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War die Migrationspolitik der dänischen Sozialdemokratie wirklich wahlentscheidend? Was kann die deutsche Sozialdemokratie aus der Wahl lernen?
Bild: Mette Frederiksen, Vorsitzende der dänischen Socialdemokraterne von © News Øresund - Johan Wessman lizenziert unter CC BY 2.0
Die Sozialdemokratische Partei Dänemarks hat die Wahl nicht nur wegen ihres migrationskritischen Kurses gewonnen. Die Themen Klima und Pflege haben eine noch größere Rolle gespielt. Die SPD sollte ihre integrationspolitische Kompetenz – besonders in Ländern und Kommunen – besser nutzen.
Die SPD ist auf der Suche nach Vorbildern. Bei dem anstehenden mühsamen Weg zurück in die Region früherer Wahlergebnisse ist der Blick dorthin gerichtet, wo Wahlsiege gelingen. Da kommt der Erfolg der dänischen Sozialdemokraten zurück an die Regierung gerade recht. Es wird von Altvorderen empfohlen die dortige Erfolgsstrategie zu kopieren. Wie dies gehen soll, dass ist schnell erzählt. Durch eine starke Kombination von klassisch linken sozialpolitischen Elementen und rechten Positionen in der Migrationsfrage wäre es der dänischen Sozialdemokratie gelungen, die Wählerinnen und Wähler von sich zu überzeugen. Es gibt aber auch starke Kräfte, die dem entgegenhalten, dass die SPD eine solche Strategie schon aufgrund ihrer Werte nicht übernehmen dürfte. Von dem tatsächlichen Erfolg an der Wahlurne ganz zu schweigen.
Eine Debatte, die in der deutschen Sozialdemokratie seit langer Zeit geführt wird. Bei diesem erneuten "hin und her“, „dafür und dagegen“ in der Migrationsdebatte am Beispiel der Wahl in Dänemark hat es allerdings den Anschein, als ob sich niemand die Wahlergebnisse richtig angeschaut hat. Es geht lediglich um die Bestätigung der eigenen Position. Erkenntnisgewinn entsteht aber anders. Wie stellt sich die Lage dar, wenn noch einmal genauer geschaut wird?
Zum einen scheint es so, dass die dänischen Sozialdemokraten mit ihrem klaren sozialökonomischen Profil aus der Opposition heraus die Regierung scheinbar ausreichend unter Druck setzen konnten, um zumindest ihr Ergebnis der letzten Wahl zu halten. Durch die Übernahme der migrationspolitischen Agenda hat die Sozialdemokratie der Dänischen Volkspartei Stimmen abgenommen. Der Preis dafür ist, dass nun auch die Sozialdemokratie Teil des rechten Konsenses im politischen Dänemark ist. Das Wahlergebnis hat die Sozialdemokratie also mit dadurch erreicht, dass sie das Gesellschaftsbild der Rechten übernimmt. Wahlgewinne auf der rechten Seite wurden neutralisiert durch Abwanderung zu linkeren Parteien; im Ergebnis blieb das Ergebnis der Sozialdemokratie im Vergleich zur vorherigen Wahl stabil.
Zum zweiten darf die Kampagne der Spitzenkandidatin Mette Frederiksen nicht nur auf die klare Positionierung in der Migrationspolitik reduziert werden. Nachwahlbefragungen in Dänemark zeigen, dass auch dort das Thema Klimawandel deutlich vor allen anderen das wahlentscheidende Feld gewesen ist. Mette Frederiksen hat in ihrer Rede am Wahlabend die Wahl folgerichtig auch als „Klimawahl“ bezeichnet, worauf Jesper Vind von der dänischen Wochenzeitung Weekendavisen hinweist. Auf Platz 2 folgte die Pflegepolitik. Auch wichtig, aber nicht überlagernd, folgt das dritte Thema Migration. Die Auswirkungen dieser wahlentscheidenden Themen zeigen sich in den Wahlergebnissen der ökologisch oder pro-migrantischen Parteien. So haben die grüne sozialistische Volkspartei und die migrationsfreundliche Radikale Venste die stärksten Zugewinne verzeichnet.
Was also kann die Sozialdemokratie lernen aus der Wahl in Dänemark? Leider nicht so viel, wie die ersten Schnellinterpretationen mit vorgefestigter Meinung suggerieren. Auch hier gilt die Binsenweisheit: Es ist einfach schwer, holzschnittartig Erfolge von einem Land auf ein anderes zu übertragen.
Die SPD kann lernen, dass es mit einem klaren sozialökonomischen Kurs gelingen kann, Mehrheiten zu gewinnen. Ob man in Deutschland mit einem migrationskritischen Kurs die „Arbeiter“ und Enttäuschten zurückgewinnen kann, ist aber fraglich. Das Problem der SPD ist ja vor allem der große Glaubwürdigkeitsverlust in den vielen Regierungsjahren und die vielen Positionswechseln auch in der Flüchtlingspolitik. Wenn die SPD sich ehrlich macht, kommt sie zudem zu dem Schluss, dass sie schon seit längerem eine moderat-migrationskritische Politik verfolgt in der großen Koalition. Sie muss sich also endlich mit der zentralen Frage beschäftigen, wie sie die verlorene Kompetenz bei den Wählern wiedergewinnen will. Kaum einer sieht die SPD in der Lage, Deutschlands Zukunft zu gestalten. Und diejenigen, die durch einen härteren Kurs in der Migrationspolitik gewonnen werden sollen, haben unter anderem der SPD aus anderen Gründen den Rücken zugekehrt. In der Studie des Progressiven Zentrums über die "politisch Verlassenen" hat Johannes Hillje darauf noch einmal hingewiesen. Die Abwertung Anderer hat oftmals den Grund in der eigenen Erfahrung von gesellschaftlicher Desintegration. Dafür braucht es einen starken Impuls für gesellschaftliche Solidarität und eine Politik für die Alltagsprobleme.
Eines stimmt allerdings: Die SPD muss dabei auch ihre Position in dem wichtigen Feld der Integrationspolitik klar formulieren. Statt oberflächlich nach Dänemark zu schielen sollte die SPD dorthin schauen, wo sie für die Integration zuständig ist. Gerade bei den Herausforderungen der Migrationsgesellschaft ist die SPD mit ihren vielen Oberbürgermeistern und hauptamtlichen Kommunalpolitikern im Alltag die Expertin. Diese Kompetenz muss sie nutzen. Wenn sich die SPD nun neu aufstellt, muss sie auch einen Prozess starten, bei dem ihre kommunalen und in den Ländern Verantwortlichen klar formulieren, wo es in der Flüchtlingspolitik gute Integrationsmodelle gibt, wo es hakt und was für unser Zusammenleben in Zukunt zu tun ist.
**Der Beitrag erschien im Original bei vorwärts.de
Die Einstellungen der Deutschen gegenüber Migration und welche Schlüsse die Sozialdemokratie daraus ziehen sollte.
Externe Auffangzentren und kein Asyl mehr an der Landesgrenze – die neue Strategie der dänischen Sozialdemokratie enthält viel Zündstoff.
Ein Interview mit Johannes Hillje, der für das Progressive Zentrum Menschen in rechtspopulistischen Hochburgen über Unmut und Ängste befragte.
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