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Von Petra Keller und Sarah Gräf
Über Geld spricht man nicht – oder doch? Im Non-Profit-Sektor verfolgen Organisationen vorrangig soziale und gemeinnützige Ziele. Die Gehaltsmodelle unterscheiden sich daher oft von jenen gewinnorientierter Unternehmen. Für Mitarbeitende steht in der Regel die Motivation, einer sinnstiftenden Tätigkeit nachzugehen, im Vordergrund – nicht das Gehalt, das in der freien Wirtschaft oft höher ausfällt. Dennoch wollen auch hier Mitarbeitende fair entlohnt werden. Je nach Organisation und finanzieller Lage variieren die Vergütungsmodelle, etwa gleiches Gehalt für alle, stufenbasierte Entlohnung oder leistungsorientierte Vergütung.
In diesem Thema im Fokus diskutieren wir, wie eine gerechte und transparente Entlohnung aussehen kann. Wofür steht New Pay und welche nicht-monetären Vorteile können trotz begrenzter finanzieller Ressourcen zusätzliche Anreize schaffen? Welche Bedeutung hat das Ehrenamt in Zusammenhang mit Vergütung?
New Pay umfasst neue Vergütungsmodelle, die auf Fairness, Transparenz, Selbstverantwortung, Partizipation, Flexibilität, Gemeinschaftssinn und kontinuierlichem Lernen beruhen. Diese Modelle sollen die Organisationskultur stärken und Gerechtigkeit fördern. New Pay berücksichtigt gleichermaßen die Bedürfnisse der Organisation und der Mitarbeitenden und vereint sie in wertschätzenden Gehalts- und Entwicklungsprozessen. Es hinterfragt Entlohnungsformen und Vergütungsprozesse hinsichtlich ihres Beitrags zu Personalentwicklung, Motivation, Wertschöpfung, Wirtschaftlichkeit und Nachhaltigkeit.
Das Netzwerk New Pay will Menschen und Organisationen dabei helfen, neue Vergütungsmodelle zu reflektieren und zu entwickeln.
Auf der Webseite der Bewegung finden sich u.a. ein Blog mit Geschichten und Zukunftsvisionen und ein Podcast mit Stimmen aus Wirtschaft, Kultur und Politik. Das Buch "New Pay – Alternative Arbeits- und Entlohnungsmodelle" und das Praxisbuch "New Pay Journey" bieten Anleitungen zur Gestaltung und Umsetzung neuer Vergütungsstrukturen.
Viele große NPOs vergüten ihre Mitarbeitenden ähnlich wie Unternehmen in anderen Branchen. Dennoch fallen die Gehälter im gemeinnützigen Sektor insgesamt niedriger aus. Das liegt unter anderem daran, dass die gemeinnützige Ausrichtung nicht mit Gewinnstreben vereinbar ist. Der Aspekt der Sinnstiftung soll oft ein niedriges Gehalt ausgleichen. In vielen Organisationen wird auch ehrenamtliches Engagement erwartet, etwa bei abendlichen Vereinssitzungen. NPOs haben oft Schwierigkeiten, hohe Gehälter zu zahlen, da sie sich aus Spenden und Fördermitteln finanzieren. Weitere Besonderheiten:
André Pollmann, Branchenkoordinator Bereich Weiterbildung, ver.di Bundesverwaltung:
„NPOs stehen bezüglich ihrer Fördergelder häufig in Konkurrenz zueinander. Wenn sie projektbasiert gefördert werden, kann alles, was monetär ins Hauptamt geht, nicht in die eigentlichen Maßnahmen fließen. Eine Organisation, die sich beispielsweise am Tarifvertrag des Öffentlichen Dienstes bindet, kann dann beispielsweise nicht so viele Veranstaltungen organisieren, wie eine Organisation, die diese Bindung nicht hat und geringer vergütet. Es entsteht so ein völlig ungesunder Wettbewerb. Diese Diskrepanz darf aus unserer Sicht nicht den Ausschlag geben, wer welche Mittel bekommt, um wichtige gesellschaftliche Aufgaben zu vollziehen."
Im Unlearn Business Lab kommt eine vielfältige Gruppe von Menschen aus Unternehmen, Forschung und Aktivismus zusammen, die Alternativen für eine gerechte und regenerative Wirtschaft entwickeln wollen.
Mit Irmela Sinkewitsch und Nancy Koch sprechen wir über New Pay, Vergütung in NPOs und die Schwachstellen aktueller Modelle. Was verstehen sie unter fairer Vergütung? Worauf sollten NPOs achten, wenn sie etwas ändern wollen?
Das Unlearn Business Lab (siehe Interview) hat ein privilegienbasiertes Vergütungsmodell entworfen, das auf sozialen Aspekten basiert. Das Modell kann in verschiedenen Abstufungen erfolgen, von radikalen bis zu abgeschwächteren Versionen. Ein Basisgehalt wird dabei erweitert oder umverteilt, je nach individueller Bedarfslage.
