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Deutschland auf Wiedervereinigungskurs. Außenpolitisch ist natürlich die Zustimmung der vier Siegermächte des Zweiten Weltkriegs - Frankreich, Großbritannien, Sowjetunion, USA - notwendig, die nach wie vor Hoheitsrechte in Deutschland haben.
Die geben sie nach vier Verhandlungsrunden und vielen Telefonaten mit der Unterzeichnung des „Zwei-plus-Vier“-Vertrages endgültig ab.
Das bereits seit dem 3. Oktober 1990 vereinigte Deutschland ist ab dem 15. März 1991 ein souveräner Staat. Die sogenannte „Nachkriegszeit“ ist vorbei.
Auch das noch: Mitten im Vereinigungsprozess gewinnt die Bundesrepublik die Weltmeisterschaft in Italien! Autokorso gibt’s aber noch nicht, das kommt erst mit der WM 2006, obwohl's da umgekehrt ist: Italien wird Weltmeister in Deutschland.
Am 28. November 1989 trägt Bundeskanzler Helmut Kohl ein „Zehn-Punkte-Programm“ vor, in welchem u.a. eine mögliche Konförderation beider deutscher Staaten in Aussicht gestellt wird. Selbst das ist den DDR-Bürger_innen, die seit Monaten gegen das sich immer deutlicher als handlungsunfähig erweisende SED-Regime demonstrieren, zu wenig: Sie wollen keine Reform der DDR mehr, sie wollen zur Bundesrepublik gehören, nach dem Mauerfall erst recht.
Es geht los mit der ersten freien demokratischen Wahl zur DDR-Volkskammer (18.03.1990), bei der die konservative „Allianz für Deutschland“, die sich am deutlichsten für eine schnelle „Wiedervereinigung“ ausgesprochen hat, die meisten Stimmen einfährt, während die Bürgerbewegungen und auch die Ost-SPD, die zögerlicher waren, abgestraft werden. Und es geht zügig weiter mit der Wirtschafts- und Währungsunion (01.07.1990).
Da auch außenpolitisch alles abgesegnet wird (siehe „Zwei-Plus-Vier“-Verhandlungen), bleibt eigentlich nur noch die Frage nach den verfassungsrechtlichen Möglichkeiten der Vereinigung. Da sich im Kabinett von Lothar de Maizière (Ost-CDU), dem letzten Regierungschef der DDR, keine Mehrheit dafür findet, eine neue gesamtdeutsche Verfassung zu erarbeiten, bleibt nach dem Grundgesetz der Bundesrepublik nur die Option eines „Beitritts“.
Am 20. September stimmt die Volkskammer ihrer Auflösung zu und erklärt den „Beitritt der DDR zum Geltungsbereich des Grundgesetzes der Bundesrepublik Deutschland“ mit Wirkung zum 03. Oktober.
In einem gesamtdeutschen Staat muss es auch gesamtdeutsche Wahlen geben. Bundeskanzler Helmut Kohl profitiert von der nationalen Euphorie und von seinem Versprechen, die neuen Bundesländer werden sich in „blühende Landschaften“ verwandeln (wohlweislich sagt er nicht, wann das sein wird und wie das gehen soll).
Sein sozialdemokratischer Gegenkandidat Oskar Lafontaine profitiert nicht von seiner kritischen Linie gegenüber der Geschwindigkeit des Einigungsprozesses und den drohenden sozialen Verwerfungen. Er hält Steuererhöhungen für notwendig, das hört der Wähler nicht gern.
Am Ende finden sich fünf Parteien im ersten gesamtdeutschen Parlament (und das wird bis 2013 so bleiben): CDU/CSU, SPD, PDS (SED-Nachfolgepartei) / später die Linke, FDP und Bündnis90/Die Grünen.
Die schwarz-gelbe Koalition behält die Mehrheit und beschließt drei Wochen nach Regierungsantritt - ja, was wohl? - Steuererhöhungen.
Die industrielle Produktion in der ehemaligen DDR geht bis Anfang 1991 um 70% zurück. Die Leute wandern immer noch in den Westen ab, alles ist marode. Ganze Industriezweige brechen weg, die Arbeitslosigkeit grassiert.
