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„Es ist immer gut, wenn alle Akteure zusammenarbeiten“

Markus Käser hat als Aktivist und Kommunalpolitiker die Energiewende in Pfaffenhofen von Anfang an begleitet und mitgestaltet. Er kritisiert die teils widersprüchliche Gesetzgebung, die vor allem den Ausbau der Windenergie massiv ausbremst.

Energiewende  |  4. September 2023  |   Interview von Simone Schnase  |   Lesezeit: 5 Minuten

Herr Käser, kann man sagen, dass die Gründung des Energie- und Solarvereins vor 15 Jahren der Beginn der Energiewende in Pfaffenhofen war?

Markus Käser: Ja, das kann man schon so sagen. Man hat das Thema Energiewende damals noch so ähnlich eingeordnet wie zehn Jahre zuvor das Thema Internet – also als ein wichtiges, aber noch sehr neues Thema, aber von Anfang an war das ein konkretes entwicklungspolitisches Projekt. Gegründet wurde der Verein von Bürgern und angehenden Kommunalpolitikern – also von unterschiedlichen, ganz bunten Akteuren. Das war ein bisschen so wie bei Initiativen oder Sportvereinen, die sich gründen, weil es vor Ort kein Sportangebot gibt und da ist dann immer auch ein Pionier mit dabei, der später mal Bürgermeister wird oder Leute, die dann später im Stadtrat sitzen – die Vereinsgründung war ja auch zeitgleich mit dem Wahlkampf zur Kommunalwahl 2008.  Kürzlich habe ich ein altes Plakat mit Forderungen des Energie- und Solarvereins aus dieser Zeit angeschaut: auf dem steht fast alles drauf, was wir bis heute erreicht haben. Man muss also ganz klar sagen, dass der Verein der Grundstein und Auftakt war für die Energiewende in Pfaffenhofen.

Was war die Aufgabe des Vereins?

Der Verein hat aufgeklärt und beraten. Er hat zum Beispiel Energie-Info-Wochen organisiert und das Thema Nachhaltigkeit und die Klimaschutzfrage  in die Öffentlichkeit getragen – und schnell gab es dann auch schon ein Wording- Problem, denn einerseits verdrängt die Nachhaltigkeitsfrage ein wenig das Wort Energiewende, aber wenn man sich den Themenkomplex Klimaschutz und Nachhaltigkeit anschaut, ist die Energiewende davon ja der allergrößte Teil und das Problem, das wir am schnellsten durch technischen Ausbau lösen können.

Schneller als beispielweise die Agrarwende?

Ja. Natürlich ist die ökologische Landwirtschaft extrem wichtig – ich engagiere mich auch im Rahmen der Pfaffenhofener Bodenallianz und habe einen Direktvermarktungsverein gegründet – und auch der Artenschutz und die Kühlleistung der Bäume fürs Stadtklima ist unverzichtbar, aber das, was ich technisch und handwerklich und vor allem auch kommunal am schnellsten umsetzen kann und auch selber in der Hand habe, das ist die Energieversorgung. Das ist sogar laut der bayerischen Verfassung Aufgabe der Kommunen. Und deswegen war klar, dass die Umstellung weg von fossilen Brennstoffen und weg von fossiler Stromversorgung das große Ziel des Energie- und Solarvereins war und bis heute geblieben ist.

Markus Käser ist Mitbegründer der Pfaffenhofener Bürger-Energie-Genossenschaft (BEG) sowie Mitbegründer und Vorsitzender der Landes-Vereinigung "Bürger-Energie Bayern e. V.". Zu ihr gehören etwa 250 bayerische Energiegenossenschaften sowie Stadtwerke und andere Gesellschaften, die Bürgerenergieprojekte betreiben. Käser ist Mitglied im Verwaltungsrat der Stadtwerke Pfaffenhofen und ständiges Mitglied des Energie-Beirats der bayerischen Staatsregierung. Seit 2008 ist er SPD-Abgeordneter im Stadtrat Pfaffenhofen sowie SPD-Vorsitzender des Landkreises.

