Griechenland - ein hoffnungsloser Fall? Nein!

Wo die Schwerpunkte für eine wirtschaftliche Erholung Griechenlands gesetzt werden müssen zeigt Wirtschaftsanalyst Jens Bastian. Ein Umdenken ist auch in Berlin nötig, damit Griechenland wieder auf Wachstumskurs kommt.

Euro-Krise, Grexit, Varoufakis – die Verhandlungen um das 3. Rettungspaket hielten Europa im ersten Halbjahr 2015 in Atem. Nachdem das Paket bewilligt wurde und die Regierung Tsipras in den Wahlen vom 20. September nochmal eine Mehrheit erhielt, besteht nun die Hoffnung auf mehr politische Stabilität. Die ist auch von größter Wichtigkeit, damit die griechische Wirtschaft wieder auf einen Wachstumskurs kommt. Die wirtschaftliche Depression und eine Arbeitslosenquote von über 25 Prozent machen dies allerdings zu einer Herkulesaufgabe.

Vorschläge für eine solche Strategie macht Jens Bastian, Wirtschaftsberater und seit 17 Jahren in Athen, in seiner Studie „Defining a Growth Strategy for Greece. Wishful Thinking or a Realistic Prospect“. Ein zentraler Punkt darin: Der wirtschaftspolitische Erfolg sollte nicht so sehr an Haushaltsdisziplin, sondern eher an der Schaffung neuer Arbeitsplätze und wachsenden Realeinkommen gemessen werden. Denn die Arbeitslosigkeit ist “die größte gesellschaftliche und wirtschaftliche Herausforderung”, so Bastian.

Wie aber kann eine Wachstumsstrategie für Griechenland vor dem Hintergrund fallender Einkommen, Deflation und Brain-Drain, vor allem aber unter dem „Damoklesschwert“ des Grexit aussehen? Bastian zufolge kommt es besonders auf die wirtschafts- und steuerpolitischen Rahmenbedingungen an.

Stichworte dafür liefern die vier R: Rekapitalisierung der Banken, Rehabilitierung der öffentlichen Ausgaben sowie wirtschaftliche Restrukturierung und Recovery (Erholung). Insbesondere die Rekapitalisierung der Banken ist von großer Bedeutung. Denn wenn Unternehmen keinen Zugang zu Krediten haben, können sie auch ihre Aktivitäten nicht ausweiten und so neue Arbeitsplätze schaffen.

Das größte Augenmerk liegt aber auf der Restrukturierung. Fünf Eckpunkte schlägt er für eine Wachstumsagenda vor. Erstens benötigt Griechenland eine Nationale Exportstrategie, anhand derer gezielt auf ausgewählte Märkte eingewirkt werden kann. Ein Beispiel: Olivenöl. Obwohl Griechenland der drittgrößte Produzent von Oliven weltweit ist, gehen die Profite für das Öl zu über 50 Prozent ins Ausland, weil der größte Teil der Früchte exportiert wird und nicht vor Ort zu Öl verarbeitet wird. 

Die Steuerpolitik markiert einen weiteren Eckpunkt. Steigende Steuern, ständiger Wechsel in den Behörden und langsam arbeitende Verwaltungen – über 400.000 Mehrwertsteuerklagen sind anhängig – stellen ein großes Hindernis für kleine und mittlere Unternehmen dar. Vereinfachungen und Durchsetzung der Gesetze sind gefragt.

Der dritte Punkt liegt in der umfassenden Nutzung aller verfügbaren (EU-) Fördermöglichkeiten. Es steht zu befürchten, dass 2015 die Abschöpfung der Griechenland zustehenden Mittel aus dem EU-Strukturfonds unter dem Vorjahr liegen wird. Auch die Schaffung einer staatlichen Finanzierungsbank wäre nötig, damit Griechenland, ähnlich wie Spanien, einen Investitionskredit mit der KfW aushandeln kann. Im Falle Spaniens hat dieser ein Volumen von 1 Milliarde Euro für gezielte Förderprogramme für Klein- und Mittelunternehmen.

Die Rahmenbedingungen für Klein- und Mittelunternehmen (KMU) zu verbessern ist folglich der vierte Eckpunkt. Grundlage dafür muss eine enge Zusammenarbeit staatlicher Einrichtungen mit Unternehmen und Forschungseinrichtungen sowie die Konzentration auf Wachstumssektoren sein.

Fünftens muss das Investitionsklima in Griechenland verbessert werden. Das betrifft auch die unbequeme Frage nach Privatisierungen. Um aber nicht den Anschein zu erwecken, Staatseigentum schlicht zu verscherbeln, braucht es größere Anstrengungen, in der Kommunikation im Land, aber auch im Werben um potentielle Investoren.

Daneben gilt es dem Brain-Drain entgegen zu wirken und die griechische Diaspora zu gewinnen. Nicht zuletzt in diesem Bereich ist auch die FES in Athen und Griechenland engagiert, zum Beispiel mit dem Forum „Deutsch-Griechischer Dialog“. Optimismus ist gegenwärtig fehl am Platz, doch die Handlungsspielräume müssen genutzt werden. Die Debatte darüber ist in vollem Gange. Die Studie und die Aktivitäten der FES vor Ort sind ein Beitrag dazu.

Die gesamte Studie steht hier zum Download bereit.


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