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Der Begriff Patriarchat kommt aus dem Altgriechischen und bedeutet übersetzt so viel wie „Vaterherrschaft“. Vereinfacht gesagt, ist das Patriarchat eine Gesellschaftsform, die von Männern geprägt ist. Die vorherrschenden Normen und Werte gehen also auf männliche Denk- und Verhaltensmuster zurück, führende Positionen in Politik und Wirtschaft sind vor allem von Männern besetzt, Männer verdienen besser als Frauen und sogar überlebenswichtige Bereiche wie die (medizinische) Forschung bzw. Versorgung orientieren sich in erster Linie an den männlichen Mitgliedern der Gesellschaft. Allgemein ist in patriarchalischen Gesellschaften auch Sexismus ein großes Problem.
Der Begriff Patriarchat wurde im Rahmen der Frauenbewegungen in der 1950er und 1960er Jahren insbesondere als Synonym für eine Herrschaft der Männer geprägt und steht spätestens seitdem auch für einen männlichen Machtmissbrauch auf unterschiedlichen Ebenen. Im allgemeinen Sprachgebrauch versteht man das Patriarchat oft als Ungleichgewicht zwischen Männern und Frauen – letztlich beschreibt es aber noch allgemeiner die Vorherrschaft von dominanten Männern gegenüber allen anderen Geschlechtern.
Patriarchale Strukturen und die damit einhergehende Geschlechter-Ungerechtigkeit durch die „Vaterherrschaft“ gibt es weltweit in den unterschiedlichsten Kulturen – und das trotz aller Emanzipation bis heute. Die Ursprünge des Patriarchats und des damit einhergehenden Phänomens des Geschlechterungleichgewichts zu Ungunsten der Frauen und am Ende auch anderer marginalisierter Gruppen der Gesellschaft liegen allerdings weitaus früher als in der Mitte des 20. Jahrhunderts. Der grundlegende Umschwung in Richtung Geschlechterungleichheit fand laut der Geschlechterforschung vor rund 12.000 Jahren in der Zeit der Erfindung von Viehzucht und Ackerbau statt.
Das Patriarchat ist ein Phänomen, das Gesellschaften weltweit bis heute prägt – allerdings blickt es schon auf eine sehr lange Entstehungsgeschichte (1) zurück, wodurch sich die ungleichen Geschlechterverhältnisse sehr tief in das gesellschaftliche Gedächtnis einbrennen konnten. Seinen Ursprung hat die „Vaterherrschaft“ schon in der Zeit, als die Menschen sesshaft wurden:
Zuvor war man darauf angewiesen, dass alle Geschlechter gleichermaßen für das Überleben der Gruppe sorgten. Die Jäger_innen und Sammler_innen waren in erster Linie als Nomad_innen unterwegs und machten in ihren Aufgaben und Tätigkeiten keinen Unterschied zwischen Männern und Frauen. Einige Forscher_innen gehen sogar so weit zu sagen, dass diese Gleichstellung der Geschlechter damals das Erfolgsgeheimnis der Jäger_innen und Sammler_innen war.
Die Erfindung von Viehzucht und Ackerbau führte dazu, dass die Menschen weniger mobil waren und gleichzeitig zuverlässigere Nahrungsquellen hatten. Das trieb die Geburtenrate nach oben, wodurch die Frauen zunächst einer Doppelbelastung ausgesetzt waren: Einerseits halfen sie weiterhin auf den Feldern, mussten sich aber andererseits in der Regel auch um eine Vielzahl von Kindern kümmern. Durch diese Mehrbelastung sank die durchschnittliche Lebenserwartung der Frauen merklich.
Hinzu kam, dass die Menschen immer mehr Eigentum besaßen, das es zu verteidigen galt. Dieser neue ortsgebundene Protektionismus führte dazu, dass die männlichen Nachkommen zur Unterstützung ihrer Familien in der Heimat blieben und ihre Ehefrauen in der Regel zu ihnen zogen. Dort hatten die Frauen weder ein soziales Netzwerk noch familiären Rückhalt und gerieten damit automatisch in eine schwächere Position.