Zusätzlich zum Verein wurde vier Jahre später die Bürgerenergiegenossenschaft gegründet – was haben die beiden miteinander zu tun?

Man könnte sagen, die Genossenschaft ist ein Projekt des Solarvereins. Mit dem Verein kann man zwar politische Impulse setzen, aber wirtschaftlich tätig sein können Sie damit nicht. Es wäre Harakiri, mit einem Verein Millionenprojekte wie Windräder zu bauen. Und dafür war dann eine Genossenschaft die geeignete Form, die wir dann auch mit Freunden und Mitstreitern aus dem Solarverein gegründet haben.

Was tut die Genossenschaft konkret?

Sie sorgt für den Ausbau der erneuerbaren Energien, indem sie Anlagen baut. Das ist sowohl der Satzungsauftrag als auch das Interesse der Mitglieder. Die Beteiligung funktioniert ganz einfach: Man kann sich ganz allgemein und niedrigschwellig mit hundert Euro an der Genossenschaft beteiligen. Dann kann man sich an Einzelprojekten mit entsprechenden Darlehen an die Genossenschaft beteiligen. Gestartet ist das ganz klein mit einer PV-Anlage auf dem Feuerwehrdach, ging dann weiter mit einem Solar-Carport am Bahnhof, dann kam schon das erste Bürgerwindrad und jetzt kommt der Bürgerwindpark mit drei Windrädern. Die Projekte wurden also immer grösser, aber das genossenschaftliche Prinzip ist immer das Gleiche geblieben.

Wie motivieren Sie die Bürgerinnen und Bürger, Genossen zu werden?

Die niedrigschwellige Beteiligung mit dem Hunderter ist ja recht einfach zu machen, die kann man zum Beispiel zu Weihnachten verschenken. Manchmal machen wir auch kleine Kampagnen, für das Bürgerwindrad zum Beispiel gab es eine. Aber wir müssen keine großartige Werbung machen, weil bei uns ja ständig irgendein Projekt in der Diskussion ist.  Die Gegner unserer Projekte bringen uns oft mehr Mitglieder, als es jede Werbung erzeugen könnte. Sobald in der Zeitung wieder ein Leserbrief gegen unsere Vorhaben steht, oder der sich gegen Windkraft ausspricht, kommen zu uns Menschen, die die Energiewende unterstützen wollen und werden Mitglied.

Werden die Mitglieder oder jene, die es werden wollen, aktiv an den Planungen der Genossenschaft beteiligt?

Wenn jemand zum Beispiel jemand sagt, er hat ein passendes Grundstück und möchte damit ein Geschäft mit der Genossenschaft machen, dann ist das natürlich interessant. Aber die Vorstellung, die Bürger kommen mit irgendwelchen Ideen zur Energieerzeugung und die Genossenschaft setzt das dann um, ist falsch und, ehrlich gesagt, auch ein wenig naiv. Denn die Verantwortlichen der Genossenschaft sind Vollprofis in ihrem Themengebiet. Und das ist auch sehr wichtig, denn wenn Sie da was falsch machen oder zu viel versprechen oder zu hohe Kosten verursachen, dann stehen Sie ja auch in der Schuld  aller Mitglieder. Wir bringen Projekte auf den Tisch und die Genossen können bei der Mitgliederversammlung dazu Ja oder Nein sagen. Natürlich kann es passieren, dass die Mehrheit sagt: Nein diesen Windpark bauen wir nicht, weil es zu große Widerstände gibt. In Bezug auf den Bürgerwindpark lief es aber glücklicherweise genau umgekehrt, da haben die Genossen sagen: Trotz aller Widerstände werden wir ihn bauen. Die Mitglieder müssen also natürlich immer hinter dem Vorstand stehen. In dieser Hinsicht gibt es ein Mitspracherecht. Und natürlich hängt die Umsetzung eines Projekts davon, ab, ob wir das Geld dafür zusammenbekommen und das geht nur, wenn die Mitglieder hinter dem Projekt stehen.



