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Mona Wallraff vom ILS – Institut für Landes- und Stadtentwicklungsforschung zu möglichen Erfolgsfaktoren von Integration am Beispiel Dortmund.
Bild: von ILS gGmbH/Roland Fechter
Bild: 3/365 - Waiting for a Train? von Marius Eisenbraun lizenziert unter CC BY-ND 2.0
FES: In ihrer Studie nehmen Sie die kommunale Integrationspolitik Dortmunds in den Blick. Was sind die zentralen Ergebnisse der Studie?
Wallraff: Integrationspolitik spielt für Großstädte mit einer langen Zuwanderungstradition eine zentrale kommunalpolitische Rolle. Dies trifft auch auf die Stadt Dortmund zu, im Zuge der prosperierenden Stahlindustrie kam es bereits zum Zuzug von Menschen aus Polen und Schlesien.
Die Stadt Dortmund verfügt über ein diversitätsgeleitetes Integrationsverständnis. Die Ermöglichung von Teilhabe an der Dortmunder Stadtgesellschaft als integrationspolitische Leitlinie hat zu einem gesamtstädtischen positiven Verständnis von Integration beigetragen. Es existierten bereits etablierte Strukturen und Netzwerke, die kurzfristig aktiviert und eingebunden werden konnten, sodass während der verstärkten Fluchtzuwanderung nur wenige gesonderte Strukturen geschaffen werden mussten.
Gibt es so etwas wie Erfolgsfaktoren für Integration? Was können wir von Dortmund lernen?
Die Ausgangsbedingungen sind in den Städten und Gemeinden sehr unterschiedlich. Grundsätzlich sollte jede Kommune eigene Lösungen für die spezifischen Herausforderungen vor Ort finden. Aber dennoch gibt es einige Aspekte, die sich bewährt haben.
Starke Quartiere bilden das Fundament einer gelingenden Integration und bedürfen daher stabilisierender Strukturen. Die Stadt Dortmund erkennt die Integrationsleistungen ihrer Quartiere an und stärkt diese u. a. mit dem Integrationsnetzwerk „Lokal willkommen“. Im Rahmen dessen wurden lokale Integrationsteams etabliert, die gemeinsam von der Stadt und Wohlfahrtsverbänden getragen werden und sich auf die Bedarfe der dezentral in Wohnungen versorgten Geflüchteten fokussieren. So wird bedarfsorientierte Unterstützung bei der Alltagsgestaltung und Integration im neuen Wohnumfeld geboten. Nach einer erfolgreichen Pilotphase in zwei Stadtbezirken wird das Integrationsnetzwerk aktuell schrittweise auf andere Stadtbezirke ausgeweitet.
Die Stadt Dortmund verfügt ferner über eine aktive und gut vernetze Zivilgesellschaft. Viele Menschen engagieren sich in Vereinen. Dies spiegelt sich auch im starken Engagement für Geflüchtete wider. Zudem ist die Einbindung von Migrant_innenselbstorganisationen ein zentrales Element der städtischen Integrationspolitik.
Bereits seit 2008 besteht der „Verbund sozial-kultureller Migrantenvereine DO“ (VMDO), welcher als Dachverband die Ressourcen und Kompetenzen von ca. 60 Migrant_innenselbstorganisationen bündelt und die kommunale Integrationspolitik aktiv mitgestaltet. Die Stadtverwaltung bindet Akteure wie den VMDO ein und nutz das spezifische Wissen vor Ort. Zugleich erfahren die integrationspolitischen Akteurinnen und Akteure so eine Wertschätzung und Aufwertung ihrer Bedeutung für die Kommune.
Seit der Erstellung der Studie sind zwei Jahre vergangen. Was hat sich seitdem verändert?
Zum Zeitpunkt der Studie lebte ein Großteil der Geflüchteten noch in temporären zentralen Einrichtungen. Die meisten dieser Unterkünfte wurden inzwischen aufgelöst. Es ist der Stadt Dortmund gelungen, die Mehrzahl der Geflüchteten dezentral in Wohnungen unterzubringen.