Durch die wachsende Bevölkerung und die verstärkten Besitzansprüche entstanden immer mehr Konflikte, die auch zu Kriegen führten. Diese hatten wiederum einen schwächenden Einfluss auf die Rolle der Frau. Männer zogen in Kriege und wurden als Helden gefeiert – dadurch gewannen sie an Macht.
Männliche Machtkämpfe und Gewalt wurden als wertvoll für das gesellschaftliche Fortkommen wahrgenommen – insbesondere von den entsprechenden Machthabern. Das Weibliche und die damit einhergehenden Attribute hingegen erschienen als immer weniger wichtig für das Ansehen einer Gesellschaft, sodass Frauen sukzessive immer weniger Bedeutung zugemessen wurde.
Das führte dazu, dass Frauen weniger wahrgenommen wurden und weniger gesellschaftliche Teilhabe ermöglicht bekamen. Ein Zustand, der letztlich ein wesentliches Fundament für die Weiterentwicklung des Patriarchats und der Geschlechter-Ungerechtigkeit bildete.
Die in den Zeiten des Sesshaftwerdens aufkeimende und durch die ersten Kriege verstärkte Unterdrückung der Frau und das damit einhergehende Gedankengut verfestigten sich in den Folgejahrhunderten immer mehr und wurden unter anderem durch Vertreter_innen aus Philosophie und Wissenschaft unterstützt.
Das Paradoxon: Der Diskurs selbst befeuerte das Phänomen. Während sich zum Beispiel im antiken Griechenland die – allesamt männlichen – Gelehrten fragten, was zum Ungleichgewicht zwischen Mann und Frau geführt und beigetragen hat, trieben sie die Geschlechter weiter in die unterschiedlichen gesellschaftlichen Lager. Frauen seien einfach von Natur aus schwächer und im Grunde nur eine schlechtere Version der Männer, heißt es aus den Reihen von Philosophen wie Aristoteles. Weiter noch: Diesem schwachen Geschlecht sollte man dementsprechend keinen Einfluss auf politische Entscheidungen und keinen Zugang zu Bildung geben. Ein Teufelskreis beginnt – den Frauen wird zunächst weniger zugetraut und dann weniger gewährt. Das führt dazu, dass sie sukzessive weniger Unterstützung und schlechtere Voraussetzungen zur Teilhabe an der Gesellschaft haben.
Doch sogar da, wo die Frauen sich eindeutig hervorkämpfen und für die Gesellschaft wertvolle Arbeit leisten, werden sie systematisch kleingehalten. Zum Beispiel in Wissenschaft und Forschung – und das sowohl im Mittelalter als auch in der Neuzeit: Die US-amerikanische Frauenrechtlerin Matilda Joslyn Gage erkannte Ende des 19. Jahrhunderts als Erste ein Phänomen, nach dem weibliche Wissenschaftlerinnen nicht für ihre Arbeit honoriert wurden, sondern diese stattdessen einem Mann zugeschrieben wurde. Dies geschah aus den unterschiedlichsten Gründen. Teilweise traute man Frauen die erfolgreiche Arbeit nicht zu und ging bei einem weiblichen Namen unter der wissenschaftlichen Schrift von einem Fehler aus. So zum Beispiel geschehen im 12. Jahrhundert bei der italienischen Ärztin Trota von Salerno, die zu Frauenkrankheiten forschte und kurzerhand von einem Mönch umbenannt wurde. Nicht selten trat – ob nun aus Geltungsbedürfnis oder zur Aufwertung der Arbeit – auch der Ehemann als Urheber der Forschung seiner Frau auf. So geschehen zum Beispiel in den 1950ern bei der Mikrobiologin Esther Lederberg oder bei der Biochemikerin Ruth Hubbard. Dieses Phänomen wurde in den 1990ern als Matilda-Effekt tituliert und damit nach seiner Entdeckerin Matilda Joslyn Gage benannt.
