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Das „WIR!-Bündnis Elbe Valley“ will das Wendland bis 2028 in eine Innovationslandschaft verwandeln. Die Ansätze sind vielfältig.
Strukturwandel | 4. November 2024 | Bericht von Harff-Peter Schönherr | Lesezeit: 5 Minuten
Wer zwischen Boizenburg und Stendal an der Elbe entlangfährt, östlich davon bis Pritzwalk, westlich bis Lüchow, spürt rasch: Hier ist viel Landschaft. Größere Ortschaften machen sich rar, Wald und Wiese überwiegen. Aber es tut sich etwas hier draußen, wo Niedersachsen und Sachsen-Anhalt zusammentreffen, Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern: Das „WIR!-Bündnis Elbe Valley“ ist angetreten, die Region bis 2028 in eine „Innovationslandschaft“ zu verwandeln. Das soll Wohnen, Mobilität und Arbeit langfristig verändern.
Angefangen hat das „Elbe Valley“ Ende 2020, mit einer Ausschreibung des Bundesministeriums für Bildung und Forschung für die Programmlinie „WIR! - Wandel durch Innovation in der Region“. Die Grüne Werkstatt Wendland aus Lüchow holte sich Partner_innen ins Boot, bewarb sich Anfang 2021 mit einer Ideenskizze und bekam eine Förderzusage.
Die Grüne Werkstatt Wendland ist ein kleiner, gemeinnütziger und von Ehrenamt geprägter Verein, der sich seit langem für die zukunftsfähige Entwicklung der Region engagiert. Er ist erfahren in Kooperationen mit Forschungseinrichtungen und passioniert darin, schlummerndes Potenzial zu wecken.
Viele regionale Partner_innen beteiligen
„Unser Ziel ist es, viele regionale Partner zu beteiligen, damit das Projekt sichtbare Spuren vor Ort hinterlässt, möglichst konkrete Effekte und Ergebnisse“, sagt Daniela Weinand von der Grünen Werkstatt Wendland. Den Prozess, alles vorzubereiten, zu vernetzen und anzuschieben, bezeichnet sie als „hochkomplex, learning by doing, zuweilen für uns nicht frei von Überraschungen“.
„Wir haben dafür eine Allianz der Willigen gebildet“, erklärt sie. Diese reicht vom Technologie- und Gewerbezentrum Prignitz bis zum dem Landesverband Kultur- und Kreativwirtschaft Mecklenburg-Vorpommern (Kreative MV, Schwerin). Der niedersächsische Landkreis Lüchow-Dannenberg war schnell mit im Boot, Prignitz, Stendal und Ludwigslust-Parchim folgten. Die Region wurde zur Modellregion.
Förderzusage für die Modellregion
Für die Konzeptphase gab es 250.000 Euro Förderung vom Bund, für die erste dreijährige Umsetzungsphase dann sogar acht Millionen Euro.
Nach Mitteilung von Daniela Weinand sind die 250.000 Euro der Konzeptphase unter anderem in drei Teilzeitstellen für Projektmanagement, Projektentwicklung und Öffentlichkeitsarbeit geflossen. Finanziert wurden damit außerdem Aufträge zur Erarbeitung von Potenzialanalysen in den Themenfeldern „Neue Wege“, „Neue Arbeit“ und „Neue Wohnformen“ sowie Beratung für werteorientierte Regionalentwicklung auf der Grundlage von Resilienz, Nachhaltigkeit und Gemeinwohlorientierung.
Das Fördergeld aus der ersten Umsetzungsphase floss in verschiedene Vorhaben, vom Hochschulnetzwerk „Region als Campus“ und dem Zukunftslabor für resiliente und nachhaltige Mobilität im ländlichen Raum „Mobiles Elbe Valley“ bis zur Plattform „Bottom-up Valley“, dem Reallabor „Wohnenplus²“ und „Orte der Zukunft – Bauen der Zukunft im Elbe Valley“. Für eine zweite Umsetzungsphase wurden sieben Millionen Euro beantragt, die aber noch nicht bewilligt sind.
Wissenschaft und Zivilgesellschaft kooperieren
Sichtbare Spuren vor Ort zu hinterlassen, ist für das „WIR!-Bündnis Elbe Valley“ nicht leicht. Der Schwerpunkt des Projekts liegt auf der Forschung, auch in den Förderquoten; das erklärt sich durch den Geldgeber. Und da die von Abwanderung und mangelnder Wirtschaftskraft geprägte Region kaum eigene Wissenschaftsinfrastruktur besitzt, sind viele Projektträger Externe, von der Technischen Universität Braunschweig über das Berliner Institut für Zukunftsstudien und Technologiebewertung bis zur Leibniz Universität Hannover.
