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Die Briten verlassen die EU. In den europäischen Partnerländern, die in Zukunft einer weniger sein werden, löst das keine Begeisterung aus. Doch sie gehen mit der Entscheidung britischer um als die Briten selbst.
Bild: Union flag and other von grassrootsgroundswell lizenziert unter CC BY 2.0
Bild: Abbildung 1 (auf Bild klicken zum Vergrößern): Stärkung oder Schwächung? von policy matters
Bild: Abbildung 2 (auf Bild klicken zum Vergrößern): Mehr oder weniger Zusammenarbeit? von policy matters
„I want my money back!” Die EU und Großbritannien haben sich in der rund 45-jährigen Dauer ihres Zusammenseins wenig geschenkt. Wurde der Beitritt der Insel zum europäischen Wirtschaftsraum bis in die 1970er Jahre hinein von Frankreich kompromisslos verhindert, wollten die Engländer gleich nachverhandeln, als der Schritt 1973 endlich vollzogen war. Und obwohl die Beiträge schon kurz darauf für die Briten gesenkt wurden, feuerte Margaret Thatcher auf die europäischen Partner 1984 jenen legendären Satz ab, der die Haltung des ehemalige Empires zum alten Kontinent so gut auf den Punkt brachte.
Und das Verhältnis blieb von Spannungen geprägt. War es die Einführung der gemeinsamen Währung, die Regulierung der Finanzmärkte oder das Bekenntnis, zusammen an einer „immer engeren Union“ zu arbeiten – für die Briten wurden ebenjene Ausnahmen gemacht, die sie stets lautstark einforderten. Und noch wenige Monate vor dem Referendum, das im Juni 2016 einen vorläufigen Schlussstrich unter die schwierige Partnerschaft zog, verhandelte David Cameron in Brüssel für sein Land über Sonderbedingungen bei den Sozialleistungen für EU-Bürger_innen. Die Hoffnung, seine Landleute damit in der Union halten zu können, erfüllte sich nicht.
Ein Teil der Bevölkerung in den übrigen Ländern ist über den Austritt Großbritanniens besorgt und erwartet sich hiervon eine Schwächung der Union. Nach neuen Zahlen einer Studie, die die Friedrich-Ebert-Stiftung in Zusammenarbeit mit dem Meinungsforschungsinstitut „policy matters“ im Mai und Juni 2017 in Deutschland, Frankreich, den Niederlanden, Schweden, Spanien, Italien, Slowakei und Tschechien durchführte, erwarten dies 40 Prozent. 60 Prozent der über 7.000 befragten EU-Bürger_innen, und damit eine deutliche Mehrheit, erwarten sich aber eine Stärkung oder schlicht gar keine Auswirkungen auf die Europäische Union. In den südlichen Ländern Italien und Spanien, sowie in Frankreich, erwarten rund 20 Prozent sogar positive Auswirkungen des Brexit.
Und während Margaret Thatchers amtierende Nachfolgerin im Juni nicht nur eine gewaltige Wahlschlappe einfuhr, sondern mittlerweile auch nur noch eine Minderheit ihrer eigenen Bevölkerung hinter ihren Plänen für einen „hard Brexit“ weiß, lernen die übrigen Europäer_innen den Wert der EU neu zu schätzen. Das zwischenzeitliche Chaos in Großbritannien mag hierfür eine nicht zu vernachlässigende Rolle spielen. Rund zwei von drei Unionsbürger_innen wünschen sich mehr Zusammenarbeit auf europäischer Ebene. In allen befragten Ländern, mit Ausnahme Tschechiens, sind sie gegenüber denen in der Mehrzahl, die Kompetenzen zurück auf nationale Ebene verlagert sehen wollen.
Dass der Brexit für diese starken Zahlen eine Rolle zu spielen scheint, zeigt auch der Blick zurück auf die Vorgängerstudie aus dem Jahr 2015. Damals hatten die Bevölkerungen in ausnahmslos allen befragten Ländern eine negativere Grundhaltung zur EU. Die Zahl derer, die die Vorteile einer EU-Mitgliedschaft gegenüber den Nachteilen als überwiegend empfinden, hat sich in Deutschland beispielsweise um satte 30 Prozentpunkte auf 64 Prozent erhöht. In Frankreich fällt das Wachstum mit 12 Prozent etwas bescheidener aus. In noch einem anderen Aspekt sticht Deutschland hervor: von allen Ländern wünschen sich mit 80 Prozent hier mit Abstand am meisten Menschen mehr europäische Zusammenarbeit.
Während der Brexit also den europäischen Geist wiederbelebt, sollte Deutschland die hohen Zustimmungswerte hierzulande nicht auf alle europäischen Partner übertragen. Mit ein wenig Wehmut blick der alte Kontinent zurück auf den ausscheidenden Partner – von Panik aber kann keine Rede sein. Man bewahrt eine steife Oberlippe, und rückt enger zusammen.
Ansprechpartner in der Stiftung
Arne Schildberg
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