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Von Petra Keller, Sarah Gräf und Sara Schat
Non-Profit-Organisationen (NPOs) arbeiten werteorientiert. Doch wie sozial und ökologisch ist die eigene Organisation beim näheren Hinsehen tatsächlich aufgestellt und wie kann eine sozial-ökologische Nachhaltigkeit gestärkt werden?
Die Gemeinwohl-Ökonomie ist eine weltweite basisdemokratische Bewegung, die 2010 in Wien startete. Sie umfasst ein Modell für die Organisationsentwicklung und Bewertung des ethischen Handelns, das auch auf NPOs angewendet werden kann. Nach diesem Modell wird die eigene Organisationskultur, - struktur und -strategie basierend auf den Werten Menschenwürde, Solidarität und Gerechtigkeit, ökologische Nachhaltigkeit, sowie Transparenz und Mitbestimmung – reflektiert.
Wo werden beispielsweise Büromaterialien bestellt? Welches Essen wird bei Veranstaltungen angeboten? Wie werden Verträge mit Mitarbeitenden oder Externen gestaltet? In unserem Thema im Fokus zeigen wir, was NPOs von der Gemeinwohl-Ökonomie lernen können, um ethischer und nachhaltiger zu werden.
Die Gemeinwohl-Ökonomie (GWÖ) ist eine internationale Bewegung von Menschen, Unternehmen und Gemeinden, die sich für ein zukunftsfähiges Wirtschaftssystem und eine gerechtere Welt einsetzen. Im Fokus hierbei stehen die Menschen und die Umwelt – nicht der Profit. Die Gemeinwohl-Bilanz soll Anreize für Unternehmen und Organisationen schaffen, sich nachhaltig, kooperativ, transparent und umfassend ethisch zu verhalten. Eine Forderung der GWÖ ist, dass Unternehmen mit einer besseren Gemeinwohl-Bilanz Vorteile bekommen, bspw. bei Steuern, Krediten oder bei öffentlichem Einkauf. Um ihre Ziele zu erreichen, arbeitet die GWÖ-Bewegung zusammen mit Politik, Unternehmen, Organisationen und der Gesellschaft in einem demokratischen Prozess.
Die Gemeinwohl-Ökonomie basiert auf den Werten Menschenwürde, Solidarität und Gerechtigkeit, Nachhaltigkeit sowie Mitbestimmung und Transparenz.
Die Gemeinwohl-Ökonomie setzt sich gegen die Ausbeutung von Angestellten ein. Menschenwürde bedeutet, dass jeder Mensch wertvoll, einzigartig und schützenswert ist, unabhängig von Geschlecht, Alter, Religion, Sprache, Nationalität, sozialer Herkunft oder politischer oder sonstiger Überzeugung. Menschen stehen dabei über jeder Sache,Vermögenswerten und der Verwertbarkeit ihrer menschlichen Arbeitskraft.
Die Werte Solidarität und soziale Gerechtigkeit zielen darauf ab, Ungerechtigkeiten und Diskriminierung abzubauen, Verantwortung und Macht zu teilen und Verteilungsgerechtigkeit global herzustellen.
Die Gemeinwohl-Ökonomie unterstützt Einzelpersonen, Unternehmen, Gemeinden und Organisationen dabei, zu einer nachhaltigen Entwicklung beizutragen und die Bedürfnisse der Gegenwart zu befriedigen, ohne die Möglichkeiten künftiger Generationen zu gefährden, ein gutes Leben zu führen. Wir alle müssen die menschengemachte Klimakrise in Angriff nehmen!
Transparenz bedeutet die Offenlegung aller Informationen, die für die Gemeinwohlorientierung und Entscheidungsprozesse relevant sind. Mitbestimmung fördert die Beteiligung aller Interessengruppen. Mitarbeitende, Lieferant*innen und Geschäftspartner*innen können sich auf verschiedenen Ebenen einbringen, vom Vetorecht bis zur kollektiven und einvernehmlichen Entscheidungsfindung.
Die Gemeinwohl-Matrix ist ein Instrument für die Organisationsentwicklung und Bewertung von unternehmerischen und gemeinwohl-orientierten Aktivitäten. Sie umfasst 20 Themen, die eine Orientierungshilfe darstellen, um den Beitrag einer Organisation zum Wohl der Menschen und des Planeten zu bewerten. Das Tool steht als Open-Source frei zur Verfügung. Im Bewertungsprozess positioniert sich die Organisation auf einer Skala, die abbildet, wie weit entwickelt die einzelnen Werte in verschiedenen Dimensionen ethischen Verhaltens sind. Auf diese Weise wird die Entwicklung der Organisation werteorientiert und ganzheitlich gefördert.
Martina Dietrich ist systemische Organisationsentwicklerin und unterstützt mit ihrer Firma 'sinnovation - nachhaltig entwickeln' Menschen, Teams und Organisationen in ihrer nachhaltigen und werteorientierten Entwicklung. Mit ihr sprechen wir über das Besondere der Gemeinwohl-Ökonomie und deren Umsetzbarkeit in NPOs.
