Europa in der Sinnkrise

Krise, Krise, Krise: Kaum ein Wort ist derzeit häufiger zu hören, wenn es um Europa geht. Ein bisschen weniger Missmut: Der Europäische Traum ist nicht tot.

Bild: Bild: Luftballons Europa von Metropolico.org lizensiert unter CC BY SA 2.0

Es sind turbulente Zeiten in Europa: Flüchtlings- und Finanzkrise sind allgegenwärtig, die europäische Politik scheint im Krisenmodus, um die europäische Idee werden Rückzugsgefechte geführt. Gerade in der Flüchtlingskrise zeigt sich: Der Ruf nach „mehr Solidarität“ und einer „europäischen Lösung“ verhallt.

In welchem Europa wollen wir eigentlich leben? Diese Frage zu stellen, scheint dieser Tage fast visionär. Vergangene Woche in Belgrad taten 150 serbische Teilnehmer genau dies: Gemeinsam mit Politiker_innen, Journalist_innen, Gewerkschafter_innen und Intellektuellen aus mehreren europäischen Ländern versuchten sie Antworten auf die Frage zu finden: „Soziales Europa – Vision oder Realität?“. Organisiert hatte die Konferenz die Friedrich-Ebert-Stiftung in Serbien gemeinsam mit dem schwedischen Olof-Palme-Center. Gerade Schweden und Deutschland werden in vielen Ländern  außerhalb der EU als „gelobtes Land“ wahrgenommen, konstatierte Johan Schmidt, Programm-Manager für die westlichen Balkanstaaten des Olof-Palme-Centers: „Gleichzeitig gibt es auch in unseren offenen Gesellschaften eine Debatte darum, was Solidarität bedeutet, wie weit sie geht“, sagte Schmidt.

Eine gemeinsame europäische Antwort gibt es auf diese Frage ebenso wenig, wie eine gemeinsame Idee eines Umgangs mit der Finanzkrise. Henning Meyer, Herausgeber des Portals social europe in London, vermutet, dass beide Krisen zusammenhängen. Es gäbe schlicht noch keinen politischen Mechanismus auf EU-Ebene für eine sozial gerechtere, solidarische Gesellschaft: „Tatsächlich haben wir eine Identitätskrise in der EU“. Eine Krise, die auch die Sozialdemokratie in Europa vor Herausforderungen stellt, findet Zita Gurami, Vorsitzende der Frauenorganisationen der Sozialdemokratischen Partei Europas. „Wir haben eine Krise der Werte in der EU. Populistische Bewegungen wie die Orbans in Ungarn missachten europäische Werte. Es ist unsere Aufgabe, Aufklärung zu leisten, in der Öffentlichkeit, in den Medien.“

Armut schafft Tragödie

Aufklärung allein wird nicht reichen. Gerade von sozialdemokratischer Politik erwarten viele Menschen Antworten auf sich verändernde, nicht selten verschlechternde Lebensumstände. Darauf wies  Heinz Albert Huthmacher, Leiter der Friedrich-Ebert-Stiftung in Serbien, schon zu Beginn der Konferenz hin: „In Europa haben die Sparmaßnahmen in vielen Ländern zu höherer Arbeitslosigkeit geführt. Auch darum wird in der Debatte oft gesagt, dass Europa sich entfernt hat vom Alltag der Menschen.“

Eine fatale Entwicklung: Schließlich sei das Versprechen Europas immer gewesen, sozialen Fortschritt und Einigung zu verbinden, sagte Branislav Canak, Sekretär der Union Autonomer Gewerkschaften Serbiens. „Das soziale Europa wird nicht vom Himmel fallen und die Vergangenheit lehrt uns: Armut schafft Tragödien“.

Ein bisschen weniger Missmut

Bei allem Krisengerede: Man kann die aktuelle Situation Europas natürlich auch anders betrachten. Dass Flüchtende sich gerade auf den Weg hierher machen, ist ja auch ein Zeichen dafür, dass „der europäische Traum noch immer da ist“, wie es Anna Diamantopoulou ausdrückt. Die Präsidentin des griechischen Netzwerks für Reformen in Griechenland und Europa glaubt, Europa sei immer noch sozial, „aber wir haben nicht alle Versprechen eingelöst, dafür brauchen wir mehr Zusammenarbeit, mehr Verbindung“, sagte sie in ihrem Konferenzbeitrag.

Vielleicht zeigt ja gerade der Umstand, wie hitzig die Debatte über die Zukunft Europas zur Zeit geführt wird, wie wichtig vielen Menschen in Europa das Überleben dieses politischen Projekts ist. Letztlich sind sich auch in Belgrad auf der Konferenz  „Soziales Europa – Vision oder Realität?“ fast alle Teilnehmer einig: Klar gibt es eine europäische Krise – aber eine, die zu überwinden ist.

Eine Hoffnung, die Anna Diamantopoulou pointiert zusammenfasst: „Der europäische Traum ist keineswegs tot“.


Demokratisches Europa

Eine Politik für Europa muss in erster Linie von den Bürger_innen Europas getragen werden. Wir wollen daher wissen, welche Erwartungen die Menschen an die EU haben. Momentan ist eine kritische Einstellung weit verbreitet. Wie muss sich die EU verändern, damit das Vertrauen in sie wieder wächst? Wie kann die EU fairer, demokratischer und inklusiver gestaltet werden? Vor allem im Rahmen der politischen Bildung wollen wir einen Beitrag leisten, um ein Europa des Zusammenhalts zu befördern.

Ansprechpartnerin

Marie Meier

+49 30 26935-7418
Marie.Meier(at)fes.de

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