Kommunen, Wirtschaft und Infrastruktur der „Neuen Länder“ sollen durch den Fonds „Deutsche Einheit“, die Einnahmen aus dem neuen Solidaritätszuschlag und die Erhöhung der Mineralölsteuer belebt und saniert werden. Dies Transferleistungsprogramm heißt „Aufschwung Ost“.
Mit der allmählichen Realisierung der Kosten der Vereinigung breitet sich Ernüchterung bei den Deutschen aus; es bilden sich Klischees wie „Jammerossis“ und „Besserwessis“.
Bild: dpa
Berlin wird schon im Einigungsvertrag von 1990 zur neuen Hauptstadt erklärt, die Frage nach einem Umzug des Parlaments- und Regierungssitzes von Bonn nach Berlin zunächst vertagt, dann aber eilig nachgeholt.
Eine knappe Mehrheit der Bundestagsabgeordneten entscheidet sich für Berlin – überraschenderweise, denn im Vorfeld der Debatten schienen sich ökonomische Erwägungen pro Bonn durchzusetzen. 1999 findet dann der Umzug in das Reichstagsgebäude statt.
Deutschland wird „nördlicher, preußischer und protestantischer.“ Aber opjepaaßt: Sechs Ministerien haben ihren Hauptsitz immer noch in Bonn.
...oder genauer: der „Behörde des Bundesbeauftragten für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik (BstU)“, welche die Stasi-Dokumente beaufsichtigt und interessierten Bürger_innen auf Antrag zu lesen gibt.
Eine wichtige archivarische Aufgabe, die aber zwangsläufig auch dazu führt, dass viele Leute, die in der DDR von „Inoffiziellen Mitarbeitern“ (IM) des Ministeriums für Staatssicherheit (kurz: Stasi), an ihren ehemaligen Kollegen, Nachbarn und sogar Familienmitgliedern verzweifeln. Der beste Freund ein Stasi-Spitzel? Das kam leider vor, wie sich jetzt herausstellt...
Seit 2000 heißt die Gauck-Behörde übrigens Birthler-Behörde, seit 2011 Jahn-Behörde, was aber kaum jemand sagt, denn Roland Jahn ist weitgehend unbekannt und das Thema auch nicht mehr so auf den Nägeln brennend wie kurz nach der Wende.
Die „Europäische Gemeinschaft“ (EG) bekommt mit der „Europäischen Union“ (EU) einen neuen Überbau.
Wichtige Regelungen des Maastricht-Vertrags:
Für die Bundesrepublik unterzeichnen Außenminister Hans-Dietrich Genscher (FDP) und Finanzminister Theo Waigel (CSU).
Der grässliche Höhepunkt einer Kette rassistisch motivierter Gewalttaten der Jahre 1991/92: Die Aufnahmestelle für Asylbewerber und ein Wohnheim für vietnamesische DDR-Vertragsarbeiter wird von rechtsradikalen Jugendlichen belagert, Scheiben werden eingeworfen, Molotowcocktails fliegen. Tagelang. Drum herum stehen „ganz normale Bürger“ und finden's gut.
Die Polizei in Rostock ist überfordert, aus Hamburg, aus Schwerin, vom Bundesgrenzschutz kommen zusätzliche Einheiten, aber sie werden von den Neo-Nazis immer wieder zum Rückzug gezwungen.
Als das Wohnheim der Vietnamesen schließlich brennt, ist die Polizei erst mal weg: Selbstschutz! Dann kommt sie wieder, weil sie der Feuerwehr einen Weg durch die johlende Menge bahnen muss. Wie durch ein Wunder kommt niemand von den Angegriffenen ums Leben.
Innenminister Rudolf Seiters (CDU) macht auf einer anschließenden Pressekonferenz den „Missbrauch des Asylrechts“ für die Ausschreitungen verantwortlich.
Man weiß nicht, für wen man sich mehr schämen muss: Für die stumpfsinnigen Nazi-Randalierer, die johlenden Umstehenden, die überforderte Polizei oder den Innenminister?
