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Wie der Nordschwarzwald seine Autozulieferer zukunftsfähig macht

Ein Netzwerk bringt im Nordschwarzwald Automotive-Unternehmen, Expert_innen und Politik zusammen, um die Transformation zu beschleunigen. Das soll die gesamte Region zukunftsfähig machen.  

Mobilität | 21. Juni 2024 | Bericht von Carolin Rückl | Lesezeit: 5 Minuten

Stellt man sich das Autoland Deutschland als lebenden Organismus vor, sein Herz schlüge wohl tief im Südwesten, im Nordschwarzwald. Ein Siebtel aller Beschäftigten arbeitet hier in der Automobil- und Zuliefererindustrie, mehr als doppelt so viel wie im Rest des Landes.

Doch ab 2035 werden in der EU nur noch emissionsfreie Autos zugelassen. Deutschlandweit sind nach Angaben des Bundeswirtschaftsministeriums in der Automobilindustrie, im Handel und Aftermarket (Markt für Ersatzteile und Zubehör) deshalb je bis zu 300.000 Arbeitsplätze bedroht. Denn mit der Umstellung auf elektrisch angetriebene Autos werden nicht nur andere Komponenten benötigt, sondern auch weniger – und damit langfristig weniger Arbeitskräfte.

Automotive-Betriebe müssen also den revolutionären Wandel vom fossilen Verbrenner hin zu alternativen Antriebstechnologien schaffen oder sich mit ihrer Expertise in anderen Branchen etablieren.

Netzwerk ermöglicht vielfältige Hilfen für den Wandel

Das „Transformationsnetzwerk Nordschwarzwald“, kurz TraFoNetz, soll dabei helfen. „Wir sehen uns als Kompetenzzentrum und wollen die Unternehmen in die Lage versetzen, sich selber zu helfen“, sagt Katharina Bilaine. Sie führt den Bereich digitale Transformation bei der Wirtschaftsförderung Nordschwarzwald und leitet das TraFoNetz. Dieses soll als Zusammenschluss der Wirtschaftsförderung, der Hochschule Pforzheim, der Agentur für Arbeit Nagold-Pforzheim sowie der AgenturQ, einer gemeinschaftlichen Einrichtung von IG Metall und und der Arbeitgeber_innenvereinigung Südwestmetall, insbesondere kleine und mittlere Zuliefer- und Kfz-Betriebe in der Region durch die Transformation begleiten.

Das Transformationsnetzwerk Nordschwarzwald(TraFoNetz) ist eines von sechs regionalen Projekten in Baden-Württemberg, das im Zuge des „Zukunftsfonds Automobilindustrie“ durch das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz gefördert wird. Ziel ist es, die mittel- und langfristigen Herausforderungen des Strukturwandels in der Automobilindustrie anzugehen. TraFoNetz unterstützt insbesondere kleine und mittelständische Unternehmen der Region, um den gewaltigen Mobilitätswandel zu meistern. Gegründet wurde das Netzwerk im Mai 2023.

                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                              Bei Witzenmann in Pforzheim, dem größten industriellen Arbeitgeber in der Region, erwirtschafte man aktuell 50 Prozent des Umsatzes im Bereich PKW und Nutzfahrzeuge, sagt Philip Paschen, stellvertretender Vorsitzender der Geschäftsführung der Witzenmann-Gruppe. Das Unternehmen arbeitet aber schon daran, neue Produkte und Technologien zu entwickeln, etwa für die Wasserstoffwirtschaft. „Eine der Herausforderungen bei den neuen Produkten, zum Beispiel für den Wasserstoff, liegt darin, dass unsere Kunden hier selbst Neuland betreten“, sagt Paschen. Die Zusammenarbeit sei konstruktiv und man helfe sich gegenseitig, aber da das Geschäft im Aufbau sei und die technischen Lösungen zum Teil noch gefunden werden müssten, gehe es ein bisschen zu wie bei einem Start-Up. „Technische Anforderungen, angeforderte Mengen – alles ist eben noch in Bewegung. Alle lernen dazu und das gilt auch für uns“, sagt Paschen. Eine Herausforderung für alle, auch die Belegschaft, denn die müsse ihre Fähigkeiten schnell weiterentwickeln.

Förderung für Unternehmen

Mehr als 30.000 Menschen in der Region arbeiten bei Firmen wie Witzenmann. Das TraFoNetz setzt deswegen vor allem darauf, Arbeitskräfte weiterzubilden. „Wir besprechen gemeinsam mit den Unternehmen, welche Kompetenzen schon vorhanden sind und welche in Zukunft gebraucht werden“, sagt Katharina Bilaine. Unternehmen fehlten außerdem oft die Mittel, sich selbst um Nachwuchs zu kümmern. „Passend zum Endspurt des Ausbildungsjahres veröffentlichen wir deswegen eine Social-Media-Kampagne, die darauf zielt, Jugendliche für die Ausbildung in der Branche zu gewinnen“, sagt Bilaine. Viele Unternehmen wüssten auch nicht, welche Förderungen es gebe, um die Transformation zu finanzieren. Bilaines Team berät Unternehmen dazu und unterstützt sie dabei, Anträge zu stellen – kostenlos und unbürokratisch. „Ich weiß zum Beispiel ganz genau, wen ich bei der Arbeitsagentur anrufen muss, wenn ein Unternehmen mit einem Problem zu mir kommt, auf das ich selbst keine Antwort habe“, sagt Bilaine.