Für sozial-ökologischen Wandel können und müssen zivilgesellschaftliche Organisationen ihre Arbeit nachhaltig, werteorientiert und zukunftsfähig gestalten. Oftmals besteht allerdings eine Diskrepanz zwischen den nach außen vermittelten Werten und der tatsächlichen Umsetzung. Denn gerade in NPOs führt Ressourcenmangel sowie ökonomischer und zeitlicher Druck oftmals zu Abstrichen in Fragen sozial-ökologischer Nachhaltigkeit und Gerechtigkeit. Dann macht sich eine Non-Profit-Organisation schnell unglaubwürdig, wenn sie sich für soziale Gerechtigkeit einsetzt, Mitarbeitende allerdings schlecht entlohnt und Überlastung an der Tagesordnung steht. Auch wenn beim Einkauf nicht auf sozial-ökologische Aspekte geachtet wird, betriebliche Mitbestimmung begrenzt ist und es ein Machtgefälle zu externen Dienstleister*innen gibt, kann das zu großen Frustrationen bei Mitarbeitenden und Ehrenamtlichen führen. Die Gemeinwohl-Ökonomie versucht dieser Problematik entgegenzuwirken und unterstützt dabei, Entwicklungsfelder zu identifizieren und Veränderungen in Organisationen anzustoßen.
Die GWÖ kann Transparenz schaffen, Bedarfe offenlegen und so NPOs dabei helfen, knappe Ressourcen bestmöglich einzusetzen.
Die Bewegung der Gemeinwohl-Ökonomie stellt kostenfrei Instrumente zur Verfügung, um der Vision einer ethischen und nachhaltigen Organisation näher zu kommen. Bislang gibt es von Seiten der GWÖ noch keinen konkreten Zuschnitt auf NPOs. Wer nicht den gesamten Bilanzierungsprozess (s.u.) durchlaufen möchte, kann sich mithilfe unserer Reflexionsfragen erste Impulse für die eigene Organisationsentwicklung holen. Den Rahmen hierfür bieten wieder die vier Grundwerte der Gemeinwohl-Ökonomie:
Menschenwürde
Solidarität und soziale Gerechtigkeit
Ökologische Nachhaltigkeit
Transparenz und Mitbestimmung
Um den Beitrag zum Gemeinwohl zu messen, hat die GWÖ die Gemeinwohl-Bilanz entwickelt. Mithilfe eines Punktesystems wird gemessen, inwieweit bestimmte Werte im Handeln der Organisation berücksichtigt werden. Die Werte werden hinsichtlich Zuliefer*innen, Eigentümer*innen, Mitarbeiter*innen, Kund*innen und der Gesellschaft bewertet. Je besser der Einsatz für das Gemeinwohl, desto mehr Punkte erhält eine Organisation. So wird der Beitrag zum Gemeinwohl messbar und objektiv sichtbar.
Wenn sich NPOs entscheiden, den Prozess der Bilanzierung zu durchlaufen, ist eine Reflexion über Mittel, Ziele und Unterstützung sowie ein kontinuierlicher Austausch mit allen Beteiligten im Prozess wichtig. Dabei gilt es, den Fokus auf die Entwicklung und die Ideen zur Veränderung zu legen, anstelle des abschließenden Ergebnisses und Berichts.
Nachfolgend stellen wir Schritte vor, die dabei helfen können, die GWÖ in der eigenen Organisation umzusetzen:
Es ist möglich, sich auf die Themenfelder zu konzentrieren, in denen für die eigene Organisation das größte Veränderungspotenzial besteht. In gezielten Workshops werden konkrete Fragestellungen thematisiert und Entwicklungsmöglichkeiten erarbeitet.
Um intensiv miteinander arbeiten zu können, ist es wichtig, die verfügbaren Ressourcen im Vorfeld realistisch einzuschätzen. Alle zwei Jahre kann der Bilanzierungsprozess wiederholt werden. Zu diesem Zeitpunkt wird evaluiert, wie weit die eigenen Veränderungsansätze umgesetzt werden konnten und wo es weiteres Entwicklungspotenzial gibt.
Der Prozess gelingt nur unter hoher Beteiligung aller Mitarbeitenden und Berührungsgruppen. Die Ergebnisse aus den inhaltlichen Workshops werden kontinuierlich und transparent an alle Beteiligten kommuniziert.
ecogood - Übersichtsseite der Gemeinwohl-Ökonomie in Deutschland
Gemeinwohl-Matrix von Gemeinwohl-Ökonomie
Arbeitsbuch zur Gemeinwohl-Bilanz 5.0 Kompakt von Gemeinwohl-Ökonomie
Gemeinwohl-Ökonomie von Christian Felber
Nationale Strategie für Soziale Innovationen und Gemeinwohlorientierte Unternehmen von BMWK
Potentiale von Agilität und New Work für NPOs und zivilgesellschaftliche Projektarbeit.
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