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Ein neues Qualifizierungskonzept für Ausbildungsverantwortliche gibt Hilfestellung.
Teil der Handlungsempfehlungen des FES diskurs „Ohne sie geht nichts mehr. Welchen Beitrag leisten Migrant_innen und Geflüchtete zur Arbeitskräftesicherung in Fachkraftberufen in Deutschland?“ ist auch die Anwendung eines seit kurzem vorliegenden Qualifizierungskonzepts für betriebliches Ausbildungspersonal, das im Rahmen eines vom BMBF geförderten Projekts von der Fachstelle überaus des Bundesinstituts für Berufsbildung (BIBB) in Zusammenarbeit mit dem Bildungsträger Fresko e.V. erarbeitet wurde. Was genau steckt hinter dem Qualifizierungskonzept „Junge Geflüchtete erfolgreich ausbilden“?
Anne Knappe von der BIBB-Fachstelle überaus, eine der Autorinnen des Konzepts, erklärt im Interview den praktischen Mehrwert, den das Konzept bietet:
Zunächst einmal: Warum schien es Ihnen und Ihren Kolleg_innen einen Bedarf für dieses Qualifizierungskonzept zu geben?
Die Teilhabe an Bildung und Ausbildung hängt in Deutschland eng mit einer späteren Erwerbstätigkeit zusammen. Insofern ist eine Ausbildung auch für Geflüchtete enorm wichtig, um Grundlagen beruflicher Handlungskompetenz zu erlernen, eine berufliche Perspektive zu entwickeln und damit ihr Leben eigenständig gestalten zu können. Eine gelingende berufliche und soziale Integration kann darüber hinaus auch zur Sicherung des Fachkräftenachwuchses in Deutschland beitragen.
Wir gehen daher davon aus, dass die Ausbildung von Geflüchteten für Betriebe ein relevantes Thema bleiben wird, sehen aber die Notwendigkeit die entsprechende Qualifizierung des Ausbildungspersonals zunehmend in den Fokus zu rücken.
Denn bei der Eingliederung von Geflüchteten in betriebliche Abläufe stellen sich spezifische Herausforderungen: Oft wird Unterstützung bei der Verständigung in der Zweitsprache Deutsch gebraucht, zudem müssen psychologische, soziokulturelle und rechtliche Aspekte ihrer Lebenssituation berücksichtigt werden, die sich auch auf eine Ausbildung auswirken können. Dem ausbildenden Personal kommt damit eine zentrale Bedeutung für die Bewältigung dieser Herausforderungen zu. Das ist aber vielen so nicht bewusst bzw. sie sind unsicher, wie sie hier unterstützen können.
So haben Interviews zu den Erfahrungen mit sprachlich-kommunikativen Anforderungen in der Ausbildung gezeigt, dass Ausbilder_innen hierbei zwar erhebliche Probleme sehen, sich selbst aber vor allem als berufsfachlich Verantwortliche verstehen und für pädagogische Aspekte der Ausbildung weit weniger zuständig fühlen. Im Rahmen von Fortbildungen, die auf unserem Qualifizierungskonzept beruhen, soll für die Teilnehmenden daher durch den konsequenten Bezug zu ihrer eigenen Praxis unmittelbar nachvollziehbar werden, dass sprachliche und kulturelle Gesichtspunkte eng mit den Interaktionen im Ausbildungsalltag zusammenhängen. Auch soll ihnen praxisorientiert und niedrigschwellig vermittelt werden, wie sie Missverständnissen und Konflikten vorbeugen, diese gegebenenfalls lösen und damit eine erfolgreiche Ausbildung unterstützen können.
Wen möchten Sie mit diesem Qualifizierungskonzept erreichen und wie kann es dieser Zielgruppe im Umgang mit Geflüchteten in betrieblicher Ausbildung konkret nützen?
Profitieren können von der Fortbildung vor allem Mitarbeitende von kleinen und mittelständischen Unternehmen, die Geflüchtete ausbilden bzw. ausbilden wollen. Dies betrifft in erster Linie Personen, die direkt mit den Auszubildenden arbeiten. Aber auch Betriebsangehörige, die nur indirekt mit der Ausbildung befasst sind, können von der Teilnahme profitieren und als Multiplikator_innen in ihren Betrieben fungieren.
Neben Ausbildungsverantwortlichen aus Unternehmen können auch Personen aus anderen Institutionen in Betracht kommen, die dual ausbilden, beispielsweise Träger geförderter Maßnahmen, also beispielsweise aus der außerbetrieblichen Ausbildung oder Jugendwerkstätten. Hier sind u.a. Fachanleitende zu nennen oder Sozialarbeitende und Sozialpädagog_innen, die häufig in diesen Maßnahmen mit den Auszubildenden arbeiten.
Das Konzept selbst ist an Fortbildungen anbietende Institutionen gerichtet, also die Einrichtungen, die in der Regel die Schulung von betrieblichem Ausbildungspersonal durchführen. Ihnen kann unser Konzept als Anregung zur fachlichen Auseinandersetzung oder als Vorlage für eigene Konzepte dienen.
Ziel der Qualifizierung ist die gemeinsame Erarbeitung neuer Handlungsoptionen für den Ausbildungsalltag. Und zwar nicht nur durch Wissenserwerb, sondern auch durch Perspektivwechsel, Selbsterfahrung und eine Reflexion der eigenen Haltung. Hierfür soll im Rahmen der Fortbildung ein geschützter Raum geschaffen werden, in dem Irritationen und Schwierigkeiten offen angesprochen werden können, um dann gemeinsam Lösungen für eine verbesserte Kommunikation mit den Auszubildenden zu erarbeiten und konkrete Handlungsoptionen für die betriebliche Praxis zu entwickeln.
