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Wir sprachen mit Ildikó Pallmann von der „Fachstelle Einwanderung“ im IQ-Netzwerk über die Arbeitsmarktintegration geflüchteter Frauen.
Bild: Ildikó Pallmann von Minor
FES: In der letzten Zeit arbeitet Ihre Fachstelle verstärkt zur Zielgruppe „Frauen“ und der Frage, wie ihre Integration in den Arbeitsmarkt gelingen kann. Sind geflüchteten Frauen bei der Diskussion um das Thema „Arbeitsmarktintegration von Geflüchteten“ bisher vergessen worden?
Ildikó Pallmann: Zumindest wurden sie bisher kaum wahrgenommen. Das öffentliche Bild der Fluchtmigration der letzten Jahre bestimmten vor allem junge Männer, Frauen spielten dabei, wenn überhaupt, nur eine untergeordnete Rolle. Dabei steigt der Anteil der Frauen, die einen Asylerstantrag stellen seit 2015 kontinuierlich an. Mittlerweile machen die Frauen, laut der aktuellen Statistik des BAMF, ca. 43 % der Antragstellenden aus. Davon ist mehr als die Hälfte über 16 Jahre alt und steht damit dem Ausbildungs- und Arbeitsmarkt potentiell zur Verfügung. Von den relevanten Arbeitsmarktakteur_innen werden geflüchtete Frauen dennoch kaum als Zielgruppe erkannt.
Und das, obwohl der Großteil der Frauen hochmotiviert ist, am deutschen Arbeitsmarkt zu partizipieren. Viele von ihnen verfügen über höhere Bildungsabschlüsse und mehrjährige Berufserfahrung aus ihren Herkunftsländern, auch wenn der Anteil letzterer im Vergleich zu dem der Männer geringer ist. Viele Frauen haben außerdem während ihrer Flucht in sogenannten Transitländern gearbeitet. Und auch unter den Frauen, die bisher noch nicht berufstätig waren bzw. denen der Zugang zu Bildung bisher verwehrt wurde, sind viele, die sich in Deutschland eine berufliche Zukunft aufbauen möchten.
Die aktuellen Arbeitsmarktzahlen der Bundesagentur für Arbeit spiegeln dies jedoch so nicht wieder. Im Vergleich zu männlichen Geflüchteten machen geflüchtete Frauen nur einen sehr geringen Anteil von knapp 13 % der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten aus. Warum dies so ist, dazu gibt es bisher kaum Erkenntnisse. Sehr häufig wird diese Situation vorrangig darauf zurückgeführt, dass viele geflüchtete Frauen kleine Kinder haben und deshalb noch nicht wieder arbeiten wollen oder können. Auch wenn dies für einen Teil der Frauen zutreffen mag, greift diese Erklärung aus der Erfahrung unserer Arbeit zu kurz.
Welche spezifischen Hürden müssen geflüchtete Frauen nehmen, um ihren Weg in den Arbeitsmarkt zu finden?
Generell ist zu beachten, dass geflüchtete Frauen eine äußerst heterogene Gruppe darstellen und demnach nicht alle allein wegen ihres Fluchthintergrundes mit denselben Herausforderungen konfrontiert sind. So haben Frauen, die in ihrem Herkunftsland z. B. als Ingenieurin gearbeitet haben und dies in Deutschland gern wieder tun würden, andere Hürden zu überwinden, als Frauen, die bisher noch gar nicht berufstätig waren, nur die Grundschule besucht haben und hier gern einen Beruf erlernen würden. Frauen mit kleinen Kindern sind mit anderen Problemstellungen konfrontiert als alleinstehende Frauen ohne Kinder. Weitere relevante Faktoren sind die aufenthaltsrechtliche Situation, das Alter sowie der Wohnort (städtischer vs. ländlicher Raum) der jeweiligen Person.
Die Herausforderungen geflüchteter Frauen auf dem Arbeitsmarkt Fuß zu fassen, ergeben sich aus der Kumulation verschiedener Faktoren. Hierzu zählen z. B. die Art und Dauer der Erwerbserfahrung aus dem Herkunftsland, der Zugang zu Sprach- und Integrationsangeboten, der Prozess der Anerkennung beruflicher Qualifikationen aus dem Herkunftsland, unzureichende Kenntnisse der Strukturen und Funktionsweise des deutschen Arbeitsmarkts, eine unsichere aufenthaltsrechtliche Perspektive oder familiäre Verpflichtungen.