Allerdings war die Nachfrage nach Wohnungen im unteren Preissegment bereits zuvor angespannt. Die Konkurrenz zwischen verschiedenen Bevölkerungsgruppen um preisgünstigen Wohnraum hat demzufolge weiter zugenommen. Die neuen Bedarfe haben daher Impulse zur Weiterentwicklung des sozialen Wohnungsbaus gegeben. Zudem besteht eine Diskrepanz zwischen dem Ideal der gleichmäßigen Verteilung der Geflüchteten auf das Stadtgebiet und der tatsächlichen Umsetzung auf dem Wohnungsmarkt.
In der Studie schreiben Sie, dass „möglichst keine gesonderten Strukturen für die Integration von Geflüchteten geschaffen, sondern die bestehenden Netzwerke und Angebote den neuen Gegebenheiten angepasst“ wurden. Können Sie uns hier ein Beispiel geben?
In Dortmund wurde unter anderem das etablierte Wohnraumvorhalteprogramm, welches ursprünglich für andere Bedarfsgruppen wie Wohnungslose gedacht war, im Jahr 2016 für Geflüchtete erweitert. Es wurden somit primär keine neuen Strukturen geschaffen, sondern kommunale Angebote und Programme überprüft und weiterentwickelt und die Gruppe der Geflüchteten wurde in das bestehende Angebot integriert.
Wie bewerten Sie vor diesem Hintergrund die aktuell in der Diskussion stehenden Anker-Zentren?
Wissenschaftliche Studien zeigen, dass sich die Isolation von Geflüchteten hinderlich auf die Integration auswirkt. Bereits in den 1990er Jahren wurden schlechte Erfahrungen mit der Unterbringung von Geflüchteten in Massenunterkünften gemacht. Durch den fehlenden Kontakt zur hier lebenden Bevölkerung wird u. a. der Spracherwerb und die Partizipation am Bildungswesen bzw. Erwerbsleben extrem erschwert oder gar verhindert. Darüber hinaus besteht oftmals kein Zugang zu sozialen und rechtlichen Beratungsangeboten.
Die Kommunen haben gute Erfahrungen mit der dezentralen Unterbringung von Geflüchteten, auch bereits während der Asylverfahren, gemacht. Durch die dezentrale Unterbringung wird der Kontakt zwischen den Geflüchteten und den hier lebenden Menschen begünstigt und dies wirkt sich förderlich auf die Integration auf. Daher ist aus wissenschaftlicher Perspektive von der Einrichtung von Anker-Zentren abzuraten, da es sich um eine kurzsichtige Maßnahme mit langfristen gesellschaftlichen Folgen handelt.
Die Studie ist enthalten in "Flucht, Transit, Asyl. Interdisziplinäre Perspektiven auf ein europäisches Versprechen", dass im Dietz-Verlag unter Mitherausgeberschaft von Referent_innen der FES-Studienförderung erschien.
Ein Beitrag von Miguel Vicente, Beauftragter für Migration und Integration der Landesregierung Rheinland-Pfalz.
Eine Einschätzung von Johannes Moll, Mitarbeiter des Diakonischen Werkes Heidelberg im Ankunftszentrum.
Warum Transitlager abgeschafft werden müssen und nicht als Vorbilder für AnKER-Zentren taugen
Lars Castellucci, Sprecher der Querschnitts-AG "Migration und Integration" der SPD-Bundestagsfraktion über aktuelle politische Herausforderungen.
Gutes Zusammenleben kann nicht gelingen, wenn man einander nicht versteht. Dagegen helfen Sprach- und Integrationsmittler_innen.
Ein neues Gutachten trägt die Erfahrungen von über 100 Kommunen bei der Integration von Geflüchteten zusammen.
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