Seit den frühen 1970er Jahren versucht das Künstlerpaar immer wieder, die Zustimmung des jeweils amtierenden Bundestagspräsidenten für ein Kunstprojekt zu bekommen, das darin bestehen soll, das Reichstagsgebäude in Berlin in ein aluminiumbedampftes Polypropylentuch einzuwickeln.
Karl Carstens lehnt ab. Richard Stücklen lehnt ab. Philipp Jenninger lehnt ab. Rita Süssmuth sagt zu.
Aber es müssen noch alle Bundestagsabgeordneten einzeln um Unterstützung ersucht werden. Im Februar 1994 debattiert der Bundestag darüber. Reichstagsverhüllungsgegner wie Wolfgang Schäuble glauben, die Deutschen würden ein solches Projekt „nicht verstehen“. Eine knappe Mehrheit der Bundestagsabgeordneten ist anderer Meinung. Das Projekt „Wrapped Reichstag“ kann starten.
Hinterher finden's dann alle toll, und Christo kriegt das Bundesverdienstkreuz.
…räumt mit der weit verbreiteten Ansicht auf, „der deutsche Soldat“ habe sich im großen und ganzen „anständig“ verhalten, sei „nie Antisemit“ gewesen und habe „vom Holocaust nichts gewußt“.
Die Ausstellung wird natürlich von Gegnern aller Art angefeindet. Das reicht von Bombendrohungen bis zur Bildkritik. (Historiker kritisieren falsche Bildunterschriften, eine Kommission stellt später fest, dass tatsächlich 20 von 1433 Fotos falsch sind.)
Zur selben Zeit provoziert ein junger amerikanischer Historiker namens Daniel Goldhagen mit seiner Kollektivschuld-These die deutsche Historiker- und Feuilletonistenzunft. Die Judenmörder seien „ganz normale Deutsche“ gewesen, keine speziell in SS-Ordensburgen in vitro gezeugten Killermonster.
Dabei hätte man spätestens seit Klaus Theweleits Buch „Männerphantasien“ von 1979 ahnen können, dass potenziell jeder, der in einer Gesellschaft aufwächst, die den preußischen Kasernenhofdrill phylogenetisch intus hat, zu einer metzelnden Bestie mutieren kann.
Was 1989 als angemeldete Demonstration mit dem politischen Statement „Friede Freude Eierkuchen“ beginnt, entwickelt sich bis Mitte der 1990er zu einem durchkommerzialisierten Massenevent mit ganz vielen Spaßfaktoren: Techno wird Mainstream, Ecstasy wird Verkaufsschlager, viel nackte Haut wird ausgepackt...
Erst 2001 kommt der Berliner Senat auf den Gedanken, dass es sich bei diesem Gute-Laune-Corso mit 1,5 Millionen Teilnehmer_innen vielleicht gar nicht um eine politische Demonstration handelt – und bürdet fortan den Veranstaltern die Kosten für Polizei, Feuerwehr, Sanis, Stadtreinigung usw. auf.
Mit der Privatisierung der Loveparade beginnt dann auch ihr Niedergang. Die letzte findet (nach Jahren der Pause) 2010 in Duisburg statt, wo eine Massenpanik ausbricht, in der 21 Menschen sterben.
Es ist an der Zeit, die „neuen Länder“ haben sich nur punktuell in „blühende Landschaften“ verwandelt, „Birne“ (wie Kanzler Kohl seiner Kopfform wegen schon seit langem genannt wird) ist überreif: Die SPD wird (erstmals seit 1972) stärkste Bundestagsfraktion (40,9%), Gerhard „Gerd“ Schröder wird Bundeskanzler und kommt dahin, wo er immer schon reinwollte – ins Kanzleramt – und Joschka Fischer, inzwischen ohne Turnschuhe und drahtig, wird Vize-Kanzler und Außenminister.
Beide verstehen sich. Sie schmieden die erste rot-grüne Regierungskoalition auf Bundesebene. Und setzen einschneidende Reformen durch. Die Reform des Staatsbürgerschaftsrechts ist Ausdruck der Anerkennung, dass die Bundesrepublik ein Einwanderungsland geworden ist. Es wird ein gesetzlicher Rahmen für gleichgeschlechtliche Partnerschaften geschaffen. Auch der Atomausstieg, die Förderung der erneuerbaren Energien und die Einführung der Ökosteuer sowie umfangreiche Steuersenkungen, die heute teilweise umstritten sind, werden in der ersten Legislatur umgesetzt.