Aber die Region will keine Zellkultur-Petrischale sein, in der angereiste Wissenschaftler_innen Versuche unternehmen, nach denen sie wieder in der Ferne verschwinden – und alles ist wie zuvor. „Regionale Akteure werden eng einbezogen“, sagt Bündnissprecherin Nicole Servatius, Leiterin der Stabsstelle Regionale Entwicklungsprozesse beim Landkreis Lüchow-Dannenberg.
Ganzheitlicher Ansatz
Wenn Servatius über das „Elbe Valley“ spricht, fallen Worte wie Nachhaltigkeit und Resilienz, Zivilgesellschaft und Gemeinwohlorientierung. „Cool, mal was über die Elbe hinweg zu machen“, sagt sie. „Denn die verbindet uns ja.“ Und dann erzählt sie: Dass bisher knapp ein halbes Dutzend Projekte bewilligt ist und läuft. Dass rund 20 Projekte im Gespräch sind, vorberaten oder in Antragstellung. Dass viel Koordination erforderlich ist, eine gute Strategie. Dass es gilt, das Erarbeitete über 2028 hinaus zu verstetigen.
Der Ansatz von „Elbe Valley“ ist ganzheitlich. Es geht um örtliche Daseinsvorsorge, um die nachhaltige Neunutzung von Baubestand, um eine partizipative „Macher_innen-Plattform“, um gemeinschaftliche Formen des Zusammenlebens, um Mobilitätsangebote jenseits des motorisierten Individualverkehrs, um Kooperationen zwischen der Wissenschaftswelt von außerhalb und der regionalen Zivilgesellschaft und Wirtschaft.
Gemeinwohlorientiertes Wohnen
Einer der Ansätze, die sich - wenn alles gutgeht - sehr konkret vor Ort niederschlagen, ist das Reallabor „Wohnenplus²“. Labor, weil die Hochschule Neubrandenburg eingebunden ist. Real, weil die Freiwilligen Agentur Altmark aus Stendal stark darauf setzt, dass am Ende eine Genossenschaft gegründet ist, idealerweise mit kommunaler Beteiligung, die das Akademische in die Praxis überführt.
Hier geht es um Vernetzung und Bürgerbeteiligung, um gemeinwohlorientiertes Wohnen. Das Plus² steht für Versorgung und Betreuung. „Wir brauchen in diesem Feld ein neues Wirtschaften, ein neues Denken“, sagt Marion Zosel-Mohr, Vorstand der Freiwilligen Agentur Altmark. In „Wohnenplus²“ fungiert die Agentur als Praxispartnerin. Die Materie ist für sie kein Neuland: „Wir beschäftigen uns mit diesem Thema seit 2016“, sagt Zosel-Mohr. Das Wissen dazu sei bereits ziemlich umfangreich. Das größte Problem sei die Umsetzung. Im Rahmen von „Elbe Valley“ könnte dieser Knoten durchschlagen werden.
Ideen in die Praxis umsetzen
„Jetzt muss mal Butter bei die Fische!“, sagt Zosel-Mohr kämpferisch. Sie liebt klare Worte, sieht ihre Arbeit als „Erfüllung“. Das Warten auf die Bewilligung hat langen Atem erfordert: „Aber man kann ja schon mal vorglühen“, sagt sie. Dazu gehören Vorgespräche mit „engagierten Verwaltungsleitern und Bürgermeistern“. Gerade entsteht ein Team, damit die Arbeit losgehen kann. „Das Akademische ist natürlich wichtig“, sagt Zosel-Mohr. „Aber für das Praktische braucht man Leute draußen vor Ort.“ Leute wie sie.
Bisher ist der Strukturwandel, den das „WIR!-Bündnis Elbe Valley“ hervorruft, nichts, das Spatenstich-Fotos hergibt. Aber einmal mehr gehen vom Wendland Neuerungen aus. Es sind keine wie das Anti-Atomkraft-Hüttendorf „Republik Freies Wendland“ von Mitte 1980. Sie sind heute institutionalisierter, gesettelter. Aber auch sie wollen Großes bewirken. Nicht nur an der Elbe.
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