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Der Coronakrise dürfen nicht wieder die alten Rezepte folgen, als ob es keine Alternativen gäbe.
Bild: von April-Mediengruppe
Für unsere Gesellschaft kann die Coronakrise eine Chance sein oder – in Verbindung mit anderen „Vorerkrankungen“ wie Klimakrise, Wirtschaftskrise, Demokratiekrise … – ihren Kollaps beschleunigen. Mit der neoliberalen Globalisierung der letzten Jahrzehnte hat sich eine „wirtschaftspolitische Monokultur“ mit westlichen Wurzeln materialisiert. Seitdem lautet das Mantra: Liberalisierung, Wettbewerb, Wirtschaftswachstum über alles. Monokulturen sind für Krisen besonders anfällig. Darin werden die Ursachen der Probleme immer wieder als Lösung verpackt. Es wäre jedoch fatal, wenn der Coronakrise wieder die alten Rezepte folgen, als ob es keine Alternativen gäbe. Für die Widerstandsfähigkeit von sozialen Systemen ist die kulturelle Vielfalt genauso wichtig wie die Biodiversität für die Resilienz von Ökosystemen (vgl. UNESCO 2001). Vielfalt meint unter anderem ein breiteres Spektrum an Lösungsalternativen bei der Bearbeitung von Problemen.
Inzwischen hat die wirtschaftspolitische Monokultur auch die Kulturlandschaft erfasst. Im Vergleich zu den 1960er/70er-Jahren handeln Theater und Universitäten heute stärker wie Unternehmen – ständig im Wettbewerb um Fördermittel, Drittmittel, Aufmerksamkeit oder Status. Sogar in der Soziokultur, die ihren Ursprung in der Gegenkultur hat, ist diese Entwicklung spürbar. Gerade die Kulturlandschaft und die Kulturpolitik sollten sich aber nicht von den dominanten marktwirtschaftlichen, nichtnachhaltigen Verhältnissen abhängig machen. Es geht vermehrt darum, Kulturkritik auszuüben, ein freies Forum für gesellschaftliche Selbstreflexion und kollektive Lernprozesse zu bieten sowie Räume für Alternativen zu erkämpfen und zu öffnen.
Wir befinden uns gegenwärtig in einer „Multiplen Krise“ (Ulrich Brand), kleine Korrekturen reichen zu ihrer Überwindung nicht mehr aus. Ein Systemwechsel ist gefragt – so auch der Weltklimarat in seinem Sonderbericht 2018. Dazu gehört, die Bereiche Umwelt, Kultur, Soziales, Landwirtschaft, Kommunen (u.a.) nicht mehr nebeneinander zu betrachten, sondern systemisch, denn sie gehen uns alle an. Die Akteure dieser Bereiche dürfen sich nicht wieder wie Lobbys verhalten, die miteinander um knappe Mittel konkurrieren, um ihre jeweilige Klientel zu befriedigen. Wenn sie Opfer derselben Logik sind, dann können sie nur durch ihre Kooperation diese Logik überwinden und als breite Bewegung gesamtgesellschaftliche Alternativen entwerfen. Warum müssen Kinder an Armut leiden und Schulen verfallen, während eine fast obszöne Reichtumskonzentration herrscht? Es braucht kein ständiges Wirtschaftswachstum (auf Kosten anderer), wenn man die Mittel (umver)teilen kann.
Bei ihrer Gründung 1945 erhielt die UNESCO einen starken Auftrag für Frieden und Menschenrechte, für den Schutz der Diversität in Kultur und Natur. Diesem Auftrag gerecht zu werden, das gilt ganz besonders für die Kulturlandschaft und die Kulturpolitik in Deutschland, gerade wegen der Geschichte dieses Landes. Dabei ist es unverzichtbar, den Pfad der Monokultur zu verlassen, um die notwendige Transformation der Gesellschaft gerecht, friedlich und demokratisch zu gestalten.
Über den Autor
Davide Brocchi lebt in Köln, ist als Dipl.-Sozialwissenschaftler, Publizist und Kulturmanager freiberuflich tätig, sowie wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Kulturpolitik der Universität Hildesheim.
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