Wahlkampfvideo der SPD (1998): AdsD / FES
Das Verhältnis zwischen Kanzler Schröder und seinem Finanzminister Lafontaine, der zugleich Parteichef der SPD ist, ist angespannt. Schröder will die SPD nach dem Vorbild von Tony Blairs „New Labour“ in Großbritannien wirtschaftsfreundlicher machen (was ihm mit der „Agenda Zwanzichzehn“ auch gelingen wird).
Lafontaine, der 1990 die Finanzierungsstrategie der Bundesregierung für die Wiedervereinigung als zurecht unrealistisch bewertet hatte, hält es eher mit dem französischen Finanzminister Strauss-Kahn und plant einen Feldzug gegen den globalen Kasinokapitalismus. Beides zugleich geht natürlich nicht.
Schröder setzt sich durch, Lafontaine zieht sich ins Private zurück, schließt sich aber sechs Jahre später der Linkspartei an.
Seit Anfang der 1990er bekriegen sich die verschiedenen Ethnien in Jugoslawien, welches dadurch auseinanderfällt, und zwar in die Staaten Slowenien, Kroatien, Mazedonien, Bosnien-Herzegowina, Serbien und Montenegro.
Und dann gibt es noch das Kosovo am südwestlichen Zipfel Serbiens, an der Grenze zu Albanien. In dieser Gegend leben viele Albaner, die sich von Serbien unabhängig machen wollen. Die Serben wollen das nicht. Es kommt, was kommen muss: Nach dem Slowenienkrieg, dem Kroatienkrieg und dem Bosnienkrieg bricht nun der Kosovokrieg aus.
Aus den vorangegangenen Balkankriegen sind noch sehr gut die begangenen Menschenrechtsverletzungen in Erinnerung: Pogrome, Massenvergewaltigungen, Massenerschießungen, Vertreibung – kurz: Völkermord. Das soll im Kosovo nicht so weitergehen.
Nach dem Scheitern diplomatischer Versuche, den offiziell „Konflikt“ genannten Krieg zu beenden, fliegt die NATO Angriffe auf serbische Militäranlagen, Industrie und Infrastruktur.
Erstmals seit ihrer Gründung 1955 ist die Bundeswehr an Kampfeinsätzen beteiligt.
Totale Sonnenfinsternis in Deutschland. Viele sind aus dem Häuschen, das seltene Naturschauspiel in der Mittagszeit zu verfolgen. Es ist auch ein Medienhype. Umsatz und Verbreitung spezieller Sonnenschutzbrillen schießen in die Höhe. Wetterbedingt ist die Sicht nur in Süddeutschland ein Vergnügen.
Im November wird der CDU-Schatzmeister wegen privat eingesackter und nicht versteuerter Millionenbeträge aus den Händen zwielichtiger Waffenhändler und -Hersteller festgenommen. Es wird ruchbar, dass die CDU seit langem mit „schwarzen Konten“ operiert, um am Fiskus vorbei z.B. spezielle Wahlkampfkosten zu decken.
CDU-Ehrenvorsitzender und Ex-Bundeskanzler (1982-98) Kohl streitet das zunächst ab, gibt es dann aber am 16. Dezember zu. (1. Fehler). Aufgefordert, die Namen der Spender zu nennen, weigert er sich, er habe ihnen sein „Ehrenwort“ gegeben, sie nicht zu verraten. (2. Fehler). Seitdem lebt er in Schimpf und Schande und ist auch gar nicht mehr Ehrenvorsitzender der CDU.
2015 wird sein ehemaliger Parteifreund Wolfgang Schäuble irritierenderweise behaupten, es gebe gar keine Parteispender, die Gelder seien aus den schwarzen Kassen selbst geflossen. Da stellen sich doch zwei Fragen: Wie sind die Gelder denn vorher da hineingekommen? Und warum riskierte Kohl seine Reputation, wenn es doch gar keine Spender gab?