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Gleichheit ohne Grenzen

Interview mit Paola Cyment über das Global Mapping Projekt von Organisationen, die zu Gender und Migration arbeiten.

Ziel des Projekts „No borders to equality“ ist, Organisationen, die zum Themenfeld Gender und Migration arbeiten, Sichtbarkeit zu verleihen, sie auf einer interaktiven Weltkarte darzustellen und aus ihrer Arbeit zu lernen. Wir haben mit Paola Cyment gesprochen, die die gemeinsame Initiative des Women in Migration Network und der Friedrich-Ebert-Stiftung koordiniert hat. Paola Cyment ist unabhängige Beraterin mit Expertise in den Bereichen Migration, Gender, Menschenrechte und Entwicklung. 

FES: Sie haben eine globale Bestandsaufnahme von mehr als 300 Organisationen und Netzwerken durchgeführt und 19 Interviews mit Schlüsselpersonen aus Bewegungen und Organisationen, die die Rechte von Frauen in der Migration adressieren, geführt. Auf wen bezieht sich der Begriff „Frauen in der Migration“? 

Paola Cyment: Frauen in der Migration sind nicht nur diejenigen, die migrieren, sondern alle Frauen, die von Migration betroffen sind, also auch diejenigen, die deportiert wurden oder in ihre Herkunftsland zurückgekehrt sind und diejenigen, die zurückbleiben,  wenn ein Familienmitglied migriert. Sie sind ganz wichtige Akteurinnen des Wandels: sie mobilisieren, um ihre eigenen Rechte zu verteidigen, sie kämpfen für ihre eigene Sicherheit und ökonomische Absicherung und die ihrer Familien, und sie sind aktiv in der Zivilgesellschaft.  

Was sind die Lebensrealitäten von Frauen in der Migration? Sind Frauen weltweit mit ähnlichen Problemen konfrontiert?  

Obwohl die Realität jeder einzelnen Frau in der Migration einzigartig und kontextbezogen ist, teilen sie global mehrere Probleme. Beispielsweise sagten mehr als 60 Prozent der befragten Organisationen, dass sie mit Frauen in der Migration arbeiten, die Überlebende von Gewalt sind. Geschlechtsbasierte Gewalt, vielfältige Formen der Diskriminierung, Ausbeutung von Arbeitskräften und Behinderungen beim Zugang zu sozialen Rechten (Bildung, Gesundheitsfürsorge – einschließlich sexueller und reproduktiver Gesundheitsfürsorge –, Wohnungen etc.) sind gemeinsame Probleme, mit denen sie auf der ganzen Welt konfrontiert sind.   

Gibt es regionale Besonderheiten, etwa in Europa? 

Ja, Besonderheiten gibt es in jeder Region. In Europa beispielsweise sind die Situation von Migrantinnen ohne Papieren und die Möglichkeiten für legale, geregelte Migration wichtige Themen und haben tiefgreifende Auswirkungen auf ihr Leben. Frauen ohne Papiere erfahren Isolation, soziale Exklusion und das Risiko, ausgebeutet zu werden. Zudem hat die Kriminalisierung der irregulären Migration die Diskriminierung und die geschlechtsbezogene Gewalt verschlimmert. Aus Angst vor Inhaftierung und Deportation akzeptieren Migrantinnen häufig jegliche Arbeitsbedingungen, was zu mehr Ausbeutung führt.

Wie adressieren zivilgesellschaftliche Organisationen diese Herausforderungen? Worauf konzentrieren sie sich besonders [in Europa]?  

Von den Regionen unserer Befragung ist Europa die einzige, in der die Mehrheit der Organisationen Dienstleister an vorderster Front sind, verglichen mit anderen Regionen der Welt, in denen die Lobbyarbeit auf nationaler Ebene sowie Training im Vordergrund stehen. Die Schwerpunkte europäischer Organisationen sind, Migrantinnen zu helfen, Zugang zu öffentlichen Dienstleistungen zu erlangen, ihnen kostenlosen Rechtsbeistand zu bieten und Überlebende häuslicher Gewalt zu unterstützen. Gleichzeitig plädieren Netzwerke wie die Platform for International Cooperation on Undocumented Migrants (PICUM, Plattform für internationale Kooperation zu Migrant_innen ohne Papieren) für klare Abgrenzungen bzw. Firewalls zwischen der Bereitstellung von Dienstleistungen wie Gesundheitsfürsorge und Bildung einerseits und der Migrationsbehörden andererseits, um zu gewährleisten, dass Dienstleister_innen keine Informationen an Migrationsbehörden weitergeben. Solche Abgrenzungen ermöglichen Migrant_innen ohne Papieren, benötigte Dienstleistungen und ihre sozialen und ökonomischen Rechte ohne Angst vor Inhaftierung oder Deportation in Anspruch zu nehmen.

