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Thema im Fokus

Verbündet, stark und krisenfest: Warum Vernetzung jetzt wichtig ist!

Von Petra Keller und Sarah Gräf 

Die Zusammenarbeit von Organisationen in sozialen, wirtschaftlichen und politischen Bereichen hat in den letzten Jahren an Bedeutung gewonnen. Besonders in Non-Profit-Organisationen (NPOs) spielt der Aufbau von Netzwerken, Allianzen und Bündnissen mittlerweile eine zentrale Rolle. Es geht nicht nur darum, neue Verbindungen zu knüpfen. Tragfähige netzwerkartige Strukturen ermöglichen es NPOs, Ressourcen zu bündeln, Wissen auszutauschen, die Reichweite zu vergrößern und gemeinsam Lösungen für gesellschaftliche Herausforderungen zu entwickeln. Die Zusammenarbeit demokratischer Organisationen ist gerade in Gegenden mit wachsendem Rechtspopulismus und Rechtsextremismus von großer Bedeutung. Netzwerke, Allianzen und Bündnisse stehen aber auch für neue Formen der Zusammenarbeit, für Gleichberechtigung, Kreativität, Effizienz und soziale Unterstützung.

In diesem Thema im Fokus beschäftigen wir uns mit Erfolgsfaktoren und Herausforderungen in Netzwerken, Bündnissen und Allianzen. Wie kann eine Zusammenarbeit strategisch geplant werden, so dass sie auch aufkommenden Schwierigkeiten standhält? Welche Rolle spielt diese Vernetzung im Kontext sozialer Gerechtigkeit? 


Zusammenarbeit neu denken

Die Begriffe „Netzwerke“, „Allianzen“ und „Bündnisse“ beschreiben verschiedene Formen der Zusammenarbeit, die sich in Struktur, Zielorientierung und zeitlicher Ausrichtung unterscheiden. Trennscharfe Definitionen gibt es zwar nicht, trotzdem hilft eine grobe Einteilung dabei, im Vorfeld konkret über Erwartungen und Ziele zu sprechen. Bei der Einteilung helfen folgende Fragen:

  • Verfolgen wir ein eindeutig definiertes Ziel?
  • Handelt es sich um eine langfristige Aufgabe?
  • Suchen wir Erfahrungsaustausch und/oder das Teilen Ressourcen?
  • Suchen wir gegenseitige Unterstützung und Solidarität?
  • Wie strategisch sind wir in der Verfolgung unserer Ziele? Ist auch eine Zusammenarbeit denkbar, wenn es größere Unterschiede in der Wertebasis gibt?

1. Netzwerke

Ein Netzwerk ist eine meist langfristige, offene Struktur, die auf Austausch und gegenseitige Vernetzung ohne festgelegtes Ziel ausgerichtet ist. Im Gegensatz zu Allianzen, die zeitlich begrenzt und zielorientiert sind, besteht ein Netzwerk unabhängig von konkreten Aufgaben. Netzwerke haben oft keinen expliziten öffentlichen Zweck und dienen primär dem Aufbau und der Pflege von Beziehungen zwischen den Beteiligten. Sie bieten damit eine lose, selbsttragende Plattform für eine Zusammenarbeit, die nicht zwangsläufig nach außen wirkt.

2. Allianzen

Eine Allianz ist ein Zusammenschluss von unabhängigen Akteur*innen, die häufig öffentlich kooperieren, um ein gemeinsames Ziel zu erreichen. Dabei bleiben die Mitglieder als eigenständige Einheiten erkennbar und bestehen fort. Allianzen sind zeitlich begrenzt, da sie meist nach Erreichen des Ziels enden – außer es wird ein neues Ziel vereinbart. Ihre Zusammenarbeit ist strategisch geprägt und durch Freiwilligkeit und klare Zielorientierung gekennzeichnet.

