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Warum Transitlager abgeschafft werden müssen und nicht als Vorbilder für AnKER-Zentren taugen
Bild: Massenunterkunft in Manching/Ingolstadt, Eingang der Max-Immelmann-Kaserne von Infomobil-Team
Schon im Herbst 2015 wurden in Manching/Ingolstadt und Bamberg große Lager für Geflüchtete errichtet, die „Ankunfts- und Rückführungseinrichtungen“ (ARE). Anfangs waren diese Einrichtungen nur für Personen aus den „sicheren Herkunftsländern“ Südosteuropas gedacht, aber die Zielgruppe wurde bald ausgeweitet.
In die seit 2017 auch als „Transitzentrum“ bezeichnete Einrichtung in Manching/Ingolstadt und zwei weitere, neue „Transitzentren“ in Regensburg und Deggendorf kommen inzwischen auch Asylsuchende aus Afghanistan, Äthiopien, oder Nigeria. Was sie dort erwartet, sind nicht die von der Politik versprochenen beschleunigten Verfahren, sondern eine lange Liste an Problemen – von zum Teil rechtswidrigen Restriktionen über unfaire Asylverfahren bis hin zu gewaltsamen Übergriffen des Security-Personals.
Für die Bewohner_innen ist das Leben in den Transitlagern von Einschränkungen geprägt. Während Erwachsene nicht arbeiten oder eine Berufsausbildung beginnen dürfen, ist für die Schulbildung der Kinder eine „Lagerschule“ vorgesehen, an der nur ein sogenannter Übergangs- bzw. Ü-Klassen-Unterricht - ein an die Unterrichtsfähigkeit hinführender Sprachunterricht - angeboten wird. Die Asylsuchenden dürfen das Lager zwar verlassen, erleben aber harsche Anwesenheits- und Eingangskontrollen und unterliegen der Residenzpflicht. Dazu kommt, dass Ehrenamtliche oder Beratungsorganisationen nicht oder nur unter hohen Auflagen auf das Gelände dürfen. Diese Gemengelage führt dazu, dass die Asylsuchenden weitgehend von der Außenwelt abgeschnitten sind.
Die Transitlager sind so angelegt, dass das gesamte Asylverfahren vor Ort stattfinden kann. Die Asylsuchenden haben aber wegen zahlreicher Einschränkungen kaum Zugang zu rechtlicher Unterstützung. Auf dem Gelände der Lager ist die Zentrale Ausländerbehörde, eine Außenstelle des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge (BAMF) sowie eine Stelle des zuständigen Verwaltungsgerichts, wo gegen einen ablehnenden Bescheid geklagt werden kann. Allerdings ist es für die Geflüchteten fast unmöglich, sich unabhängig beraten zu lassen. Das liegt unter anderem daran, dass die Anhörung durch das BAMF oft wenige Tage nach der Einweisung durchgeführt wird. Regelmäßig bekommen die Betroffenen allein schon wegen der Kürze der Zeit keine Verfahrensberatung. Nur in Ingolstadt und Bamberg ist je eine Anwältin vor Ort, andere Rechtsbeistände können die Betroffenen auch wegen ihrer eingeschränkten Bewegungsfreiheit oft nicht erreichen. Ein faires Asylverfahren ist hier von Beginn an nicht gegeben.
Darüber hinaus werden die Rechte der Geflüchteten in den Zentren immer wieder verletzt und müssen vor Gericht eingeklagt werden. Beispielsweise wird den Insass_innen – etwa nach Erhalt eines Dublin-Bescheids – häufig rechtswidrig der Barbetrag gestrichen. Zum einen brauchen die Menschen das Geld, um zum Beispiel ergänzende Nahrung für Kinder zu kaufen, die das Kantinenessen nicht vertragen. Vor allem sind sie ohne Geld aber auch nicht in der Lage, eine anwaltliche Vertretung zu bezahlen. Erst nach sieben Einzelklagen gegen diese Praxis lenkte das Sozialamt Bamberg ein und will den Barbetrag wieder auszahlen.