Welche zentralen Kerninhalte möchte das Konzept vermitteln?
Die Qualifizierung ist berufsübergreifend angelegt und bearbeitet gezielt solche Themenkomplexe, die möglichst unabhängig von Branche und Betriebsgröße für die Praxis relevant sind. In vier Modulen geht es neben der Vermittlung spezifischen Wissens u. a. zu rechtlichen und finanziellen Rahmenbedingungen oder Fördermöglichkeiten auch um sprachliche und kommunikative Aspekte der Ausbildung. Dabei werden nicht nur sprachliche Herausforderungen, sondern auch psychologische, kulturelle und rechtliche Aspekte der Lebenssituation von Geflüchteten berücksichtigt, die Auswirkungen auf ihre Ausbildung haben können.
Mögliche Ursachen von (potenziellen) Konflikten werden differenziert untersucht und kulturelle Zuschreibungen in diesem Zusammenhang als solche erkennbar gemacht. Es geht um eine gemeinsame Reflexion persönlicher Erfahrungen, etwa im Hinblick auf das eigene Rollenverständnis oder individuelle Interpretationsmuster, die in den Interaktionen der Beteiligten wirksam werden können. Die Fortbildung bezieht aktuelle Fragen der Teilnehmenden ein und vermittelt Strategien, die grundsätzlich auch auf andere Situationen übertragen werden können.
Jetzt liegt das Konzept also vor, aber wie erreicht es nun die Zielgruppe?
Das Fortbildungskonzept wurde erprobt, evaluiert und auf Basis der dadurch gewonnenen Erkenntnisse und Erfahrungen überarbeitet. Nach Veröffentlichung des Fortbildungskonzeptes haben wir mit dessen Verbreitung über die Kooperations- und Netzwerkpartner sowie die Kanäle zur Öffentlichkeitsarbeit des BIBB und der Fachstelle überaus begonnen. Zudem wurde es über Multiplikatorinnen und Multiplikatoren in einschlägige Fachkreise, wie das IQ-Netzwerk und das Netzwerk Unternehmen integrieren Flüchtlinge, Beratungsstellen wie die Jugendmigrationsdienste und das Projekt „Stark für Ausbildung“ getragen.
Institutionen, die Fortbildungen zur Vorbereitung und Unterstützung des betrieblichen Ausbildungspersonals bei der Ausbildung von jungen Geflüchteten entwickeln wollen, können dabei nun auf ein qualitativ hochwertiges Konzept zurückgreifen. Dieses ist so angelegt, dass notwendige Anpassungen von Inhalten und Methoden an die jeweiligen Gegebenheiten vor Ort flexibel vorgenommen werden können. Das kann zum Beispiel regionale/lokale Besonderheiten, wie etwa Bevölkerungsstruktur, städtische oder ländliche Region oder die jeweiligen Unterstützungsstrukturen im Themenspektrum vor Ort betreffen, aber auch die jeweilige Zusammensetzung der Teilnehmenden oder Qualifikationen der Dozent_innen. Aufgrund der anspruchsvollen Thematik – es geht nicht allein um Wissenserwerb, sondern auch die Auseinandersetzung mit persönlichen Unsicherheiten und Haltungen – sowie des großen Themenspektrums empfiehlt sich jedoch in jedem Fall eine gezielte Vorbereitung des Fortbildungspersonals auf die Umsetzung. Die beiden mit der Erprobung des Konzeptes beauftragten Bildungsträger, FRESKO e.V. und passage gGmbH, können und sollten diesbezüglich angesprochen werden.
Dauerhaft eingebunden ist das Qualifizierungskonzept im überaus-Dossier Sprache und Kultur. Dort finden sich auch die in der Fortbildung verwendeten interaktiven Videoclips, die die Fachstelle überaus im Rahmen eines früheren BMBF-Projektes entwickelt hat und in denen die Wahrnehmung von Konfliktsituation in der Ausbildung Geflüchteter aus verschiedenen Perspektiven dargestellt wird. Zum anderen werden hier weitere Materialien, wie zum Beispiel der Leitfaden zur Überwindung sprachlicher Hürden, zur Verfügung gestellt.
Wir danken Ihnen für dieses Interview!
Anne Knappe
hat Soziologie, Germanistik und Pädagogik sowie Deutsch als Fremdsprache studiert. Sie arbeitet seit 2017 als wissenschaftliche Mitarbeiterin im Bundesinstitut für Berufsbildung (BIBB). In der Fachstelle Übergänge in Ausbildung und Beruf (überaus) sowie der Servicestelle Jugendberufsagenturen befasst sie sich mit Themen des Übergangs. Im Zentrum ihrer Arbeit steht unter anderem die Frage, wie nicht nur die jungen Menschen, sondern auch die Betriebe vor und während einer Ausbildung bestmöglich unterstützt werden können.
Die Fachstelle überaus
Die Fachstelle überaus ist die Kompetenzstelle im Bundesinstitut Berufsbildung (BIBB) für die Themen rund um den Übergang von der Schule in den Beruf. Die Fachstelle informiert und berät Fachkräfte und Akteure aus Politik, Wissenschaft und Praxis. Ihr Portal bietet unter anderem Hintergrundberichte und Einblicke in die Praxis sowie Materialien zur Unterstützung einer gelingenden Ausbildung.
Website https://www.ueberaus.de
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