Die Mitglieder sind also das finanzielle Rückgrat der Genossenschaft?

Richtig – und heute mehr denn je, weil ja die Bankkredite teurer geworden sind. Früher hätten wir gesagt: Gut, wir nehmen einen Teil als Bürgerdarlehen und den Rest von der Bank. Heute ist es günstiger, das meiste oder am besten alles aus Bürgerdarlehen zu finanzieren. Man kann also sagen, die Genossenschaft ist der wirtschaftliche Arm des Solarvereins zur Umsetzung der Energiewende in Bürgerhand mit Bürgerunterstützung – mit einem unmittelbaren Nutzen für das Gemeinwohl, weil wir ja hier vor Ort die Energiewende umsetzen.

Sie haben ja bereits angedeutet, dass Ihre Windkraftprojekte auch Gegner auf den Plan rufen. Wie gehen Sie damit um?

Wir haben mit der Planung für den Bürgerwindpark im Jahr 2016 begonnen, da galt in Bayern schon die 10H-Regel. Deswegen mussten wir als Kommune als erstes einen Bebauungsplan erstellen. Das ist vorgeschrieben, um in der Höhe, die wir brauchen, ein Windrad bauen zu können – also über 200 Meter. Ein Bebauungsplan ist nicht nur kompliziert, sondern macht überdies ein Projekt bis zu 300.000 Euro teurer. Und das war auch die Absicht hinter 10H: ein Gesetz zu entwickeln, das den Windkraftausbau verlangsamt und verteuert und damit vergrämt. Wir haben aber gesagt: Wir lassen uns nicht vergrämen und gehen das als Gemeinde gemeinsam mit der Genossenschaft an. Wenn Sie aber einen Bebauungsplan brauchen, den eine Kommune verabschieden muss, dann kann jeder Bürger diesen Bebauungsplan in Form eines Bürgerbegehrens angreifen

Und genau das ist passiert?

Dem sind wir zuvorgekommen, mit einem Bürgerentscheid, initiiert durch ein Ratsbegehren. Denn wir wussten ja schon, dass die Diskussion über den Windpark kommt. Ein Effekt von 10H war ja auch, dass man vielerorts den Stress mit den Bürgerbegehren nicht wollte und dann lieber auf den Anlagenbau verzichtet hat. Wir hingegen sind die Sache ganz aktiv und offensiv angegangen und haben am Ende auch gewonnen. Das war im Oktober 2016.

Und warum laufen die Windräder jetzt immer noch nicht?

Jetzt kommt der Artenschutz ins Spiel und das ist ein ganz komplexes Thema, weil es zum Teil auf EU-Ebene anhänglich ist. Bei den Windrädern ist es so, dass jedes einzelne Tier bewertet wird, anstatt eine Populationsbetrachtung durchzuführen. Ein einzelner Vogel wie zum Beispiel ein Wespenbussard kann das Projekt zum Erliegen bringen, obwohl seine Population nicht gefährdet ist. Auch trotz 30.000 Windrädern in Deutschland ist die Population vieler Vögel, die im Winderlass als schlaggefährdet geführt sind, gestiegen. Dieses Thema hat dazu beigetragen, dass die Windräder noch nicht laufen. Aber der Bürgerwindpark wird gebaut, wir haben damit angefangen. Die Fundamente sind fertig. Bis Ende des Jahres werden Türme bereits über den Baumwipfeln zu sehen sein.

Wie wirkt sich die Energiekrise auf den Ausbau der erneuerbaren Energien in Pfaffenhofen aus?

In der Praxis gar nicht so sehr, weil wir die Beschlüsse zur Umsetzung der Klimaneutralität 2035 schon vorher gefasst haben. Für uns sind die Konsequenzen aus der Energiekrise eher eine Bestätigung für das, was wir schon lange tun. Worüber wir uns zurzeit unterhalten, ist in Pfaffenhofen nichts Neues.

Ist der Zulauf zur Genossenschaft denn grösser geworden?

