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Wie Gespräche auf der COP27 Betroffenen der Klimakrise helfen können. Von Flavia Lopes und Nushaiba Iqbal.
Am Mittwoch, dem 19. Oktober, hatte es den ganzen Tag genieselt. Die dreißigjährige Suvarna Vikas Shingda aus dem Dorf Akegavhan in der Nähe der Stadt Palghar im indischen Bundesstaat Maharashtra saß auf der Veranda vor ihrer Hütte.
Einige Tage zuvor hatte ihre Nachbarin ihr mitgeteilt, dass ein Teil ihres nicht ganz einen halben Hektar großen Bauernhofs mitsamt den Feldfrüchten vollständig überschwemmt worden war. Kaum hatte der Regen aufgehört, eilte sie zusammen mit ihrem Ehemann auf das Feld, um so viele Kulturpflanzen wie irgend möglich von dem landwirtschaftlichen Betrieb ihrer Großfamilie zu ernten. Ein wesentlicher Anteil der Nutzpflanzen war jedoch bereits verloren, wie sie uns erzählte.
Auch Samadhan Dongre (40) leidet unter den ungewöhnlichen Wetterveränderungen: „Wenn die Ernte normal ausgefallen wäre, hätte ich in diesem Jahr einen Gewinn von 1.500 Euro erzielen können, aber die Regenfälle haben meine Ernte zerstört“, sagte er. „Ich erwarte einen Verlust von mindestens 600 bis 730 Euro".
Im ägyptischen Scharm-El-Scheich, rund 4.500 km von dem Ort entfernt, an dem Dongre mit uns sprach, treffen sich auf der COP27 die Staats- und Regierungschef_innen der 193 Unterzeichnerstaaten des Übereinkommens von Paris. Sie wollen unter dem Stichwort „Schäden und Verluste“ (Loss and Damage) über die Not und Misere von Betroffenen wie Dongre sprechen.
Normalerweise baut Dongre jedes Jahr Kharif-Feldfrüchte – Sojabohnen und Baumwolle – auf seinem ca. 6,5 Hektar großen Bauernhof an. Im Oktober, wenn sich der Monsun in Indien abschwächt, beginnt er mit der Ernte der Kulturpflanzen. Doch in den letzten Jahren sind die abnehmenden Regenfälle unregelmäßiger geworden, was sich negativ auf Dongres Erntezyklus ausgewirkt hat.
„In einem Viertel der Distrikte in Indien lässt sich eine Trendumkehr beobachten, d.h. eigentlich überschwemmungsgefährdete Flächen werden zu dürregefährdeten Gebieten und umgekehrt“, so Abinash Mohanty, Experte für klimabedingte Risiken und Anpassung an den Klimawandel.
Ungewöhnliche Regenfälle und die daraus resultierenden Schäden werden durch außergewöhnlich heiße Sommer noch verschlimmert. Im Jahr 2022 schädigte ein früh einsetzender und heißerer Sommer als üblich die Weizenernte. „Die Erträge liegen im nordindischen Bundesstaat Punjab wegen der Hitzewelle 15-50 % unter den Erwartungen“, so Ramandeep Singh Mann, Landwirt und Kommentator für landwirtschaftliche Fragen.
Der wirtschaftliche Schaden ist immens, der nichtwirtschaftliche Verlust, lässt sich hingegen in finanzieller Hinsicht gar nicht beziffern. Dongre, dessen Sohn in der 11. und dessen Tochter in der 10. Klasse ist, sparte bisher den Gewinn, den sein Hof abwarf, um seine Kinder zur höheren Ausbildung in die Stadt zu schicken. Er ist sich nicht sicher, ob das jetzt überhaupt noch möglich ist. Die finanziellen Verluste, die er durch die Ernteschäden erlitten hat, könnten den Schulplänen für seine Kinder einen Strich durch die Rechnung machen.
Die Länder des Globalen Südens sind kaum in der Lage, diesen Verlust aus eigener Kraft auszugleichen. Das Rahmenübereinkommen der Vereinten Nationen über Klimaänderungen (UNFCCC) erkennt zwar den Grundsatz der Klimagerechtigkeit an, doch wurde dieser in der Praxis bisher kaum umgesetzt.
Um einem echten Gerechtigkeitssinn näher zu kommen, muss in jeglichen Debatten über Schäden und Verluste auf der COP27 beleuchtet werden, was dies für Shingda, Dongre und andere Betroffene, die die klimabedingten Verluste am meisten zu spüren bekommen, bedeuten würde.
„Aus Sicht der Gemeinschaft fordern wir eine bessere finanzielle Unterstützung für Menschen, die mit den Auswirkungen des Klimawandels konfrontiert sind, da die vorhandenen Mittel nicht ausreichen“, sagte Singh.
In einem im Juni 2022 veröffentlichten Oxfam-Bericht heißt es: „Die benötigten Mittel für humanitäre Maßnahmen der Vereinten Nationen im Zusammenhang mit extremen Wetterereignissen sind heute achtmal so hoch wie vor 20 Jahren.“ Die Geberländer müssten dieser Entwicklung eigentlich Rechnung tragen, was sie bisher nicht tun. „Für je zwei Dollar, die für wetterbedingte Hilfsappelle der VN benötigt werden, stellen die Geberländer nur einen Dollar bereit“, heißt es in dem Bericht.
„Das ist die Art von Verhandlungen über Schäden und Verluste, die wir wollen“, sagte Singh über die Notwendigkeit von Diskussionen zu den Rahmenbedingungen des Umgangs mit Schäden und Verlusten, der Auszahlung von Mitteln zwischen den Ländern, den Kanälen, über die die Mittel bereitgestellt werden sollen, usw. „Aber wenn reiche Länder, wie die USA, die Europäische Union und Norwegen, diese Verhandlungen weiterhin blockieren, wie sollen wir dann diese Gespräche führen?“
Wenn Sie noch tiefer in diese Geschichte eintauchen möchten, finden Sie eine längere am 31. Oktober 2022 veröffentlichte Fassung der investigativen Recherche auf IndiaSpend.
Flavia Lopes ist Reporterin für Umwelt und Klimawandel bei IndiaSpend, einer Datennachrichtenplattform mit Sitz in Indien. Zuvor war sie für Wire, Article 12 und BehanBox tätig. Sie verfügt über einen Abschluss in Konfliktforschung von der London School of Economics. Wenn sie nicht an Geschichten arbeitet, kann man sie beim Kochen, Tagebuchschreiben oder Lernen neuer Sprachen antreffen.
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