Die Fehmarnbeltquerung - Potenziale einer neuen europäischen Region

Das dänische Parlament den Bau des Ostsee-Tunnels nach Deutschland beschlossen. Strittig bleibt das Projekt jedoch weiter: Umweltbelastungen oder Einbrüche der Tourismusbranche stehen die Potenziale einer europäischen Region gegenüber.

Bild: Podium Bild der Agentur Bildschön, Fotograf: Bergmann

Im April 2015 nahm das Großprojekt „Fehmarnbeltquerung“ eine wichtige Hürde: Das dänische Parlament beschloss den Bau des Ostsee-Tunnels nach Deutschland. Dem dänischen Tatendrang steht ein deutscher Hürdenlauf gegenüber. Befürchtet werden Umweltbelastungen, Einbrüche der Tourismusbranche oder Arbeitsplatzverluste der Fährschifffahrtsunternehmen. Gegen die Bedenken stehen die wirtschaftlichen und kulturellen Potenziale einer neu entstehenden europäischen Region.

Wie geht es mit dem Projekt nun weiter? Wie können die Potenziale bestmöglich genutzt und wie kann den Bedenken begegnet werden? Diese Fragen wurden am 9. September auf einer Veranstaltung des Managerkreises Nord-Ost der Friedrich-Ebert-Stiftung erörtert. Reinhard Meyer, Minister für Wirtschaft, Arbeit, Verkehr und Technologie des Landes Schleswig-Holstein, legte mit seinem Input die Basis für eine lebhafte Debatte.

Die feste Fehmarnbeltquerung ist nicht nur für Schleswig-Holstein, sondern für ganz Deutschland ein zentrales und zukunftsweisendes Projekt, welches die letzte große Lücke im grenzüberschreitenden Verkehrsnetz Nordeuropas schließt. Skandinavien und Norddeutschland werden damit zu einer neuen europäischen Region zusammenwachsen, so Minister Meyer in seinem Eingangsstatement. Er versteht die Beltquerung als völkerverbindendes Projekt, als Tunnel, der eine mentale Brücke zwischen den Nachbarn Deutschland, Dänemark und ganz Skandinavien schlägt und eine neue Kulturregion entstehen lässt.

„Infrastruktur schafft immer neue Möglichkeiten. Durch die feste Fehmarnbeltquerung wird sich eine neue europäische Region herausbilden, neue Räume des wirtschaftlichen und kulturellen Austausches.“ (Reinhard Meyer)

Nach Fertigstellung wird, so Meyer weiter, eine der leistungsstärksten Transportachsen von und nach Skandinavien entstehen. Die Fehmarnbeltquerung eröffnet für ihn vor allem neue Perspektiven. Güter und Personen werden schneller und kostengünstiger den Belt überqueren, der grenzüberschreitende Arbeits- und Absatzmarkt wird ausgebaut – mit Effekten auf Kaufkraft und Beschäftigungsoptionen in der Region. Touristische Destinationen werden besser erreichbar und grenzüberschreitende Kooperationen in Technologie, Wissenschaft und Kultur werden erleichtert. Dies bedeute, so Meyer, eine höhere und nachhaltigere Wertschöpfung für den gesamten norddeutschen Raum.

Diese Chancen unterstreicht auch Tarik Shah, Beauftragter von Femern A/S<link typo3>[1] in Deutschland. Das Projekt wird Skandinavien an Kerneuropa anbinden und einen neuen Korridor „von Helsinki bis Malta“ bilden. Der längste Absenktunnel der Welt werde, so seine Überzeugung, zum „Game Changer“ für Wirtschaft, Wissenschaft und Kultur.

Chancen nutzen und schaffen

Die mit der neu geschaffenen Anbindung verbundenen Risiken und Chancen werden regional ungleich verteilt sein. „Standortqualitäten werden sich verändern“, so Meyer. Neben klaren Gewinnern wie Hamburg und Kopenhagen wird es auch Regionen geben, die ihre Chancen erst durch geeignete Anpassungs- und Weiterentwicklungsmaßnahmen ausschöpfen können. Für diese gebe es seiner Meinung nach jedoch nicht nur große politische Unterstützung, sondern auch noch ausreichend Zeit.