Vor allem im weiteren Umfeld, also in Ortschaften, in denen die Energiewende bislang kein Thema war, gibt es viele Nachfragen sowohl beim Solarverein als auch bei der Bürgerenergiegenossenschaft oder auf kommunalpolitischer Ebene. Die Workshops, die wir geben, haben sich vervielfacht, die Nachfrage ist extrem gestiegen. Man muss aber auch sagen, dass mit der neuen Bundesregierung die Rahmenbedingungen besser geworden sind für Menschen, die sich eine Solaranlage aufs Dach bauen wollen und die Nachfrage sicher auch deswegen höher geworden ist.

Sie sind auch Vorstandsvorsitzender der Landesvereinigung Bürgerenergie Bayern. Welche Vorteile bringt ein solcher Dachverband?

2011, nach Fukushima, entstanden in Bayern viele Genossenschaften. Dann kamen die Anfänge von 10H und genau zu diesem Zeitpunkt haben wir die Landesvereinigung gegründet, damit wir uns gegenüber der Landesregierung und Parteien ausreichend positionieren und aufstellen können. Solche Netzwerke sind in ganz Deutschland entstanden, genauso wie das Bündnis Bürgerenergie Deutschland. Wir sind sozusagen die Stimme der Bürgerenergieaktiven und in Bayern eher als politische Lobby unterwegs. Wir sind zum Beispiel ständiges Mitglied im Energiebeirat der bayerischen Staatsregierung. Als einzelne Genossenschaft käme man da nicht rein. Wir haben außerdem gemeinsam mit Naturstrom einen eigenen Stromtarif entwickelt, der nennt sich Bavariastrom und fördert unsere Genossenschaften.

Was muss sich auf Landes- und Bundesebene ändern, um die Energiewende schneller voranbringen zu können?

Das Gegenteil dessen, was uns immer aufhält! Kein Gesetz bringt uns etwas, das durch ein anderes Gesetz konterkariert wird, das also zum Beispiel sagt: Wir brauchen jetzt einen schnellen Ausbau von Windkraft an Land, während wir gleichzeitig Artenschutzgesetze haben, die überhaupt nicht auf dieses Vorhaben abgestimmt sind. Es gibt noch viele weitere Beispiele wie Tiefflugkorridore oder der Denkmalschutz. Oder das Thema Agri-PV: Dafür brauchen sie einen Bebauungsplan. Wenn ein Bauer also eine Wiese hat und will darauf eine PV-Anlage bauen, wird diese Fläche quasi auf einmal zum Gewerbegebiet – deswegen macht das kaum jemand. Jahrelang war es ja auch so, dass jeder, der eine PV-Anlage auf seinem Dach hatte, zum Kleinunternehmer geworden ist. Auch diesen Stress wollten sich sehr viele Menschen nicht antun. Diese Regelung gibt es zwar gottseidank nicht mehr, an vielen anderen Stellen sind die Hürden aber nach wie vor viel zu hoch. Und dann muss natürlich in Bayern die 10H-Regel komplett weg und die CSU-Landesregierung gleich mit, denn 10H ist ein wirtschaftspolitisches Vergehen an unserem Freistaat.

Welche Empfehlungen haben Sie für andere Kommunen, die genauso wie Pfaffenhofen die Energiewende selbst in die Hand nehmen wollen?

Erst einmal muss dafür die Erkenntnis da sein, dass eine sichere und eine saubere Versorgung mit Energie eine kommunale Angelegenheit ist. Wie die Kommunen mit dieser Erkenntnis dann umgehen, hängt von den Akteuren vor Ort ab, da kann ich keine Empfehlungen abgeben. Das Einzige, was ich aus unserer Erfahrung sagen kann ist: Es ist immer gut, wenn alle Akteure zusammenarbeiten. Wenn man ein Stadtwerk hat, soll es das Stadtwerk machen. Wenn man eine aktive Genossenschaft hat, kann die Genossenschaft sehr viel machen – aber beide zusammen sind ein gutes Team. Keiner der Akteure auf kommunaler Ebene wird das ganz allein schaffen.

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