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Energiewende | 15. Januar 2024 | Bericht von Harff-Peter Schönherr | Lesezeit: 3 Minuten
Wer die brandenburgische Gemeinde Uckerland beschreiben will, sagt am besten: weites Land. Äcker und Wiesen prägen das Bild im Landkreis Uckermark, Flüsschen und Seen, winzige Ortschaften, hier und da steht ein bisschen Wald. Rund 167 Quadratkilometer ist Uckerland groß. Nur etwa 2.600 Menschen leben in der Gemeinde, das Gebiet ist also fast menschenleer. Aber was sich auf den ersten Blick anfühlt wie das Ende der Welt – nicht viel los außer Landwirtschaft – ist in Wahrheit eine Region mit Vorzeigecharakter: zumindest, was den Ausbau der Regenerativ-Energie angeht.
111 Windkraftanlagen gibt es in Uckerland, die modernsten mit mehr als fünf Megawatt (MW) Leistung und bis zu 200 Meter hoch. Weitere sind in Planung, noch größer. Neun Prozent von Uckerland sind schon heute Windeignungsgebiet. Verglichen mit Brandenburgs Ziel, bis Ende 2032 2,2 Prozent seiner Fläche für Windenergienutzung auszuweisen, ist das immens.
Es ist aber auch eine immense Belastung für die Bürger_innen. „Die Landschaft verändert sich und viele Menschen fühlen sich beeinträchtigt“, sagt Matthias Schilling (SPD), Bürgermeister der Gemeinde, im Gespräch mit VORAN. Schilling ist einer der Wegbereiter dieses Wandels. An die Zeit vor rund 20 Jahren, als die ersten Anlagen in Uckerland installiert wurden, im Ortsteil Milow, erinnert er sich noch gut: „Das hat uns alle sehr bewegt.“
Seither ist viel passiert. Anlage um Anlage kam hinzu. Uckerland ist ein Vorreiter der Windenergieerzeugung, wie Brandenburg generell. Im Bundesvergleich nimmt das Bundesland hier den zweiten Platz ein. Mitte 2023 waren hier 4.010 Windenergieanlagen mit einer installierten Leistung von 8.403 Megawatt am Netz; höhere Werte hatte nur Niedersachsen.
„Es ergeben sich ja auch große Chancen, sowohl für die Kommune als auch für die einzelnen Bürger_innen. Aber natürlich waren bei uns nicht alle begeistert“, räumt Schilling ein. „Noch kommen die Vorteile der Erzeugung erneuerbarer Energien nicht ausreichend bei der Bevölkerung vor Ort an“, sagt der Bürgermeister, dessen Entscheidung, in die Politik zu gehen, „unterschwellig“ auch durch die ersten Windräder in Milow entstand.
Stromkunden in Uckerland beziehen ihre Energie ganz normal aus dem Netz. Und Strom ist in Brandenburg teuer – besonders teuer. Das liegt an den Netzentgelten, den Kosten für den Anschluss der Windräder, die bisher noch auf den Bürger_innen der Regionen lasten, in denen die Energie erzeugt und eingespeist wird.
„Brandenburg gehört zu den Bundesländern, die seit Jahren eine gerechtere Verteilung der Kosten des Ausbaus der erneuerbaren Energien fordern“, sagt Brandenburgs Energieminister Jörg Steinbach (SPD) zu VORAN. „Dazu gehört auch die gerechte Verteilung der Netzentgelte. Es kann nicht sein, dass in den Bundesländern, die den Ausbau der erneuerbaren Energien am konsequentesten vorantreiben, die Verbraucher am Ende die höchsten Stromkosten haben.“
Steinbach erläutert, dass das Eckpunktepapier der Bundesnetzagentur von Ende 2023 zur „sachgerechten Verteilung“ das ändern will. Es räume die Ungleichgewichtigkeit ein, sie habe teils „eine nicht weiter hinnehmbare Dimension angenommen“. Aber bis die gerechtere Verteilung der Kosten auf alle Bundesbürger_innen in Kraft tritt, können noch Jahre vergehen. Steinbach begrüßt die Entgeltverordnungs-Reform der Agentur: „Auch wenn ich mir eine stärkere Entlastung gewünscht hätte, sind diese Vorschläge erstmals ein Schritt in die richtige Richtung.“
Das Ministerium für Wirtschaft, Arbeit und Energie des Landes Brandenburg (MWAE) lobt die Entwicklung von Uckerland: „Der Ansatz der Gemeinde Uckerland, erneuerbare Energien vor Ort zu erzeugen und auch zu nutzen, wird von Seiten des MWAE begrüßt und hat Vorzeigecharakter für andere Kommunen“, sagt MWAE-Sprecherin Irene Beringer. Hervorzuheben sei, dass in der Gemeinde auch andere erneuerbare Energieträger zum Einsatz kommen. Das reicht von der Solarenergie über ein mit Rapsöl betriebenes Blockheizkraftwerk für die Strom- und Wärmeerzeugung bis zur Holzhackschnitzelanlage.