Er erwartet von Hamburg bis in den Raum Lübeck hinein – insbesondere entlang der A 1 – eine hohe Ansiedlungsdynamik. Unternehmensansiedlungen mit den sich daraus ergebenden Arbeitsplatzeffekten sieht er vor allem in den Bereichen Logistik und Dienstleistungen im Verkehrs-/Transportbereich.

Klare Risiken sieht Prof. Dr. Sebastian Jürgens, Geschäftsführer der Lübecker Hafengesellschaft, hingegen für seinen Standort. Zentral wird seiner Einschätzung nach sein, ob ein fairer Wettbewerb zwischen den Verkehrsträgern realisiert wird und beispielsweise die Preise für die Querung nicht durch Subventionierungen verzerrt werden. Jürgens sieht zwar auch Chancen, ist aber überzeugt, dass Lübeck sich verändern und andere Geschäfte machen muss, um weiter erfolgreich zu sein. Mit einer Weiterentwicklung könne sich der Standort beispielsweise in den Verkehren nach Finnland und Russland zur „Drehscheibe mit Wertschöpfung“ entwickeln. Hierfür müssen aber die Akteure am Standort gemeinsam die Frage beantworten, wie die Chancen der Hansestadt gestärkt werden können. Der Wandel werde aber, so seine Überzeugung, gelingen.

„Für Lübeck verbinden sich mit dem Projekt eindeutig Risiken. Große Chancen bestehen zwar auch, aber wir werden uns weiterentwickeln müssen, um diese zu nutzen.“ (Prof. Dr. Sebastian Jürgens)

Auch andere Regionen werden noch „Aufgaben zu lösen haben“, ergänzt Meyer und hebt hier die Region Ostholstein hervor. Er sieht hier insbesondere die Notwendigkeit, dass zur Anbindung der Seebäder auch lokale Verkehrskonzepte entwickelt werden müssen, um das touristische Potenzial der Beltquerung auszuschöpfen.

Um Chancen und Risiken richtig einzuschätzen, fordert Andreas Rieckhof, Staatsrat der Behörde für Wirtschaft, Verkehr und Innovation der Freien und Hansestadt Hamburg, den Vergleichsmaßstab der Betrachtungen anzupassen. Die Region müsse erkennen, dass sie in einem globalen Wettbewerb steht. Um geeignete Maßnahmen zu definieren und die Chancen entsprechend zu nutzen, müsse daher auch die Entwicklung anderer großer Welthäfen beobachtet werden. Lege man diesen globalen Maßstab zugrunde, rücke insbesondere die Optimierung der land- und seeseitigen Anbindung der norddeutschen Häfen in den Fokus.

Beteiligung und Verfahrensdauer

Die große Bedeutung transparenter Verfahren mit Beteiligungsmöglichkeiten wird von allen Diskussionsteilnehmern hervorgehoben. Die durch das „Dialogforum Feste Fehmarnbeltquerung“ und von der Deutschen Bahn geschaffenen Partizipationsmöglichkeiten seien daher zur Schaffung einer breiteren Akzeptanz zentral. Ohne diese kann, so die Überzeugung der Podiumsteilnehmer, eine verlässliche Realisierung derartiger Großprojekte nicht sichergestellt werden. Die resultierende Geschwindigkeit der Genehmigungsverfahren wird jedoch kritisch diskutiert.

Shah verweist in diesem Zusammenhang auf die unterschiedlichen Genehmigungsverfahren auf beiden Seiten des Belts. In Dänemark sei die Baugenehmigung für den Fehmarnbelt-Tunnel durch ein vom Parlament beschlossenes Baugesetz bereits im April 2015 erfolgt. Zudem hätten dänische Entscheidungsträger und die Bevölkerung bereits sehr positive Erfahrungen mit den beiden festen Querungen über den Großen Belt und den Öresund gemacht, die 1998 bzw. 2000 eröffnet wurden. Gerade im Fall der Öresundbrücke hätten die Häfen in Kopenhagen und Malmö zunächst Risiken befürchtet, konnten jedoch durch entsprechende Maßnahmen letztlich einen deutlichen wirtschaftlichen Mehrwert realisieren. Durch die neuen Verbindungen seien zudem verschiedene Wissenschafts- und Wirtschaftscluster entstanden und auch die Pendelverkehre hätten sich deutlich ausgeweitet. Die dänische Bevölkerung betrachte derartige Projekte daher viel „gelassener und optimistischer“.