Dazu kommt nicht selten der Aspekt der Mehrfachdiskriminierung, von der geflüchtete Frauen in Deutschland und anderen europäischen Ländern besonders betroffen sind, z. B. die Diskriminierung als Frau, die zusätzlich durch die Diskriminierung als Migrantin und/oder Geflüchtete verstärkt wird [1]. Diese Verkettung verschiedener Herausforderungen führt dazu, dass geflüchtete Frauen auf dem Arbeitsmarkt eine besonders vulnerable Gruppe darstellen.
Ihrer Einschätzung nach: Inwiefern sind die Anlaufstellen, die Geflüchtete auf ihrem Weg in den Arbeitsmarkt begleiten sollen, auf die zusätzlichen Herausforderungen, die sich vielen Frauen stellen, eingerichtet?
Insgesamt scheinen die meisten Anlaufstellen, die geflüchtete Menschen im Rahmen der Arbeitsmarktintegration unterstützen sollen, ebenso wie die damit verbundenen Regelstrukturen, geflüchtete Frauen noch nicht direkt im Blick zu haben. Ihre Erreichung gilt, im Gegensatz zu der männlicher Geflüchteter, zumeist als schwierig. Dies lässt sich auch im Förderprogramm IQ beobachten. Zwar ist die Anzahl der Personen mit Fluchthintergrund in den letzten drei Jahren sowohl in der Anerkennungs- und Qualifizierungsberatung als auch in den Qualifizierungsmaßnahmen kontinuierlich angestiegen. Der Frauenanteil blieb dabei jedoch insgesamt gering.
U. a. aus diesem Grund wurden in einigen IQ Landesnetzwerken spezifische Angebote für geflüchtete Frauen geschaffen, die teilweise mit neuen Ansätzen arbeiteten, um die Zielgruppe besser zu erreichen. So waren sie z. B. aufsuchend tätig und boten ihr Angebot in Gemeinschaftsunterkünften oder in Frauencafés an. Zusätzlich arbeiteten sie eng mit anderen Akteuren vor Ort zusammen, die bereits Zugang zu der Zielgruppe hatten. Damit auch Frauen mit kleinen Kindern von dem Angebot profitieren konnten, wurde nach Möglichkeit auch eine Kinderbetreuung angeboten.
Aufgrund der Praxiserfahrungen der einzelnen Projekte wird der Bedarf an spezifischen Angeboten für Frauen deutlich. Das heißt allerdings nicht, dass ausschließlich geschlechtsspezifische Angebote bereitgestellt werden sollten, um die Zielgruppe besser zu erreichen. Vielmehr muss generell in allen Projekten und Angeboten sichergestellt werden, dass Frauen als Zielgruppe mitgedacht werden. Entscheidend ist, dass geflüchtete Frauen in der Projektförderung und am Arbeitsmarkt als Zielgruppe wahrgenommen und sichtbar gemacht werden. Um ihre Teilhabe am Arbeitsmarkt zu verbessern, müssen ihre individuellen Lebenslagen, Bedarfe und Kompetenzen genauer erfasst und verstärkt berücksichtigt werden.
Wir haben bisher viel über die Probleme und besonderen Herausforderungen gesprochen, die sich geflüchteten Frauen beim Thema Arbeitsmarktintegration stellen. Gibt es aber nicht vielleicht auch den ein oder anderen Vorteil, den geflüchtete Frauen im Vergleich zu geflüchteten Männern bei der Suche nach einem Arbeitsplatz haben?
Hierzu gibt es aus unserer Sicht keine verallgemeinernde Antwort. Zu unterschiedlich sind die Situationen, in denen die betroffenen Personen sich befinden. Generell positiv bezüglich der Arbeitsmarktintegration ist die hohe Motivation und Offenheit geflüchteter Frauen, in Deutschland beruflich tätig zu werden und dabei auch neue Wege zu gehen. Schnell Geld zu verdienen scheint bei ihnen weniger im Vordergrund zu stehen, als bei geflüchteten Männern, viele wünschen sich stattdessen eine Arbeit, die ihren Qualifikationen und Interessen entspricht. Langfristig betrachtet sind dies sehr gute Voraussetzungen für eine nachhaltige Arbeitsmarktintegration zu fairen Bedingungen. Doch braucht so ein Prozess Zeit und kann nicht nach einem einheitlichen Schema für alle gestaltet werden.
[1] Castellà, H., 2017: The situation of refugee women in Europe, the Spanish state and Catalonia. Brüssel.
FES-Publikation zum Thema:
Fendel, Tanja
Tanja Fendel. - Bonn : Friedrich-Ebert-Stiftung, Abteilung Wirtschafts- und Sozialpolitik, 2019. - 4 Seiten = 60 KB, PDF-File. - (WISO direkt ; 2019,02)Electronic ed.: Bonn : FES, 2019ISBN 978-3-96250-257-7
Zum Download (PDF) (60 KB, PDF-File)
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