Die Unterdrückung der Frau hat sich über die Jahre gewandelt und die Anzeichen dafür sind im Laufe der Zeit subtiler geworden. Jedoch haben all die vergangenen Entwicklungen ihre Spuren hinterlassen, was dazu führte, dass sich die ungleichen Geschlechterverhältnisse der vergangenen Jahrtausende und ihre Effekte bis in die Gegenwart durchdekliniert haben.
Die patriarchalen Strukturen, die vor tausenden Jahren geprägt wurden, sind mittlerweile zwar durch Bemühungen von Feminist_innen zu Gunsten einer allgemeinen Emanzipation sowie durch die Erkenntnisse der Frauen- und Geschlechterforschung aufgebrochen und abgeschwächt worden. Allerdings wirken die Phänomene der Vergangenheit weiter nach. So gibt es auch in unserer heutigen Gesellschaft weiterhin klare Anzeichen dafür, dass Frauen benachteiligt sind.
In vielen Teilen der Welt haben Frauen heutzutage nach wie vor keinen Zugang zu Bildung oder werden zwangsverheiratet. Hierzulande erkennt man die patriarchalen Strukturen vor allem bei einem Blick hinter die Fassade: Noch immer nehmen Frauen bei einer Heirat eher den Nachnamen (2) des Mannes an. Auch die Diskussionen rund um den Paragrafen 218 zum Schwangerschaftsabbruch und die ungleiche Bezahlung von Männern und Frauen – auch bekannt als Gender Pay Gap – zeigen, wie viel in Sachen Gleichberechtigung immer noch zu tun ist.
Hinzu kommt, dass bestimmte Tätigkeiten, die insbesondere Frauen übernehmen und wegen derer sie oft nur in Teilzeit oder gar nicht arbeiten können, in der Gesellschaft wenig Anerkennung finden. Dazu zählen die Erziehung von Kindern, das Führen eines Haushalts und die Versorgung von älteren oder pflegebedürftigen Familienangehörigen.
Auch Familienministerin Lisa Paus hält daher fest, dass wir heutzutage immer noch in einem Patriarchat leben: „Für mich ist das Patriarchat vorbei, wenn Frauen ökonomisch und politisch gleichgestellt sind, die Hälfte der Macht den Frauen gehört und geschlechtsspezifische Gewalt nicht als individuelle Tat verharmlost wird, sondern als patriarchales Denk- und Verhaltensmuster anerkannt und geahndet wird.“
Ungleichbehandlung und Unterdrückung von Geschlechtern sind hierzulande noch immer an der Tagesordnung. Das bestätigen auch Untersuchungen der Frauen- und Geschlechterforschung. Diese Ungleichbehandlung der Geschlechter ist eine Folge der patriarchalen Strukturen, die sich über Jahrtausende in unserer Gesellschaft aufgebaut und etabliert haben und gegen die vor allem Feminist_innen tagtäglich ankämpfen. Migrant_innen und Mitglieder der LGBTQIA+-Community sind von dieser Diskriminierung ungleich stärker betroffen. Insgesamt gab es in den letzten Jahren aber viele positive Entwicklungen in Richtung einer Gleichstellung der Geschlechter in Deutschland. Zum Beispiel ist die Vereinbarkeit von Familie und Beruf durch diverse Betreuungsangebote immer leichter möglich. Zudem achten viele Arbeitgeber_innen verstärkt darauf, neue Mitarbeiter_innen unabhängig vom Geschlecht einzustellen. Überdies für die Frauenquote zu mehr Gleichberechtigung in Führungspositionen.
Schaut man in Länder wie Syrien oder den Iran, dann sind die Unterschiede zwischen den Geschlechtern und die damit einhergehenden gesellschaftlichen Probleme und Anfeindungen natürlich noch eklatanter und erschreckender. Dies kann allerdings kein Grund dafür sein, patriarchale Strukturen hierzulande zu akzeptieren und ihnen nicht entgegenzuwirken. Es ist wichtig, dass Deutschland sich weiterhin sowohl innenpolitisch für Gendergerechtigkeit und Diversität einsetzt als auch mit einer feministischen Außenpolitik für die Rechte von Menschen aller Geschlechter weltweit einsteht.
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