3. Bündnisse

Bündnisse sind oft formalisierter als Netzwerke und beruhen auf klaren Absprachen sowie gemeinschaftlichen Aktivitäten oder einer gemeinsamen Verantwortungsübernahme. Sie sind oft nicht zeitlich begrenzt und verfolgen auch nicht zwangsläufig ein politisches Ziel. Stattdessen bilden Bündnisse häufig eine Wertegemeinschaft, die durch gemeinsame Überzeugungen gestärkt wird und den Zusammenhalt der Mitglieder fördert.


Warum Vernetzung jetzt wichtig ist!

In einer Zeit, in der gesellschaftliche Herausforderungen wie Klimakrise, soziale Ungleichheit und autoritäre Tendenzen zunehmen, wird die Zusammenarbeit zivilgesellschaftlicher Akteur*innen untereinander immer wichtiger. So können Kräfte gebündelt und Shrinking Spaces – also schrumpfenden Freiräumen für zivilgesellschaftliches Engagement – entgegengewirkt werden.

Gerade auch Allianzen zwischen Wirtschaft, Politik, Verwaltung und Zivilgesellschaft sind jetzt notwendig – insbesondere angesichts von Klimakrise und sozialer Ungerechtigkeit. Eine Vielfalt an Perspektiven ermöglicht dabei neue Lösungsansätze und verhindert einseitige Strategien.

Eine Vernetzung und Zusammenarbeit bietet zudem ein Gegenmodell zu Konkurrenzsituationen, etwa im Bereich von Fördergeldern oder öffentlicher Sichtbarkeit. Statt gegeneinander zu arbeiten, schafft sie Partizipationsmöglichkeiten, fördert Powersharing und ermöglicht den Zugang zu Ressourcen, die oft aus gesellschaftlichen Privilegien resultieren. Indem Zugänge geteilt werden, können fehlende Perspektiven ergänzt und Expert*innenwissen eingebunden werden.

Die Arbeit in Netzwerken, Allianzen oder Bündnissen bietet die Chance, alternative Arbeitskulturen zu etablieren, die auf Solidarität, gegenseitiger Unterstützung und dem gemeinsamen Entwickeln eigener Regeln und Haltungen basieren. Sie schafft einen emanzipatorischen Effekt: Im Zusammenschluss wird die Stärke vieler erlebbar, dem Gefühl von Isolation wird entgegengewirkt.


MuP-Interview mit Paulina Fröhlich

Foto von Paulina Fröhlich

Paulina Fröhlich ist stellvertretende Geschäftsführerin und verantwortet den Schwerpunkt „Resiliente Demokratie“ des Berliner Think Tanks Das Progressive Zentrum. Mit ihr sprechen wir über Allianzen, Netzwerke und Bündnisse und welche Fehler im Vorfeld vermieden werden können.


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Good Practice: Beispiele erfolgreicher Zusammenarbeit

1. “Wir fahren gemeinsam”

Fridays for Future und die Gewerkschaft ver.di haben im Rahmen eines Klimastreiks auf die Dringlichkeit des Klimaschutzes aufmerksam gemacht. Im Mittelpunkt steht die Forderung nach sozialverträglichen Maßnahmen zur Begrenzung der Klimakrise, die auch die Rechte von Arbeitnehmer*innen berücksichtigen. ver.di bringt hierbei ihre Perspektive auf nachhaltige Arbeitsbedingungen und einen gerechten Strukturwandel ein, Fridays for Future setzt den Fokus auf eine klima- und sozial gerechte Verkehrswende und die Mobilisierung von jungen Menschen.

2. #Unteilbar

"Unteilbar" ist ein breites zivilgesellschaftliches Bündnis, das sich für eine offene und solidarische Gesellschaft einsetzt. Es wurde durch Großdemonstrationen bekannt, bei denen Hunderttausende Menschen gegen Ausgrenzung, Rassismus und den Abbau von Freiheits- und sozialen Rechten auf die Straße gingen. "Unteilbar" zielt darauf ab, verschiedene gesellschaftliche Kämpfe zu vereinen und einen gemeinsamen Fokus auf die Stärkung demokratischer Werte und sozialer Gerechtigkeit zu legen. 

