Europäische Bankenunion – Neue Spielregeln für den Bankensektor

Die Bankenkrise hat die Spielregeln für den Bankensektor verändert. Ein Jahr nach Einführung der Bankenunion ist ein guter Zeitpunkt, eine erste Bilanz zu ziehen.

Bild: Bild: FES Managerkeis Rhein-Main

Die Bankenkrise hat die Spielregeln für den Bankensektor verändert. Zunächst wurden 2010 mit Basel III die Eigenkapitalvorschriften verschärft, um Banken für die Zukunft krisenfester zu machen. 2014 wurde die Bankenunion eingeführt. Mit ihren drei Säulen Bankenaufsicht, Bankenabwicklung und Einlagesicherung wirkt sie nicht nur präventiv. Durch klare Regeln sollen unkontrollierte Kettenreaktionen im Fall des drohenden Zusammenbruchs einer systemrelevanten Bank verhindern werden.

Ein Jahr nach Einführung der Bankenunion ist ein guter Zeitpunkt, eine erste Bilanz zu ziehen.  Am 13. Juli lud der Managerkreis der Friedrich-Ebert-Stiftung Rhein-Main daher im Main Tower zu einem Vortrag mit einem wahrhaftigen Experten auf diesem Gebiet ein. Hans-Dieter Brenner ist seit Oktober 2008 Vorstandsvorsitzender der Landesbank Hessen-Thüringen (Helaba) und übernahm die Bank damit zwei Wochen nach der Lehman-Pleite, als die Weltwirtschaft nur noch Zentimeter von dem Abgrund entfernt war. Die ersten Tage nach Amtsübernahme waren daher auch durch mehrere Krisensitzungen in Berlin geprägt, wie Brenner rückblickend bemerkte. Schwieriger hätten die Startbedingungen also kaum sein können. Umso bemerkenswerter ist es, wie er die Helaba erfolgreich durch die Krise führte. Anerkennend sagte Florian Gerster, Vorsitzender des Managerkreises Rhein-Main, in seiner Begrüßung: „Die Helaba ist Deutschlands erfolgreichste Landesbank“.

„Neue Regeln waren notwendig, um das Vertrauen in die Branche wieder aufzubauen“

In seinem detailreichen Vortrag begrüßte Brenner die Einführung eines neuen Regelwerks. „Die Maßnahmen waren unbestritten notwendig, um die Widerstandsfähigkeit des Finanzsystems zu stärken und das Vertrauen in die Branche wieder aufzubauen.“ Gleichzeitig stelle das Zusammenspiel einer Vielzahl neuer Regelungen die Banken jedoch vor große operative und finanzielle Herausforderungen.

Anschaulich erklärt Brenner, wie bereits Basel III die Rahmenbedingungen für Banken verändere. „Über strengere Regeln für das Eigenkapital und die Liquidität beeinflusst es massiv die Kosten und die Rentabilität des Bankgeschäftes.“ Im Zuge der neuen Regelungen müssten die Banken den Anteil des harten Kernkapitals bis 2019 von bislang 4 Prozent auf 8,5 Prozent mehr als verdoppeln.

Mit der Errichtung der Europäischen Bankenunion hätten sich auch die aufsichtsrechtlichen und regulatorischen Anforderungen an die Banken erhöht. Als eine von 120 systemrelevanten Banken des Euroraums unterliegt die Helaba seit dem 4. November 2014 der direkten Aufsicht der Europäischen Zentralbank (EZB). Dieses Element einer gemeinsamen, supranationalen Aufsicht bewertet Brenner grundsätzlich positiv. „Es ist ein großer Fortschritt, dass alle Institute zukünftig dem gleichen aufsichtsrechtlichen Regelwerk unterworfen werden“.

„Die Kosten werden steigen“

Die gestiegenen Anforderungen der Aufsicht seien für die Banken deutlich spürbar. „Auch die Helaba registriert einen wachsenden Datenhunger und einen verstärkten Kommunikationsaufwand.“ Die Menge an angeforderten qualitativen und quantitativen Daten sei enorm und nicht zu vergleichen mit dem, was die Helaba bisher an die nationalen Aufsichtsbehörden habe liefern müssen. Brenner warnt: „Die Bankenunion und deren neue Regelwerke sind extrem teuer; das heißt, die direkten Kosten steigen.“

Neben der gemeinsamen Aufsicht betrifft die Helaba auch die zweite Säule der Bankenunion, der einheitliche europäische Abwicklungsmechanismus mit einem gemeinsamen Abwicklungsfonds von 55 Milliarden Euro. Dieser soll bei der Abwicklung oder Sanierung notleidender Banken zum Einsatz kommen. Auch dieses Element der Bankenunion sorge für einen weiteren Kostenschub, meint Brenner. Mindestens 15 Milliarden Euro entfielen dabei auf die deutschen Banken.

Brenner zitiert in seinem Vortrag Schätzungen der DZ-Bank, wonach die Gesamtkosten von Basel III und Bankenunion mehr als 10 Milliarden Euro pro Jahr erreichten. „Dieser Betrag ist höher als der langfristige durchschnittliche Jahresgewinn der Branche“, sagt Brenner. Er glaubt, dass als Folge der verstärkten Anforderungen die Rentabilität des Bankensektors dauerhaft unter Druck gerate. Brenner prophezeit eine Intensivierung des Wettbewerbs insbesondere im mittelständischen Firmenkundengeschäft.

„Helaba ist in ihrem Geschäftsmodell an der Realwirtschaft ausgerichtet“

Aufgrund ihres ausgewogenen und stabilen Geschäftsmodells sieht er die Helaba dafür aber gut gerüstet. Dies ergebe sich zum einen aus der konsequenten Ausrichtung des Geschäftsmodells an der Realwirtschaft, verbunden mit einem konservativen Risikoprofil. Zum anderen profitiere die Helaba von der engen geschäftlichen und institutionellen Verzahnung mit den Sparkassen. Insofern habe man auch 2014 den positiven Ertragstrend fortsetzen können.

Die etwa 150 Gäste bekamen im Anschluss an Brenners Vortrag die Gelegenheit, Fragen zu stellen. Einige der sehr fachkundigen Beiträge brachten Zweifel zum Ausdruck, ob die Bankenunion tatsächlich eine neue Bankenkrise verhindern könne und nicht beispielsweise noch stärkere Eigenkapitalanforderungen das geeignetere Mittel seien.

Der Moderator des Abends, Asmus Angelkort, konstatiert, die Wirksamkeit der Bankenunion werde sich erst bei einer erneuten Krise zeigen. „Die entscheide Frage ist, wird der Abwicklungsmechanismus dann tatsächlich 1:1 umgesetzt? Oder werden nicht doch wieder, wie zuletzt bei Griechenland, einst festgeschriebene Regeln dem Ergebnis nächtlicher Verhandlungen geopfert.“


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