Die Bedarfslage wird in vier Schritten ermittelt:
Mit einem umfangreichen Privilegiencheck als Tool zur Selbstreflexion wird zunächst ein Empathiebewusstsein für verschiedene Lebensrealitäten geschaffen. Im Fokus stehen die sozialen Kategorien, z.B. Geschlechtsidentität, sexuelle Orientierung, Rassifizierung, Gesundheit, Behinderung, Religionszugehörigkeit und sozioökonomischer Status.
Die zweite Säule ist der Finanzcheck. Da geht es um Rücklagen, Kapital, Eigentumswohnungen, die Aussicht auf Erbe, Schulden, Familie, die im Ausland mitunterstützt wird etc.
Die dritte Säule ist der Kapazitätscheck bzw. Carecheck. Dazu gehört Kinderbetreuung, Pflege einer angehörigen Person aber eben auch die Selbstfürsorge. Also wenn Personen zum Beispiel einen erhöhten Selbstsorgeaufwand aufgrund ihrer Behinderung haben oder eine Therapie machen oder regelmäßig zum Arzt müssen. Soziales oder politisches Engagement gehört auch dazu.
Die letzte Säule ist ein Bedarfscheck als zusätzliches Element. Hier wird berücksichtigt, dass eine Person vielleicht in einer sehr speziellen Lebenssituation ist und eventuell gerade viel mehr Geld benötigt als das, was bei der Kalkulation rausgekommen ist.
Die Gehaltsspreizung bezeichnet die Differenz zwischen den höchsten und niedrigsten Gehältern innerhalb einer Organisation. Große Gehaltsunterschiede zwischen Führungskräften und Mitarbeitenden können besonders in NPOs Spannungen erzeugen: Wenn ein niedriges Gehalt mit Sinnstiftung gerechtfertigt wird, lässt sich ein deutlich höheres Gehalt schwer erklären.
In der Gemeinwohl-Ökonomie gilt eine Gehaltsspreizung von 1 zu 5 als angemessen. Das bedeutet, die Geschäftsführung darf höchstens fünfmal so viel verdienen, wie der am schlechtesten bezahlte Job in der Organisation vergütet wird.
„Ich finde es wichtig, dass sich die Beschäftigten auch autonom ohne Führungskräfte treffen. So können sie sich in ihrer Rolle als Beschäftigte oder Ehrenamtliche austauschen und absprechen. Denn es gibt immer Hierarchien, auch wenn die Organisationskultur sehr familiär und offen ist. Führungskräfte haben eine eigene Rolle, eigene Interessen und diese formen auch die Lösungen, wenn Konflikte beispielsweise in einer Teamsitzung gemeinsam besprochen werden. Am Ende ärgern sich die Beschäftigten dann vielleicht allein – jede*r für sich. Solch ein autonomes Treffen muss kein Affront oder Tabu sein. Es gibt im Team eben unterschiedliche Rollen und die Leitungspersonen treffen sich ja auch, um sich abzusprechen. Die Beschäftigten müssen ihre Interessen eigenständig formulieren können. Danach kann auch an einem Tisch verhandelt werden aber nicht unter der Imagination, dass wir hier alle gleich wären. Das kann nur in Bezug auf die Werte gelten, die man teilt. Aber nicht auf die Interessen bezüglich Arbeitsbedingungen, Arbeitszeit, Homeoffice und Gehaltsgestaltung. Es geht in den Diskussionen dann eben nicht mehr nur um Effektivität und Gelingen, sondern auch um Anerkennung, Gerechtigkeit und Fairness. Das ist die Logik von Interessenvertretungen, von Gewerkschaft und Betriebsräten.“
Bei fehlenden Mitteln gewinnen alternative Entlohnungsmodelle und nicht-monetäre Anreize an Bedeutung, die die Attraktivität der Arbeitsstelle erhöhen können. Einige Beispiele:
Flexibilität bei der Arbeitsgestaltung
Auszeiten und Erholung
Zusätzliche Leistungen
Die Studie der Friedrich-Ebert-Stiftung untersucht die Vielfalt und Veränderungen der Erwerbsarbeit in Deutschland.
weitere Informationen
Der FES-Diskurs von Jürgen Schmidt beleuchtet die Entstehung von Arbeiter*innen und Klassenbildung im 19. Jahrhundert.
Im FES impuls befasst sich Hanna Völkle mit der Relevanz von Zeitpolitik im Rahmen der sozial-ökologischen Transformation.
Ein FES impuls von Hartmut Seifert zur Aufweichung der Schutzstandards des Arbeitszeitgesetzes.
Der Nonprofit-Sektor in Deutschland – Eckhard Priller, Annette Zimmer
Die neue Arbeiterklasse – Süddeutsche-Artikel von Benedikt Peters
Gehaltstransparenz stärkt Fair Pay – www.ngo-dialog.de
Gehälter in NGOs - Gutes tun: ja, gut verdienen: nein? – www.fundraisingbox.com
Gewerkschaftsmitglied sind nur noch die wenigsten – Zeit-Artikel von Tina Groll
Was ist neu an New Pay? – www.new-pay.org
ZIVIZ-SURVEY 2023 – Peter Schubert, David Kuhn, Birthe Tahmaz