Die Investitionslücke schließen – mit öffentlichen Mitteln!

Um die EU wieder auf Wachstumskurs zu bringen, müssen europaweit die Investitionen hochgefahren werden. Vor allem aber in den von der Krise am stärksten betroffenen Ländern

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Seit der Wirtschaftskrise 2008 sind in der Europäischen Union die Investitionen markant zurückgegangen: Machten die Bruttoinvestitionen vor der ersten Rezession noch etwa 20 Prozent des Bruttoinlandsprodukts aus, gingen sie in den folgenden Jahren um durchschnittlich 2 bis 3 Prozent zurück – ein Investitionsausfall in Höhe von ca. 300 Milliarden Euro jährlich! Wirtschaftswachstum und der Anteil von Investitionen an der volkwirtschaftlichen Wertschöpfung hängen aber eng miteinander zusammen. Aus diesem Grund muss eine Investitionsstrategie Teil eines Gesamtkonzeptes zur allgemeinen wirtschaftlichen Belebung sein.

Eine solche Strategie liegt mit dem Juncker-Plan vor, wurde im Sommer vom Europaparlament verabschiedet und ist seit September auch an den Start gegangen, d. h. die ersten Kredite werden bereits vergeben. Mittels des Europäischen Fonds für strategische Investitionen (EFSI), der mit 21 Milliarden Euro aus öffentlichen Geldern ausgestattet ist und als Sicherheit für Kreditausfälle fungiert, sollen noch einmal knapp 300 Milliarden Euro Investitionskapital von privaten Investoren (vor allem von institutionellen Anlegern: Rentenfonds und Versicherungen) zusammenkommen – so die Idee der Hebelwirkung. Der Plan ist also, dass auf diese Weise in den nächsten 3 Jahren zusätzliche 315 Milliarden Euro Investitionen ausgelöst werden. Diese sollen insbesondere in strategische Infrastruktur (zum Beispiel die digitalen Netze, Verkehr und Energie), Bildung, Forschung und Innovation sowie den Ausbau der erneuerbaren Energien und Ressourceneffizienz fließen.

Wie aber ist Junckers Investitionsstrategie zu bewerten, wie stellt sie sich im Vergleich zu anderen Vorschlägen dar? Das skizziert Dr. Michael Dauderstädt in seiner Studie „How to close the European investment gap?“ und kommt darin zu einem eher gemischten Fazit. Zwar sei es grundsätzlich begrüßenswert, dass der Investitionsfonds aufgelegt wurde. Allerdings ist die Größe des Fonds bei weitem nicht ausreichend, wenn man davon ausgehen muss, dass bereits mehrere Jahre in Folge 300 Milliarden EUR jährlich zu wenig investiert wurden.

Zudem ist bei weitem nicht klar, ob die privaten Investoren, von denen der Löwenanteil kommen soll, wirklich nachziehen werden, ob der Hebel also wirkt. Zwar sind die Risiken jetzt geringer. Aber die Profiterwartungen der privaten Kapitalgeber – nicht zuletzt in Bereichen wie Verkehr und Bildung – dürften zu gering sein, haben sie sich doch hier auch bislang zurückgehalten. Auch mangelt es dem Juncker-Plan an einer Komponente für regionale Schwerpunkte. Und gerade in den von der Krise am stärksten betroffenen Ländern sind die Investitionen eingebrochen. Dort sind sie aber nötig, um die Wirtschaft im Sinne struktureller Wettbewerbsfähigkeit zu modernisieren. Überhaupt zeigt ein Vergleich von Investitionsquoten und Wachstumsraten, dass andere Faktoren wie etwa eine robuste Nachfrageentwicklung darüber entscheiden, wie viel Wachstum zusätzliche Investitionen auslösen.

Das Austeritätsdogma ist die größte Wachstumsbremse und macht sich auch in Deutschland negativ bemerkbar, wo die Wirtschaftskrise vergleichsweise glimpflich abgelaufen ist. Dauderstädts Kollege Prof. Achim Truger schlägt aus diesem Grund eine Ausweitung bzw. Rückkehr zu öffentlichen Investitionen vor, auf Basis der sogenannten „Goldenen Regel“, das heißt kreditfinanziert. „Seit über zehn Jahren dümpeln die öffentlichen Nettoinvestitionen um die Nulllinie herum, d.h. der öffentliche Kapitalstock stagniert oder verfällt sogar,“ so Truger. Wenn die Investitionslücke also effektiv, und nicht wieder auf Kosten der Konsumenten und Bürger geschlossen werden soll, kann man nicht einseitig auf private Investoren setzen. Gefragt sind mehr öffentliche Investitionen – europaweit!

Hier finden Sie die vollständigen Studien:
How to close the European investment gap?

Reform der EU-Finanzpolitik: Die Goldene Regel für öffentliche Investitionen 


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