Auch Rieckhof sieht die Öresundregion als positives Beispiel, aus dem insbesondere in Deutschland mehr Zuversicht für das Projekt gezogen werden sollte. Er unterstreicht in diesem Zusammenhang auch die Rolle der Politik. Diese habe die Aufgabe, ein klares Bild der Chancen zu kommunizieren und sich als „Kompass“ für die nötigen und oftmals langwierigen Entwicklungen aufstellen.

Shah ergänzt, dass auch „verlässliche Kostenehrlichkeit und gute Arbeits- und Lohnstandards auf den Baustellen“ für die Akzeptanz der Bevölkerung zentral seien. Femern A/S habe den politischen Entscheidungsträgern in Parlament und Regierung daher vor der endgültigen Annahme des Baugesetzes eine aktualisierte Kostenschätzung auf der Basis realer Marktpreise vorgelegt und achte beispielsweise auch bei der Vergabe der Hauptbauaufträge strikt auf die Einhaltung von Sozialklauseln. Femern A/S ist als staatliches dänisches Unternehmen für die Vorbereitungsarbeiten, die Projektierung, die Finanzierung sowie den Bau und Betrieb des Fehmarnbelt-Tunnels verantwortlich. Zustimmung könne, so Shah weiter, nur gewonnen werden, wenn sich Bevölkerung und Politik auf diesen transparenten Prozess verlassen könnten.

„Effizienz und Qualität sind von zentraler Bedeutung für den Planungs- und Genehmigungsprozess. Kostenehrlichkeit ist hierfür essentiell, denn nur reale Marktpreise können die Grundlage für verantwortungsvolle Entscheidungen bilden.“ (Tarik Shah)

Neben „Überzeugung und Begeisterung“ besteht, so Jürgens, grundsätzlich auch die Notwendigkeit, Verfahren im Planungsrecht zu beschleunigen. Lübeck würde aufgrund der nötigen Anpassungsprozesse derzeit zwar von der langen Planungsphase profitieren, dennoch könne es sich Deutschland langfristig nicht leisten, auch bei drängendsten Projekten ein jahrelanges und teures Verfahren durchlaufen zu müssen. Er rät daher, losgelöst und damit unbelastet von konkreten Projekten, eine Debatte über die Reform des Planungsrechts zu führen.

Dies unterstreicht auch Meyer. Für die Fehmarnbeltquerung werde sich dies zwar nicht auswirken, für den Wirtschaftsstandort insgesamt wünscht aber auch er sich eine spürbare Verkürzung der Verfahren. Hierdurch solle nicht die Beteiligung eingeschränkt, sondern z.B. durch eine Reduktion auf nur noch eine Instanz die Verfahrensdauer reduziert werden.

Forderungen nach Verfahrensbeschleunigungen stehen für Rieckhof hingegen nicht im Mittelpunkt. Bei derart chancenreichen Großprojekten wie der festen Fehmarnbeltquerung sei vielmehr Sorgfältigkeit sinnvoll und nötig. Einwände würden diese Entwicklungen nicht aufhalten, aber zu einer optimierten Realisierung führen. Problematisch sieht er vielmehr die „schleichende Einflusserweiterung“ des EuGH bzw. des europäischen Umweltrechtes.

„Sorgfältigkeit ist bei Planungen nötig. Wenn die Politik eine klare Vorstellung davon hat, was nötig und zielführend ist, werden die Projekte auch realisiert. Ich rate daher zu Gelassenheit.“ (Andreas Rieckhof) 


Demokratisches Europa

Eine Politik für Europa muss in erster Linie von den Bürger_innen Europas getragen werden. Wir wollen daher wissen, welche Erwartungen die Menschen an die EU haben. Momentan ist eine kritische Einstellung weit verbreitet. Wie muss sich die EU verändern, damit das Vertrauen in sie wieder wächst? Wie kann die EU fairer, demokratischer und inklusiver gestaltet werden? Vor allem im Rahmen der politischen Bildung wollen wir einen Beitrag leisten, um ein Europa des Zusammenhalts zu befördern.

Ansprechpartnerin

Marie Meier

+49 30 26935-7418
Marie.Meier(at)fes.de

nach oben