Bis die Reform der Bundesnetzagentur greift, müssen die Uckerländer weiterhin hohe Strompreise zahlen – und zugleich mit den Negativfolgen der Windräder leben, vom Schattenwurf bis zur Lärmentwicklung, von der Bodenverdichtung bis zur Blickverstellung.
Von einer Neuerung aber profitieren die Bürger_innen schon jetzt: vom Windspitzen-Wärmespeicher im Ortsteil Nechlin. Strom heizt hier Wasser auf, und diese Wärme bekommen sie zu günstigen Preisen. Der Speicher, im Prinzip ein Wassertank, ist 1.000 Quadratmeter groß und isoliert. Die Energie dafür stammt vom 800 Meter entfernten Windfeld Nechlin. Heizstäbe mit zwei Megawatt Gesamtleistung heizen den Speicher auf bis zu 93 Grad Celsius auf. So kann ganz Nechlin mit der Energie aus dem Speicher beheizt werden.
Die Förderung des Bundesministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz für den Speicher, einst eine Sonderregelung, ist zwar mittlerweile ausgelaufen. Aber das heißt nicht, dass das Nechliner Prinzip, überproduzierten Strom aus Windkraft für die Wärmenahversorgung zu nutzen, damit tot ist. Wer will, kann das Nechliner Modellprojekt kopieren – in Uckerland ist derzeit für weitere sieben Standorte eine Machbarkeitsstudie in Arbeit.
Die energetische Innovativkraft des 100-Einwohner-Dorfs findet landesweite Beachtung. Für sein Projekt „Nechlin – Ein Dorf voller Energie“ hat es 2016 den Sonderpreis des Energieeffizienzpreises des Landes Brandenburg bekommen, ausgelobt vom MWAE und dem Verband Kommunaler Unternehmen (VKU), Landesgruppe Berlin-Brandenburg.
Aber es bleibt viel zu tun. Die Lichtemission der Warnbefeuerung der großen Windkraftanlagen ist weiterhin eine Belastung. Ihr blinkendes Rot beherrscht den uckerländischen Nachthimmel. Der brandenburgische Windanlagenbetreiber Enertrag, von dem im Uckerland viele Anlagen stammen, hat zwar die „Dark Sky“-Technologie entwickelt: eine Befeuerung, die sich erst anschaltet, wenn sie Transpondersignale von Luftfahrzeugen registriert. Die Versuchsanlagen dafür stehen in Uckerland. Aber bevor sie flächendeckend zum Einsatz kommen, kann noch Zeit vergehen.
Immerhin profitiert Uckerland seit Neuestem nicht nur durch die Gewerbesteuer von den Windkraftanlagen, auch durch einen Vertrag mit Enertrag, der die Gemeinde mit 0,2 Cent pro eingespeister Kilowattstunde beteiligt. Die Energiewende kann sich also lohnen. Demnächst soll es Solarfelder auf Ackerflächen geben: „Da sind wir in den Aufstellungsbeschlüssen“, sagt Schilling. Und vielleicht kommen ja auch noch ein paar Biogasanlagen dazu. Zwei gibt es schon, mit angeschlossenen Wärmenetzen.
Besäße Schilling einen Zauberstab, würden sofort in allen elf Ortsteilen Windspitzenwärmespeicher wie in Nechlin stehen. Es gäbe Stromveredelung durch Zwischenspeicherung. Vor Ort würde grüner Wasserstoff erzeugt. Vor Ort erzeugter Strom käme auch vor Ort aus der Steckdose. Ein grünes Gewerbegebiet entstünde. Wichtig ist Schilling die soziale Gerechtigkeit: „Es kann nicht sein, dass wenige viel verdienen und viele viel erleiden.“
Uckerland wird sich weiter für die Energiewende engagieren. Lob kommt dafür auch vom Deutschen Städte- und Gemeindebund (DStGB) in Berlin. Er schätzt das Engagement der Gemeinde: Eine wichtige Aufgabe des DStGB sei „die Verbreitung von guten Praxisbeispielen in allen kommunalen Bereichen“, sagt Sprecher Alexander Handschuh. Er wertet Uckerland als Wegbereiter: „Zum Gelingen der Energiewende ist der Erfahrungsaustausch mit Vorreiterkommunen umso wichtiger, weil die Transformation verschiedene Lösungsansätze erfordert, die auf die Gegebenheiten vor Ort zugeschnitten werden müssen.“ Hier böten die Bemühungen von Kommunen wie Uckerland eine gute Hilfestellung für andere Gemeinden, die Windkraft ausbauen werden.
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