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Was haben Steuern mit Feminismus zu tun? Magdalena Sepúlveda erklärt warum Steuergerechtigkeit auch Geschlechtergerechtigkeit heißt.
Bild: Sexism is a social disease von Jürgen Telkmann lizenziert unter CC BY-NC 2.0
Bild: Magdalena Sepúlveda Carmona von Private
Keine einzige Frau in den Büros, Universitäten oder Schulen. Keine auf der Straße oder in den öffentlichen Verkehrsmitteln. Auch nicht in Läden, Restaurants oder Freizeiteinrichtungen. Am 9. März 2020 streikten Mexikos Frauen gegen genderbasierte Gewalt, Ungleichheit und die Kultur des Machismos. Die Unterstützung für den Streik überwand Klassengegensätze und politische Identitäten und die Bewegung ging weit über Mexiko hinaus: Von Island und Polen über die Schweiz und die USA bis nach Argentinien. Organisationen auf der ganzen Welt riefen 2020 zu einem Frauenstreik globaler Dimension auf.
Andauernd und überall auf der Welt werden Frauenrechte missachtet. Gewalt bleibt eines der größten Probleme. Damit einhergehen die Ungerechtigkeiten an der ökonomischen Front. Männer besitzen 50% mehr vom globalen Vermögen als Frauen. Im Durchschnitt erhalten Frauen 77% dessen, was Männer für die gleiche Arbeit mit gleicher Ausbildung und Verantwortung bekommen. Das Weltwirtschaftsforum schätzt, dass es 202 Jahre dauern wird, die Gender-Einkommenslücke zu schließen.
Im Zentrum der Geschlechterungleichheit steht die ungleiche Verteilung von Haushalts- und Pflegearbeit. Es sind Frauen, die die größte Last in der Kindererziehung und in der Pflege von alten und kranken Menschen tragen. Es ist enorm, wie unsichtbar der Beitrag von Frauen in diesen Bereichen bleibt. Frauen und Mädchen verbringen 12,5 Milliarden Stunden am Tag damit, sich um andere zu kümmern – unbezahlt! Diese Arbeit trägt laut Oxfam mindestens 10.8 Billionen US $ jährlich zur Wirtschaft bei, das heißt drei Mal mehr als die Technologieindustrie. Weltweit gibt es etwa 606 Millionen Frauen, die wegen ihrer unbezahlten familiären Verpflichtungen vom Arbeitsmarkt ausgeschlossen bleiben. Frauen die es schaffen zu arbeiten, sind oft gefangen in informellen und schlecht bezahlten Jobs. Globale Bedrohungen wie der Klimawandel oder Epidemien treffen Frauen und ihren Verantwortungsbereich oft besonders hart.
Geschlechtergerechtigkeit kann nur voran gebracht werden, wenn häusliche Pflegearbeit anerkannt, reduziert, und umverteilt wird. Dafür sind gute öffentliche Dienstleistungen wie Kinderbetreuung, Gesundheitszentren und Senior_inneneinrichtungen notwendig. Es muss auch in Infrastruktur wie Trinkwasser, Abwasseranlagen und Elektrizität investiert werden. Solche Maßnahmen würden Frauen den Einstieg in den Arbeitsmarkt erleichtern.
Wie kann dieses Vorhaben in Zeiten von Austeritätspolitik finanziert werden? Um Geschlechtergerechtigkeit voranzubringen, braucht es einen neuen Fiskalpakt. Zum einen müssen progressive Steuersysteme so gestaltet werden, dass Frauen keine unverhältnismäßige Last tragen. Zum anderen müssen die öffentlichen Finanzen gestärkt werden. Dies kann beispielsweise durch die effizientere Bekämpfung von Steuervermeidung und –betrug erreicht werden.
Im Hinblick darauf bedarf es eines Wandels im internationalen Steuersystem. Multinationale Konzerne (MNCs) und ihre superreichen Shareholder müssen ihren gerechten Beitrag zum Steueraufkommen leisten. Während viele MNCs jede Chance nutzen, um sich als Befürworter feministischer Anliegen darzustellen, haben sie auf der anderen Seite eine Armee von Rechtsanwält_innen und Buchhalter_innen, die das internationale Steuersystem manipulieren, um möglichst wenig zu zahlen. So schaffen sie es oft völlig legal ihre Profite in Steueroasen zu verstecken. Für Entwicklungsländer bedeutet dies jährlich 200 Milliarden US $ an Verlusten.
Die Besteuerung von Multinationalen Konzernen sicherzustellen hätte also einen enorm positiven Effekt auf die öffentlichen Finanzen. Das ist der Grund, aus dem wir, von der Unabhängigen Kommission für die Reform der internationalen Unternehmensbesteuerung (ICRICT), überzeugt davon sind, dass die Überwindung der Ungleichheitskrise eine erhebliche Reform der internationalen Besteuerung von großen Unternehmen braucht. Und heute bietet sich eine historische Chance zu handeln.
In den letzten Jahren hat die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) als Club der reichen Staaten Vorschläge für die Reform des globalen Steuersystems gemacht. Wie ICRICT in einem aktuellen Bericht erklärt, sind diese Vorschläge jedoch weder besonders ehrgeizig noch fair. Solange der Wille der Multis und der Eliten triumphiert, wird jede Reform ökonomische und soziale Ungleichheiten sowie die Kultur des Patriarchats nur verstetigen.
Sich selbst als Feminist_in zu bezeichnen heißt auch diejenigen ökonomischen und sozialen Strukturen zu überdenken, die Geschlechtergerechtigkeit verhindern. Es reicht nicht, die Frauen zu unterstützen, die in Mexiko und andernorts an Frauenstreiks teilnehmen. Wir müssen dafür Sorge tragen, dass große Unternehmen und superreiche Privatpersonen das zahlen, was sie der Gesellschaft schulden.
Magdalena Sepúlveda ist Geschäftsführerin der Global Initiative for Economic, Social and Cultural Rights und ein Mitglied der Unabhängigen Kommission für die Reform der internationalen Unternehmensbesteuerung (ICRICT). Von 2008 bis 2014 war sie die UN-Berichterstatterin für extreme Armut und Menschenrechte. Twitter: @Magda_Sepul
Der Artikel ist in Italienisch zuerst erschienen unter: www.icrict.com
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