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Russlands Angriff auf die Ukraine hat die europäische Sicherheitsordnung in ihren Grundfesten erschüttert. Seither müssen lange gelebte Leitlinien und Überzeugungen hinterfragt werden. Dieser Veranstaltungsrückblick zeigt verschiedene Positionierungen zu der Rolle von Werten in der Außenpolitik auf.
Insbesondere innerhalb der sozialen Demokratie stellen wir uns die Frage, wie unsere Grundwerte und das Streben nach Frieden in einer sich wandelnden Welt die Richtschnur außenpolitischen Handelns bleiben können.
Im Rahmen einer Diskussionsveranstaltung FES in Berlin haben sich im September verschiedene Sprecher_innen dazu positioniert:
In Zeiten des Krieges und nur gemeinsam lösbarer globale Herausforderungen wie Klimakrise, Migrationsbewegungen und Sicherheitsfragen ist Kooperation wichtiger denn je. Dies stellte Heidemarie Wieczorek-Zeul, Entwicklungsministerin a.D., zu Beginn des Forums „Werte in der Zeitenwende. Kompass für eine Welt im Umbruch?“ fest. Dazu müssten Deutschland und die EU ihre eigene Stellung im internationalen System neu ausloten und verstärkt auf Augenhöhe mit Ländern des so genannten „Globalen Südens“ kommunizieren. Mit dem Ziel nachhaltige politische und wirtschaftliche Bündnisse mit Ländern zu stärken, die ebenfalls für gewaltfreie und demokratische Lösungen stehen. Als Orientierung sollte dabei das Prinzip eines „wertegeleiteten Pragmatismus“ herangezogen werden. Ein gutes Beispiel hierfür wäre vor allem die Entwicklung einer ehrlichen Kooperation mit der Afrikanischen Union (AU) – mit gegenseitiger Unterstützung, ohne Doppelmoral und erhobenem Zeigefinger.
Einen solchen Austausch auf Augenhöhe forderte auch Silke Pfeiffer, Leiterin des Referats Menschenrechte und Frieden bei Brot für die Welt, von der Bundesregierung ein. Die Vorstellung, dies schließe ein Engagement für Menschenrechte in den jeweiligen Partnerländern aus, hält sie für verfehlt: „Die vermeintliche Dichotomie von „unseren“ und „deren“ Werten würde ich in Frage stellen. Wenn wir über Menschenrechte reden, reden wir über universelle Werte die sich der überwiegende Teil der Weltgemeinschaft selbst gegeben hat. Dazu gehört ein internationales Menschenrechtssystem, das auf den Prinzipien von Dialog aber durchaus auch Einmischung basiert.“
Das Beispiel Russland, so Pfeiffer weiter, zeige deutlich, dass diese Verantwortung in der Vergangenheit vernachlässigt wurde und eine Förderung von Menschenrechten und zivilgesellschaftlichen Handlungsräumen im Ausland auch im eigenen Interesse der EU und Deutschlands sei.
Peer Teschendorf, Referent für Globale Friedens- und Sicherheitspolitik der Friedrich-Ebert-Stiftung und Moderator des Abends, wies auf mögliche Widersprüchlichkeiten und Zielkonflikte hin, die zwischen einem solchen Eintreten für Menschenrechte und wirtschaftlichen Interessen entstehen könnten.
Dieser Herausforderung solle man laut Thomas Fischer, Leiter der Abteilung Grundsatzangelegenheiten und Gesellschaftspolitik des DGB, mit einem realistischen Blick auf die Internationale Politik begegnen. Die Mehrheit der Staaten weltweit werde von autoritären und illiberalen Regierungen geführt - eine Realität, die Deutschland bis heute nicht akzeptiert habe. Um Kooperation weiterhin zu ermöglichen, so Fischer, sollte Deutschland vehement auf das Völkerrecht als gemeinsamen legalen Nenner pochen – anstatt sich moralisierend als liberalen Staat abzugrenzen. Hierdurch könnte Polarisierung verhindert und Multilateralismus gefördert werden. Gleichzeitig betonte er, dass eine solche Interessenpolitik wertegeleitet erfolgen muss. Problematisch bleibe hierbei etwa die wirtschaftliche Zusammenarbeit mit autoritären Regimen, wie z.B. China und Russland. Vor allem die sozial-ökologische Transformation und der damit einhergehende Ausbau erneuerbarer Energien könnten eine einseitige Abhängigkeit Deutschlands schaffen, welche es dringend zu hinterfragen und langfristig abzubauen gelte.
Doch nicht nur die wirtschaftliche Zusammenarbeit, auch Migrationsabkommen mit autoritären Regierungen wurden an diesem Abend problematisiert. Gesine Schwan, Vorsitzende der Grundwertekommission der SPD, verwies etwa auf die fehlende politische Haltung und die Vernachlässigung sozialdemokratischer Grundwerte in der aktuellen Migrationspolitik. Ein wertegeleiteter Pragmatismus müsse der Politik Grenzen setzen und dürfe nicht zur Kooperation mit jedwedem Partner verleiten. Zudem müssten, so Schwan, dringend langfristige Lösungen gefunden werden, um Fluchtursachen zu bekämpfen, anstatt durch Grenzzäune die weitere ökonomische Entwicklung der jeweiligen Regionen zu blockieren.
Lasse Rebbin, stellvertretender Bundesvorsitzender der Jusos, plädierte im Anschluss hieran vor allem auch für eine menschlichere Asylpolitik im Inland, eine solidarischere Verteilung von Geflüchteten und eine Unterstützung der Kommunen.
Als Fazit lässt sich festhalten: Folgt man dem Kompass sozialdemokratischer Grundwerte, wird schnell deutlich, dass sich Freiheit, Gerechtigkeit und Solidarität in einer Welt im Umbruch nicht allein mit den Mitteln der Außen- und Sicherheitspolitik realisieren lassen. Auch andere Politikfelder wie die Entwicklungs-, Handels-, Umwelt- und globale Steuerpolitik müssen im Rahmen eines vernetzten Ansatzes zusammengebracht werden. Dazu bedarf es weiterhin einer offenen Diskussion über mögliche Zielkonflikte.
Laura Brandt ist Politikwissenschaftlerin und Stipendiatin der Friedrich-Ebert-Stiftung. Sie studierte in Wien, Havanna, Mexiko-Stadt und Berlin, wo sie an der Freien Universität als Lehrassistentin im Bereich Internationale Bezieungen und Politische Theorie unterrichtete. Von September bis Dezember 2023 war sie Praktikantin im Referat Demokratie, Gesellschaft und Innovation der Friedrich-Ebert-Stiftung in Berlin.
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