Auch der Besuch einer Regelschule für Kinder, die schon Deutsch sprechen, musste gerichtlich durchgesetzt werden. Diese Verfahren sind nur möglich, weil Ehrenamtliche und Mitarbeiter_innen des Bayerischen Flüchtlingsrats trotz aller Schikanen kontinuierlich den Kontakt zu Insass_innen suchen, um über die Verhältnisse in den Lagern informiert zu sein.
Darüber hinaus ist das Verhältnis zwischen Geflüchteten und Security-Angestellten in den Transitzentren deutlich angespannt. Gegen Mitarbeiter_innen der Security-Firma in Bamberg laufen Ermittlungsverfahren wegen gewalttätiger Übergriffe und Körperverletzung. In Manching/Ingolstadt werden Geflüchtete bei Zimmerkontrollen oder Kontrollen an der Pforte oder Kantine regelmäßig eingeschüchtert. Eine Möglichkeit, sich dagegen zur Wehr zu setzen, gibt es nicht. Beinah täglich kommt es zu Polizeieinsätzen wegen Konflikten zwischen Insass_innen oder Insass_innen und Security oder Verwaltungsangestellten.
Die Spannungen lassen sich auch als Ergebnis einer umfassenden Einschüchterung der Menschen in diesen Lagern deuten. Sehr häufig kommt es zu nächtlichen Abschiebeversuchen. Neben Abschiebungen ins Herkunftsland sind dies vor allen Dingen Abschiebungen nach der Dublin III Verordnung. Die nächtlichen Polizeieinsätze erschrecken alle Insass_innen. In Ingolstadt haben Geflüchtete sogar eine Nachtwache eingerichtet, die warnt, wenn die Polizei kommt. Viele der Insass_innen sind wegen des Vorgehens der Polizei mit den Nerven am Ende, auch die Kinder leben in diesem allgegenwärtigen Bedrohungsszenario. In einem solchen Umfeld können Konflikte leicht eskalieren.
Zu dieser Situation innerhalb der Lager kommt auch eine angespannte Situation mit der Nachbarschaft. Die großen Lager machen Angst und schüren Vorurteile und Rassismus in den angrenzenden Wohngebieten.
Mit Blick auf die bayrischen Transitzentren drängt sich der Verdacht auf, dass es um Segregation und Abschreckung der Asylsuchenden geht, nicht um die Beschleunigung der Verfahren, die praktisch genauso lang dauern wie in anderen Unterkünften. Tatsächlich flüchtet ein beachtlicher Teil der Insass_innen aus den Zentren, geht in die Illegalität oder in andere EU-Staaten. Wer es in den Lagern aushält, nach Monaten doch eine positive Asylentscheidung bekommt und damit ausziehen dürfte, bekommt keine Unterstützung. Vielfach leben auch Anerkannte noch monatelang im Lager. Wenn bislang Schulen und Betriebe davon schwärmen, dass Geflüchtete Enthusiasmus und Lernwillen mitbringen – nach einer solchen Lagererfahrung dürfte es damit nicht mehr weit her sein.
Autor
Dr. Stephan Dünnwald ist Mitarbeiter im Bayerischen Flüchtlingsrat und Mitglied im Labor für kritische Migrations- und Grenzregimeforschung.
Eine Einschätzung von Johannes Moll, Mitarbeiter des Diakonischen Werkes Heidelberg im Ankunftszentrum.
Mona Wallraff vom ILS – Institut für Landes- und Stadtentwicklungsforschung zu möglichen Erfolgsfaktoren von Integration am Beispiel Dortmund.
Im Libanon müssen syrische Geflüchtete ohne offiziellen Flüchtlingsstatus leben. NGOs, Regierung und Geber setzen sich für ihre Bildungschancen ein.
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