3. Initiative Lieferkettengesetz

Die Initiative Lieferkettengesetz ist ein Zusammenschluss von zivilgesellschaftlichen Organisationen, Gewerkschaften, kirchlichen Gruppen und weiteren Akteuren, die sich für verbindliche Regelungen zur Einhaltung von Menschenrechten und Umweltstandards entlang globaler Lieferketten einsetzen. Die Arbeit trug maßgeblich zur Verabschiedung des Lieferkettensorgfaltspflichtengesetzes in Deutschland bei, das 2023 in Kraft trat.

4. Bündnis für sexuelle Selbstbestimmung

Das breite Bündnis aus Beratungsstellen, feministischer und allgemeinpolitischer Gruppen, Verbänden, Gewerkschaften und Parteien sowie Einzelpersonen setzt sich für das Recht auf eine selbstbestimmte Sexualität, aufgeklärte Familienpolitik und reproduktive Rechte ein. Ziel ist, dass alle Menschen ohne Bevormundung und Diskriminierung über ihr Liebesleben und die Familienplanung selbst entscheiden können. Neben Protestaktionen bieten die Bündnispartner*innen Beratung zu sexueller Selbstbestimmung, reproduktiven Rechten und gesundheitlicher Aufklärung an.


Strategische Planung von Netzwerken, Allianzen und Bündnissen

Die Fähigkeit in Netzwerken, Bündnissen und Allianzen gut zusammenzuarbeiten ist angesichts der zahlreichen gesellschaftlichen Krisen und Shrinking Spaces wichtiger denn je. Zudem stehen diese Formen der Zusammenarbeit für Werte, die vielen zivilgesellschaftlichen Organisationen wichtig sind: Gleichberechtigung, Gemeinschaftlichkeit und Unterstützung.

Wie können die Arbeitsbeziehungen so gestaltet werden, dass auch Motivationstiefs oder Rückschläge gemeinsam bewältigt werden können? Wie können wir im Vorfeld für tragfähige, robuste Strukturen sorgen?

Ressourcenplanung

  • Können wir einer bestehenden Allianz, einem Netzwerk oder Bündnis beitreten? Müssen wir neu gründen?
  • Ist die Arbeit in netzwerkartigen Strukturen Teil der Organisationskultur oder liegt die Pflege bei einer einzelnen Person?
  • Haben wir genug Zeit eingeplant, um uns kennenzulernen?
  • Haben wir über ggf. unterschiedliche Haltungen in wichtigen politischen Diskursen oder Konfliktfeldern gesprochen?

Aufgabenteilung

  • Gibt es eine Zusammenstellung der voraussichtlich anfallenden Aufgaben?
  • Sind die Aufgaben klar definiert, abgestimmt und fair verteilt?
  • Soll es feste Rollen geben, wie etwa Moderation oder Sprecher*in?
  • Wurden auch administrative Aufgaben, wie die Pflege des Netzwerks, der Allianz oder des Bündnisses bedacht?
  • Haben alle die Möglichkeit, ihre Stärken und Ressourcen einzubringen?

Konfliktmanagement

  • Gibt es die Möglichkeit einer externen Begleitung oder Supervision?
  • Haben wir regelmäßige Formate, um uns über den Verlauf der Zusammenarbeit auszutauschen?
  • Haben wir eine gemeinsame Feedbackkultur besprochen und festgelegt?

Wirkungsorientierung

  • Haben wir uns Zwischenziele gesetzt und Meilensteine definiert?
  • Werten wir unsere Ergebnisse regelmäßig aus?
  • Wie machen wir Ergebnisse sichtbar und wie feiern wir Erfolge?

