Schumachers Beerdigung

Dieser Beitrag von Dr. Dagmar Hänel erschien 2012 und war Teil des Projekts "Erinnerungsorte der Sozialdemokratie".

Kurt Schumacher (1895–1952) spielte in der Geschichte der Nachkriegs-SPD und für die Geschichte der frühen Bundesrepublik Deutschland eine bedeutende Rolle. Als Wiederbegründer der SPD war er von 1946 bis zu seinem Tod Parteivorsitzender sowie seit 1949 SPD-Fraktionsvorsitzender im ersten Deutschen Bundestag. National wie international anerkannt als einer der Gründerväter der Bundesrepublik nach der NS-Diktatur, stieg er zur unangefochtenen Führungspersönlichkeit der Sozialdemokratie auf. Trotz seiner langjährigen schweren Krankheit wurde sein Tod am 20. August 1952 als überraschend wahrgenommen. Die offizielle Trauerfeier in Bonn und seine Beisetzung in Hannover waren über die Grenzen der SPD hinaus eine Demonstration der Anteilnahme und Ehrerweisung.

Schumacher war 1914 im Ersten Weltkrieg so schwer verwundet worden, dass sein rechter Arm amputiert werden musste. Die menschenverachtenden Lebensbedingungen während seiner Gefangenschaft im Konzentrationslager (1933–1944) hatten unter anderem die Amputation des linken Beines (1948) zur Folge. Gerade seine deutlich sichtbare körperliche Versehrtheit machte sein konsequentes Engagement für einen demokratischen Neuanfang und für soziale Gerechtigkeit zu einem Symbol für Willenskraft und besondere Stärke.

Während der Sarg Schumachers zunächst zwei Tage in der SPD-Zentrale blieb, konnten Freunde und Kollegen sowie die Bürgerinnen und Bürger Abschied nehmen. Auf einem roten Podest stehend, bildete die Symbolfarbe der SPD in der schlichten und dunkel gehaltenen Inszenierung einen auffallenden Farbpunkt. Zur offiziellen Trauerfeier am 24. August wurde der Sarg in den Plenarsaal des Bundestags überführt, die von allen Rundfunkanstalten in Westdeutschland sowie dem RIAS übertragen wurde. Die Fahne der Bundesrepublik Deutschland war mit einem langen Trauerflor verhängt. Die Flaggen und Fahnen aller öffentlichen Gebäude in Westdeutschland und Westberlin hingen auf halbmast und zahlreiche Betriebe legten Gedenkminuten ein. Im Anschluss an die Trauerfeier in Bonn folgte die Überführung nach Hannover. Bereits am frühen Morgen hatten sich zahlreiche Bürgerinnen und Bürger an der rund 250 Kilometer langen Wegstrecke versammelt und bildeten eine eindrucksvolle Kulisse von Abschiednehmenden. Besondere Emotionalität erreichte die Inszenierung in Hannover, wo der Sarg mit einem Fackelzug zum Rathaus geleitet und Schumacher bis zum Beginn der Beisetzung erneut aufgebahrt wurde.

Nachdemder Sarg auf die Rathaustreppe hinausgetragen worden war, sprachen Erich Ollenhauer als Vertrauter Schumachers und stellvertretender SPD-Vorsitzender sowie Minister Heinrich Albertz (SPD), der den erkrankten Ministerpräsidenten vertrat. In einem Trauerzug, den bis zu 200.000 Menschen begleiteten, wurde der Sarg schließlich zum Stadtfriedhof Ricklingen gebracht. Der dort beigesetzte Schumacher steht noch heute für den Widerstand gegen den Nationalsozialismus und für soziale Gerechtigkeit.


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