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Das Spiel mit der Angst – und wie wir kontern müssen

Wie wir mit Humanität zu einem progressiven Narrativ kommen, wenn Begriffe wie „Sicherheit“ und „Angst“ im Diskurs über Migration allgegenwärtig sind.


Dieser Beitrag von Isabel Knippel ist im Rahmen der Internationalen Konferenz „Migration progressiv ausbuchstabieren“ der Friedrich-Ebert-Stiftung entstanden. Im September 2024 haben wir uns gemeinsam mit internationalen Vertreter_innen aus Politik, Zivilgesellschaft, Medien und Wissenschaft intensiv mit den drängenden Fragen und Herausforderungen menschlicher Mobilität beschäftigt und progressive Antworten darauf formuliert. Lesen Sie hier alle Beiträge dazu!

„Rechtsextreme wollen auf jedes gesellschaftliche Problem den Schleier der Migration legen“, erklärt der Politikwissenschaftler Özgür Özvatan bei der Konferenz „Migration progressiv ausbuchstabieren“ der Friedrich-Ebert-Stiftung. „Unsere Aufgabe ist es, zu entschleiern und zu zeigen, welche gesellschaftlichen und sozialpolitischen Probleme dahinter liegen.“ Folgt man dem, könnten Leistungskürzungen, Grenzkontrollen und Debatten um weitere Asylpolitik-Verschärfungen die falsche Antwort auf die Unzufriedenheit in der Bevölkerung sein.

Was die Antwort der AfD auf Migration ist, zeigte sich unter anderem bei einem Blick nach Brandenburg. Dort verschenkte die AfD-Direktkandidatin in Barnim im Wahlkampf spitz zulaufende Miniwaffen. Das sorgte zwar bei manchen für Entsetzen, trotzdem gewann die AfD in dem Wahlkreis – auch das Direktmandat. Eine Mehrheit wählte die AfD bei der Landtagswahl in Brandenburg aus Überzeugung, dabei spielten vor allem Zuwanderung und innere Sicherheit eine Rolle.

Die Strategie der AfD, erst einen Kontrollverlust zu inszenieren, Tabus zu brechen und die Grenzen des Sag- und Machbaren zu verschieben, verfängt demnach. Grenzkontrollen, die die AfD schon vor Jahren forderte, haben wir nun an den deutschen Außengrenzen. Eine Diskursverschiebung, die bei gefühlter Wahrnehmung und daraus resultierenden Ängsten anfangen und zum Faschismus führen kann.

 

Mehr Zuversicht, Zuhören und Miteinander

 

Ohne naiv auf die Herausforderungen von Flucht und Integration zu schauen, sollten wir uns also abgrenzen vom populistischen Reden über gefühlte Ängste und ein Narrativ mit mehr Zuversicht finden. Einige Rechtsextremist_innen in der AfD wollen ein homogenes, weißes Deutschland erzeugen –und dabei ein vielfältiges Miteinander zerstören.

Die Politik könnte gegensteuern, wenn sie wieder mehr die zu Wort kommen lassen und beteiligt, um die es eigentlich geht: Zum einen geflüchtete Menschen, die mit schwierigen Geschichten und Traumata im Gepäck nach Deutschland kommen und trotzdem versuchen das Beste aus ihrer Situation zu machen. Zum anderen diejenigen, die immer noch als Migrant_innen bezeichnet werden, obwohl sie, ihre Eltern oder Großeltern oft schon seit Jahrzehnten Teil der Gesellschaft sind.

Trotzdem werden sie immer wieder aufgrund ihrer Hautfarbe oder vermeintlicher Herkunftsmerkmale auf Vorurteile reduziert, kämpfen mit Alltagsrassismus. Studien belegen allerdings auch immer  wieder, dass Menschen ihre Vorurteile abbauen können, wo Migrant_innen präsenter sind, wo sie mehr  in Kontakt miteinander treten können.

