Hamburg geborene Liedermacher Wolf Biermann, der 1953 in die DDR übersiedelte und seit Mitte der 1960er einem Auftrittsverbot im SED-Staat unterlag, gibt auf Einladung der IG Metall ein Konzert in Köln (13.11.), in dessen Kontext er auch DDR-kritische Töne anschlägt. Das nimmt Ost-Berlin zum Anlass, den Barden auszubürgern und dies am 16.11. öffentlich zu verbreiten.
Die Folgen:
Biermann kehrt zurück in die Bundesrepublik.
...was eine Kettenreaktion auslöst: Im Hochsicherheits-Gefängnis Stuttgart-Stammheim bringen sich Andreas Baader, Gudrun Ensslin und Jan-Carl Raspe um, andere Mitglieder der Rote-Armee-Fraktion (RAF) bringen den von ihnen entführten Arbeitgeberpräsidenten Hanns Martin Schleyer um. Alles an einem Tag...
Und warum? – Nun, sehr vereinfachend könnte man sagen: Zwei äußerst verhärtete, gesprächsunfähige und kompromisslose Gegner – die „Rote Armee Fraktion“ (Terroristen) auf der einen Seite und die Bundesregierung (der Staat) auf der anderen – wollen beide dasselbe: Nicht nachgeben!
Doch der Reihe nach... zurück ins Jahr '68:
Teile der Neuen Linken sind radikaler als andere: Sie setzten die theoretische Position „Gewalt gegen Sachen“ als Form des Protests gegen den Kapitalismus in die Tat um. So kommt es 1968 zu den Kaufhausbränden in Frankfurt. Baader, Ensslin u.a. werden festgenommen, 1970 von Ulrike Meinhof u.a. mit Waffengewalt befreit – das ist der Gründungsakt der RAF, die daraufhin nach Jordanien geht und sich militärisch schulen lässt.
Es folgen Banküberfälle und Bombenanschläge, die Gewalt gegen Sachen ist im Handumdrehen eine gegen Menschen geworden. 1972 dann die Verhaftung Baaders, Meinhofs u.a. Sie werden wegen mehrfachen Mordes und zigfachen Mordversuchs zu lebenslanger Haft verurteilt, ihre Anhänger draußen, nach denen wie verrückt gefahndet wird, versuchen sie freizupressen, es werden weitere Attentate verübt und Geiseln genommen.
1977 (Meinhof hat sich zu diesem Zeitpunkt bereits umgebracht) kulminiert die Situation: Eine mit der RAF in Kontakt stehende palästinensische Terrorgruppe entführt das Lufthansa-Flugzeug, eine Gruppe der RAF entführt Schleyer. Bundeskanzler Helmut Schmidt beharrt auf seiner Position, dass der Rechtsstaat nicht mit Terroristen verhandeln dürfe, die Terroristen beharren auf ihrer Position, die Lufthansa-Geiseln und Schleyer zu töten, falls Baader und die anderen nicht freikommen.
So wird die nach dem München-Desaster (Olymp. Spiele 1972) gegründete Spezialeinheit „GSG 9“ nach Mogadischu geschickt. Der Einsatz glückt, alle Geiseln überleben – bis auf den Piloten, den die Terroristen bereits am Tag zuvor erschossen haben.
In den '70er Jahren differenziert sich der politische Protest der vorwiegend jüngeren Leute aus dem Mittelstands-Milieu in viele Richtungen, die sich nicht mehr wie zu APO- und SDS-Zeiten unter dem Stichwort des Antiimperialismus auf einen Nenner bringen lassen.
Die einzelnen Gruppeninteressen werden konkreter und teilweise auch widerstreitend. So bilden sich allmählich verschiedene (Bürger-) Bewegungen heraus, wie die Frauenbewegung, die feministische Themen (u.a. durch die seit 1977 erscheinende Zeitschrift „Emma“) in der Gesellschaft zur Sprache bringt, oder wie die Umweltbewegung, die spätestens seit der Veröffentlichung des „Clubs of Rome“ von den „Grenzen des Wachstums“ für einen schonenden Umgang mit den ökologischen Ressourcen eintritt, oder mit der Friedensbewegung oder der Anti-Atomkraft-Bewegung.
Diesen Bürgerinitiativen gesellt sich auf der Seite der politischen Parteien etwas Neues hinzu: Am 12./13. Januar 1980 gründen sich in Karlsruhe Die Grünen.