Praxisnahe Kurse vermitteln digitales Know-how

Witzenmann ist als umsatzstarkes Unternehmen in der Transformation vorne mit dabei. Aktuell baut das Unternehmen einen neuen Standort in Pforzheim. Ab 2025 wird es dort einen institutionellen Lernort für Mitarbeiter_innen aus der Produktion geben, an dem die bereits bestehende Lernwerkstatt des Unternehmens mit der Ausbildungswerkstatt verbunden werden soll. „Kürzlich haben wir aus diesem Grund die Chance ergriffen, Gastgeber für einen Workshop des TraFo-Netzwerks zum Thema Lernorte zu sein“, erzählt Paschen. „Drei Witzenmann-Kollegen haben hier teilgenommen und von den externen Partnern lernen können“, sagt er.

Interessant sei für das Unternehmen auch der Austausch mit dem TraFoNetz-Partner „AgenturQ“, besonders in der Weiterbildung von Mitarbeiter_innen in der Produktion. „Die Agentur hat hier einen sehr interessantes Weiterbildungsangebot, dass ich persönlich so noch nirgendwo anders gesehen habe“, sagt Paschen. Die Kurse der AgenturQ richten sich nicht an das Management, sondern thematisieren vorrangig die sogenannten „Future Skills“: Fähigkeiten, die Werker_innen für die digitale Transformation brauchen.

 

Politik spielt wichtige Rolle im Netzwerk

Unternehmer wie Paschen tauschen sich im sogenannten Transformationsbeirat regelmäßig mit Vertreter_innen des TraFoNetzes und von Kommunen und Kreisen aus. Einer davon ist Peter Rosenberger, Oberbürgermeister in Horb am Neckar, einer der Gemeinden, in denen das TraFoNetz aktiv ist. Im Transformationsbeirat erfahre er, welche Arbeit das TraFoNetz-Team leistet und wo Politiker_innen wie er mit ihren Kontakten in die Landes- und Bundespolitik aktiv werden können, sagt Rosenberger. Denn auch wenn sie fachlich nichts beitrage, spiele die Politik eine wichtige Rolle im Netzwerk: „Wir schaffen Sichtbarkeit für das Projekt und haben die Überzeugungskraft, dass unsere Region Unterstützung braucht und keine andere“, sagt Rosenberger.

Tipps und Hilfen auch für kleine Kommunen

Umgekehrt ermöglicht das Netzwerk auch kleineren Kommunen, ihren Unternehmen die Transformation zu erleichtern. „Wie soll denn eine kleine Gemeinde, die nur ein Gymnasium oder eine Berufsschule hat, ein Unternehmen unterstützen, das Fachkräfte sucht?“, fragt Rosenberger. Dafür sei die Vernetzung mit darauf spezialisierten Institutionen in der Region extrem wichtig. „Und wir wissen dank des Know-hows im Netzwerk, auf was es in Sachen Transformation zu achten gilt.“ Welcher Branchenmix etwa aus kommunaler Sicht gut dafür sei, Arbeitsplätze und Einnahmen über die Gewerbesteuer zu sichern. „Wir alle haben das gleiche Ziel“, sagt TraFoNetz-Leiterin Bilaine: Wertschöpfung und Arbeitsplätze in der Region zu erhalten. Dafür brauche es eine zentrale Anlaufstelle wie das TraFoNetz, mit Überblick über alle Transformationsprozesse.

Erste Bilanz ein Jahr nach Projektstart

Bislang habe ihr Team sich allerdings vor allem um den Aufbau des Netzwerks gekümmert, sagt Bilaine. Im November 2022 ist das Projekt mit zwei Mitarbeiter_innen gestartet. Inzwischen arbeiten 13 Personen für das TraFoNetz. Nun, gut ein Jahr nach dem Kickoff des Projekts im Mai 2023, komme man in den individuellen Austausch mit Unternehmen, sagt Bilaine. Inzwischen sind es mehr als 90, „aber wir hätten uns gefreut, wenn noch früher mehr auf uns zugekommen wären“, sagt Bilaine. Häufig stecke dahinter ein Ressourcenproblem: „Bei vielen Unternehmen brennt es anderswo.“ Umso wichtiger seien kommunale Vertreter_innen, die dabei helfen, Unternehmen anzusprechen.

Finanzierung bleibt entscheidend

Wirklich entscheidend für den Erfolg des Projekts könnten Kommunen im kommenden Jahr werden. Das TraFoNetz ist eines von sechs vergleichbaren Netzwerken in Baden-Württemberg und 27 deutschlandweit, die die Transformation im Automotive-Bereich voranbringen sollen – und nach eigenen Angaben die größte Gemeinschaftsinitiative in der Region mit dieser Aufgabe.

Finanziert wird das Projekt mit insgesamt 6,77 Millionen Euro aus dem „Zukunftsfonds Automobilindustrie“ des Bundesministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz – allerdings nur bis Juni 2025. „Es wäre absolut schade, wenn das jetzt, wo wir super Kontakte zu den Unternehmen haben, wieder in sich zusammenbricht“, sagt Projektleiterin Bilaine. Um nachhaltige Erfolge zu schaffen, müsse man ein Netzwerk aufbauen, das sich langfristig in der Region etabliert. Sollte der Bund keine weitere Förderung bewilligen, könnten Kommunen einspringen.

 

 

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