Flexibilität

  • Sind wir offen für neue Entwicklungen?
  • Haben wir alle Perspektiven und Ideen gehört?
  • Sind wir bereit, unsere Pläne auch anzupassen oder zu verändern?

Haltung und Wertebasis

  • Kennen wir die Organisationswerte, Leitbilder und Positionen zu relevanten Themen?
  • Gibt es ein gemeinsames Fundament, wenn wir eine wertebasierte Zusammenarbeit anstreben?
  • Können wir auch über unangenehme und konfliktive Themen sprechen?
  • Haben wir einen Umgang mit unserer Unterschiedlichkeit gefunden und können diese wertschätzen?

Konfliktfelder in der Zusammenarbeit

  • Mangelnde Auseinandersetzung mit unterschiedlichen Organisationskulturen: Wie gehen wir mit Macht und Hierarchien um? Welche Kommunikationsstandards und -wege sind uns wichtig? Aspekte wie diese werden oft nicht ausreichend angesprochen, was zu Missverständnissen und Konflikten führen kann.
  • Der Zeitaufwand wird unterschätzt: Sich gegenseitig kennenzulernen nimmt genauso Zeit in Anspruch, wie die Pflege des Netzwerks, die Organisation von Meetings oder gemeinsame Abstimmungsprozesse.
  • Es mangelt an Verbindlichkeit und klarer Kommunikation: Welchen Stellenwert nimmt die Zusammenarbeit in unserem Arbeitsalltag für uns ein, welche Ressourcen stellen wir zur Verfügung und wie verteilen wir Verantwortlichkeiten? Ohne eine klare Struktur und Abstimmung bleiben Aufgaben oft liegen oder werden nicht sinnvoll verteilt.
  • Die Motivation schwindet: Bei fehlenden Zwischenzielen und sichtbaren Erfolgen kann das gemeinsame Momentum oft nicht aufrechterhalten werden.

Auf den Punkt: Verbündet, stark und krisenfest!

  • Insbesondere angesichts der wachsenden Popularisierung und Normalisierung von Rassismus sowie rechtsextremen Bewegungensind breite demokratische Bündnisse, Allianzen und Netzwerke wichtig. Sie bieten Schutz vor antidemokratischen Strömungen und stärken zugleich die Sichtbarkeit demokratischer Werte und Positionen.
  • Gerade auch die Zusammenarbeit zwischen Wirtschaft, Politik, Verwaltung und Zivilgesellschaft ist wichtig, um gesellschaftliche Veränderungen zu ermöglichen.
  • Die Zusammenarbeit in Netzwerken, Allianzen und Bündnissen schafft Zugang zu Ressourcen, erleichtert den Wissensaustausch und fördert das Teilen von Kompetenzen. So werden auch Partizipationsmöglichkeiten geschaffen und Powersharing ermöglicht.
  • Es kann hilfreich sein, auf schwergewichtige Organisationen zurückzugreifen, selbst wenn sich deren Weg oder Haltung von den eigenen unterscheidet. Solche Allianzen ermöglichen es, gemeinsam Wirkung zu entfalten, ohne die jeweilige Eigenständigkeit vollständig aufzugeben.

Quellen und Verweise

Aus der Friedrich-Ebert-Stiftung

  • Allianzen des Fortschritts

    Screenshot der FES-Kurzstudie "Allianzen des Fortschritts"

    Die Kurzstudie der FES und des Progressiven Zentrums analysiert mittels Interviews, welche Faktoren in Bündnissen wichtig sind.

    weitere Informationen

  • Ohne Demokratie ist alles nichts.

    Screenshot des Covers

    Die Studie untersucht Teilnehmende, Motive und Effekte der Proteste gegen Rechtsextremismus im Juni 2024.

     

    weitere Informationen

  • Mit Beispiel VORAN

    Logo des Projekts VORAN

    Das Projekt VORAN der Friedrich-Ebert-Stiftung blickt auf gute Beispiele zukunftsfähiger Politik in Ländern und Kommunen

    weitere Informationen

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