Sie entwickeln derzeit eine interaktive Online-Karte, auf der Organisationen auf der ganzen Welt, die das Themenfeld Gender und Migration adressieren, zu finden sind. Wofür kann dieses Instrument benutzt werden?  

Es handelt sich um eine interaktive Karte, in der Nutzer_innen Organisationen in ihrer Region finden können, die zu Gender und Migration arbeiten. Wenn sie eine Organisation anklicken, sehen sie eine kurze Beschreibung, die Website und die Kontakt-Mailadresse. Die Karte ist unter http://womenmigrationmap.org/ zu finden.

Und wie können Organisationen sich dort aufführen lassen? 

Organisationen, die der Meinung sind, dass sie zum Themenfeld Gender und Migration arbeiten, sollten mich unter pcyment(at)womeninmigration.org oder unserer zentralen Mailadresse info(at)womeninmigration.org kontaktieren. Wenn sie in der Karte dargestellt werden möchten, bitten wir sie, ein Formular auszufüllen, und wir überprüfen ihre Angaben.   

 

Über das Projekt  

Ziel des Projekts „No borders to equality“ ist, Organisationen, die zum Themenfeld Gender und Migration arbeiten, Sichtbarkeit zu verleihen, sie auf einer interaktiven Weltkarte darzustellen und aus ihrer Arbeit zu lernen. Der Schwerpunkt des Projekts ist eine Bestandsaufnahme von mehr als 300 Organisationen und Netzwerken in der ganzen Welt. Diese haben an einer Online-Befragung teilgenommen und ein Profil der Organisation, der Umstände und Themen der Frauen und Mädchen, mit denen sie im Migrationskontext arbeiten, sowie deren dringendsten Bedürfnisse, die aus der COVID-19-Krise entstehen, bereitgestellt. Das Projekt bietet außerdem wichtige Grundlagen, um die Verbindungen zwischen Organisationen, die sich mit einer Geschlechterperspektive für die Rechte von Migrant_innen einsetzen, zu stärken, und um denjenigen Gruppen, die in anderen Bereichen arbeiten – u.a. Frauenrechte, Arbeitnehmer_innenrechte, Klimagerechtigkeit, Entwicklung und Demokratisierung – eine Perspektive der Migrant_innenrechte nahezubringen. 

Im Ergebnis haben WIMN und FES drei Instrumente entwickelt, die unter http://womenmigrationmap.org/ zu finden sind.  

  • Bericht: „No Borders to Equality: Global Mapping of Organizations Working on Gender and Migration“ („Gleichheit ohne Grenzen: Globale Bestandsaufnahme von Organisationen, die im Überschneidungsbereich von Geschlecht und Migration arbeiten“): Diese Studie analysiert die Realität von Frauen in der Migration in der ganzen Welt sowie der Organisationen, die mit ihnen arbeiten. Hinzu kommen regionale Highlights zu Afrika südlich der Sahara, Nordafrika und dem Nahen Osten, Asien und dem Pazifischen Raum sowie Nord- und Südamerika. Als Grundlage für diese Studie wurden mehr als 300 Organisationen befragt. 

  • Interaktive Datenvisualisierung: Interaktive Grafiken stellen Informationen nach Region und Teilregion bereit, und zwar zu den Profilen der Organisationen, die zum Themenfeld Gender und Migration arbeiten, den Frauen in der Migration, mit denen sie arbeiten, deren Prioritäten sowie ihre Betroffenheit durch COVID-19. 

  • Interaktive Karte von Organisationen: Anhand dieser Karte kann man Organisationen aus aller Welt finden, die das Themenfeld Gender und Migration durch ihre Arbeit, Forschung, Lobbyarbeit und Mobilisierung zu adressieren.  


Friedrich-Ebert-Stiftung
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