 

Migrant_innen sind nicht „die Gefahr“, sondern oft „in Gefahr“

 

Dort, wo Migration auf Rechtsextremismus trifft, kann sie zu sozialem Konflikt führen, wie zum Beispiel eine Studie aus Bautzen in Sachsen zeigt. Dort erleben die befragten Geflüchteten, die ungefähr zwei Prozent der Bevölkerung ausmachen, Anfeindungen und Bedrohung im Alltag – die Studie zeigt, wie verbreitet rechtsextremistische Einstellungen sind. Hier sind Migrant_innen also nicht „die Gefahr“, sondern eher „in Gefahr“.

Sicherheitspolitik mit Migrationspolitik gleichzusetzen, kann sich also für Migrant_innen selbst zynisch anhören, solange ihre Sicherheit dabei nicht mitgedacht wird. Eine Maßnahme, die dagegen helfen könnte, ist das Gewalthilfegesetz, für das sich unter anderem Delal Atmaca vom Dachverband für Migrant_innenorganisationen einsetzt.

„Feministische Organisationen fordern seit Generationen einen besseren Schutz vor Gewalt allgemein. Ich würde mir wünschen, dass wir uns Sicherheitspolitik tatsächlich annehmen und sie nicht nur instrumentalisieren, wenn es um Migrationspolitik geht“, sagt sie. Das von der Regierung im Koalitionsvertrag versprochene Gesetz, das Betroffene besser vor Gewalt schützen solle, müsse endlich durchgesetzt werden.

 

Mehr Gehör für Teilhabe und soziale Sicherheit

 

Hier könnte die Politik ansetzen. Gerade sehen wir, dass linksgerichtete Parteien in Deutschland trotz immer mehr auf „Law and Order“ ausgerichteten Diskurs bei Landtagwahlen straucheln. Dass dieser Kurs der SPD nicht nutzen, sondern eher schaden könnte und rechte Parteien nicht schwächt, zeigt unter anderem ein Blick nach Dänemark. Dort hat die Taktik der Sozialdemokratie, rechte Positionen zu übernehmen, laut einer Studie der Friedrich-Ebert-Stiftung nicht zu Erfolg im Kampf gegen rechts geführt und neue Probleme geschaffen.

Wähler_innen, die sich dort für die Sozialdemokrat_innen entschieden, taten das in erster Linie wegen einer progressiven Wirtschaftspolitik und nicht wegen einer restriktiven Migrationspolitik. Die Abschreckungsmaßnahmen führten nicht zu einem Rückgang der Migration, zeitweise gab es sogar mehr Asylanträge von Schutzsuchenden. Für diese haben die Leistungskürzungen dagegen katastrophale Folgen.

Ähnliches könnte sich auch in Deutschland abzeichnen: In der Debatte um das neue Sicherheitspaket warnt unter anderem Pro Asyl davor, dass tausende Asylsuchende nach einer Dublin-Ablehnung auf der Straße landen könnten. Das sei ein Verstoß gegen das Grundgesetz – also eine weitere, überschrittene Grenze.

Aber in der SPD gibt es auch andere Stimmen, die mehr Teilhabe und soziale Sicherheit fordern. Darauf machte die Vorsitzende der Grundwertekommission der SPD, Gesine Schwan, bei der FES-Konferenz aufmerksam: „Wir sollten wieder mehr über Kooperation, über Partnerschaftlichkeit arbeiten.“  Ein kürzlich von der Kommission veröffentlichtes Migrationspapier schlägt unter anderem mehr bezahlbaren Wohnraum und mehr Mitbestimmung zur Lösung sozialer Konflikte vor.


Zur Person

Isabel Knippel ist freie Journalistin, unter anderem für den MDR. Sie recherchiert und schreibt aus Dresden zu politischen, gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Themen. Für die Friedrich-Ebert-Stiftung hat sie verschiedene Veranstaltungen als Live-Bloggerin begleitet. Sowohl durch ehrenamtliches Engagement als auch in ihrem Politik-, Publizistik- und Wirtschaftsstudium hat sie sich schon vielfach mit Asyl- und Integrationspolitik auseinandergesetzt.

Die im Artikel zum Ausdruck gebrachten Meinungen und Äußerungen der Gastautor_innen spiegeln nicht notwendigerweise die Haltung der Friedrich-Ebert-Stiftung wider.


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