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#Angekommen | 6. und 7. März 2017 in der FES Berlin

Muss Europa wirklich deutscher werden?

Mundgerechte Zuspitzungen sollten die Eurokrise leichter verdaulich machen – Gläubiger gegen Schuldner, Norden gegen Süden, Deutschland gegen Griechenland. So werden die eigentlichen Kontroversen verdeckt.

So politisch gespalten und fragil, so öffentlich präsent und umstritten wie in der Eurokrise war die Europäische Union vorher wohl noch nie. Aktuell ist zwar wieder einmal unklar, wie es mit Griechenlands Schulden und Reformen weitergeht, insgesamt ist die Eurokrise in der öffentlichen Wahrnehmung aber inzwischen nicht mehr so akut. Gleichwohl brodeln Konflikte um nationale Folgen der Krise und grundlegende EU-Reformen weiter. Am 1. März hat Jean-Claude Juncker ein Weißbuch zur Zukunft der Wirtschafts-und Währungsunion vorgelegt, die denkbaren Szenarien hierin reichen von „Weiter so“ über ein Europa der verschiedenen Geschwindigkeiten hin zu einer Vertiefung. Das Europäische Parlament hat im Hinblick auf das Weißbuch schon Mitte Februar für Entschließungen gestimmt, in denen es um eine Reform der EU und die Stärkung der Eurozone geht.

Auf dem Weg zu einer politischen Union?

Zum 25. Geburtstag des Vertrags von Maastricht, Grundlage der Europäischen Wirtschafts- und Währungsunion, ist ein Blick auf seine Ursprünge aufschlussreich für Interessenkonstellationen im Euroraum: Helmut Kohl wollte damals die wirtschaftliche mit einer politischen Union verbinden.

Frankreich und Großbritannien genügte es aber, das wiedervereinigte Deutschland in einer Währungsunion europäisch einzuhegen und die Dominanz der Bundesbank und der Deutschen Mark im Europäischen Währungssystem der 1980er Jahre zu brechen. Dafür setzte Deutschland seine Vorstellungen einer regelbasierten Wirtschaftspolitik mit den klaren Haushaltsvorgaben des Stabilitäts- und Wachstumspakts und einer Europäischen Zentralbank nach dem institutionellen und geldpolitischen Vorbild der Bundesbank durch. Während die Stabilitätsidee seine Europapolitik weiter bestimmt, scheint Deutschland den Appetit auf eine politische Union verloren zu haben, während Frankreich mittlerweile wohlgesonnener wirkt.

Zwischen Stabilität und Starre

Die Reformdebatte ist komplex und unübersichtlich. Ordnung schafft eine Studie von Björn Hacker und Cédric M. Koch, die die Friedrich-Ebert-Stiftung in englischer Sprache publiziert hat. Die Autoren zeichnen anhand des Fünf-Präsidenten-Berichts zur Vollendung der Wirtschafts- und Währungsunion von 2015 die nationalen Positionen zu EU-Reformen nach: Die Vertreter einer Stabilitätsunion um Finnland und Deutschland argumentieren, dass die bestehenden Regeln ausreichen, nur bislang nicht konsequent eingehalten worden sind. Andere EU-Mitgliedstaaten wie Italien, Spanien und Frankreich wollen dagegen von zu starren Regeln hin zu einer Fiskalunion mit europäischer Steuerbasis, mehr EU-Wirtschaftskompetenzen und größerer Flexibilität.

Eine dritte Gruppe (zum Beispiel Österreich, Irland, Slowakei) unterstützt nur eine eingeschränkte Fiskalunion mit entweder mehr fiskalischen oder wirtschaftspolitischen Möglichkeiten. Während sich im Stabilitätslager Länder mit guten Wirtschaftsdaten und niedriger Arbeitslosigkeit finden, sammeln sich im Fiskalunionlager stärker krisenbetroffene Länder. Sie vertreten trotzdem einen Großteil der EU-Wirtschaftsleistung und außerdem die Mehrheit der EU-Bürger_innen, ihre Positionen sind aber weniger einheitlich als die des Stabilitätslagers.

Wirtschaftlich und politisch gespalten statt in Vielfalt geeint

Die Studie erinnert daran, dass neben Lösungen nicht einmal die Ursachen für die Eurokrise Konsens sind: Das Stabilitätslager sieht den Fehler bei der Haushaltspolitik der Mitgliedstaaten, die Regeln brechen. Das Fiskalunionlager prangert dagegen Konstruktionsfehler des Euro an – Europa sei kein optimaler Währungsraum, seine unterschiedlichen Wirtschaftsformen und
-zyklen können nicht allein durch Haushaltsregeln und einen einheitlichen Zinssatz der Europäischen Zentralbank gesteuert werden. Ohne die Möglichkeit von Währungsabwertungen sollte interne Abwertung durch Sparpolitik und Lohnkürzungen nicht „alternativlos“ werden, vielmehr sollte die EU-Wirtschaftspolitik aktiv gestalten und Wirtschaftsrisiken und
-ungleichgewichte in Europa gerecht ausbalancieren. So stehen eine europäische Wirtschaftsregierung mit europäischer Steuerbasis, Eurobonds oder eine umfassende Banken- und Kapitalmarktunion weiter im Raum.

Komplexität und Wucht der Eurokrise und die gemischten bis sozial katastrophalen Resultate der Krisenpolitik haben Deutschlands Glauben an Regeln und Haushaltsdisziplin allerdings nicht erschüttert. Vielleicht wären Problemwahrnehmung und politische Dynamik völlig anders geartet gewesen, so das Argument des französischen Ökonomen Jean Pisani-Ferry, wenn Irland vor Griechenland hätte gerettet werden müssen. Irlands Staatsverschuldung war zu dem Zeitpunkt deutlich geringer als die Deutschlands.

Ansprechpartner in der Stiftung:

Stephan Thalhofer

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