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Do No Harm – Ein Ansatz für die Projektarbeit in NPOs

Von Petra Keller, Sarah Gräf und Sarah Morcos

Wie können wir uns wirkungsvoll engagieren und ungewollte negative Nebeneffekte vermeiden? Was müssen wir bedenken, bevor wir in Aktion treten und in welchen Fällen tragen wir zu einer Verschärfung von Konflikten bei?

Der Do No Harm-Ansatz („Richte keinen Schaden an“) stammt aus der internationalen Entwicklungszusammenarbeit und soll dabei helfen, negative Folgen des eigenen Engagements frühzeitig zu erkennen, zu vermeiden oder abzufedern. Er wurde in den 90er Jahren von der US-Wirtschaftswissenschaftlerin Mary B. Anderson initiiert, von vielen Menschen kontinuierlich weiterentwickelt und gilt heute als Grundsatz der Entwicklungszusammenarbeit und Friedens- und Konfliktforschung. Die Grundannahme ist, dass „Hilfe“ – selbst, wenn sie wirksam ist und ihre Ziele erreicht – in vielen Fällen unerwünschte Nebeneffekte entfalten und Konflikte verstärken kann.

Auch Organisationen, die regional und lokal in Deutschland tätig sind, können aus dem Ansatz wertvolle Impulse für die eigene Arbeit oder das ehrenamtliche Engagement ziehen.

Viele der Do No Harm-Prinzipien können wir beispielsweise für die Konzeption und Weiterentwicklung von Unterstützungs- und Hilfsangeboten für geflüchtete Menschen in Deutschland nutzbar machen. Ziel dabei ist, aus Herausforderungen und Fehlern zu lernen und das jeweilige Projekt, die Arbeitsstrukturen oder Kommunikation immer wieder zu reflektieren und anzupassen.


Die 7 Schritte des Do No Harm-Ansatzes und ihre Bedeutung

Grundbausteine des klassischen Do No Harm-Ansatzes in der Entwicklungszusammenarbeit sind sieben Schritte. Sie helfen dabei, Projekte in fragilen oder konfliktiven Kontexten zu analysieren und anhand der Ergebnisse neu auszurichten.

Schritt 1 –Konfliktkontext analysieren

  • In welchem Zusammenhang findet der Konflikt statt?
  • Wer ist involviert?

Schritt 2 –Trennende Faktoren (Dividers) identifizieren  

  • Wo treffen unterschiedliche Erfahrungen, Systeme, Institutionen, Werte und Interessen aufeinander?

Schritt 3 –Verbindende Faktoren (Connectors) identifizieren

  • Welche gemeinsamen Erfahrungen, Systeme, Institutionen, Werte und Interessen können friedensfördernd wirken?
  • Welche Kapazitäten gibt es vor Ort?

Schritt 4 – Projekt analysieren

  • Warum, wie und mit wem wird das Projekt geplant oder durchgeführt?
  • Mit welchem Auftrag/Mandat?
  • Woher kommt die Finanzierung?

Schritt 5 – Ressourcentransfer und implizite ethische Botschaften

  • Welche Konsequenzen kann das Projekt auf den Konfliktkontext haben?
  • Welche Hierarchien werden etabliert?
  • Welche Wertvorstellungen werden durch das Projekt vermittelt?

Schritt 6 – Brainstorming und Optionen ausloten

  • Durch welche Änderungen und neue Wege im Projekt können trennende Faktoren abgemildert und verbindende Faktoren gefördert werden?
  • Wie kann negativen Effekten vorgebeugt werden?

Schritt 7 – Projekt neu ausrichten

  • Welche der Optionen können umgesetzt werden?
  • Ändern sich dadurch der Auftrag, die Ziele oder die Wirkung des Projekts?

 

Auf den Punkt: Was NPOs vom Do No Harm-Ansatz mitnehmen können

Bei der Projektarbeit in NPOs ist es wichtig, sich mit Machtgefällen und der eigenen Wirkung des Engagements auseinanderzusetzen. Der Do No Harm-Ansatz kann hier wichtige Impulse geben:

  • Die konkrete Wirkung und mögliche ungewollte Nebeneffekte von Projektarbeit sind nicht immer vorherzusehen.
  • Die regelmäßige kritische Reflexion der eigenen Arbeit im Team ist wichtig, um aus Fehlern und Misserfolgen lernen zu können.
  • Es gibt immer Möglichkeiten, neue Erkenntnisse in die Praxis umzusetzen und Projekte weiterzuentwickeln.

MuP-Interview mit Sina Emde

Profilbild von Sina Emde

Mit Sina Emde, der ehemaligen Projektkoordinatorin von „Mauergeschichten revisited“ sprechen wir über die Umsetzbarkeit des Do No Harm-Ansatzes in der Projektarbeit in Deutschland. Sie berichtet von den Herausforderungen und Chancen des Ansatzes insbesondere für Projekte im Kontext Flucht.


weitere Informationen

Do No Harm in der Praxis: Engagement für Geflüchtete

Der Do No Harm-Ansatz kann auch für die Planung und Umsetzung von nationalen Projekten im Bereich Flucht hilfreich sein. Viele der Do No Harm-Prinzipien, wie die kritische Auseinandersetzung mit dem eigenen Wirken, der regelmäßige kollegiale Austausch und die Bereitschaft zur Veränderung, können Non-Profit-Organisationen dabei helfen, ihr Engagement weiterzuentwickeln.

Welche Fragen stellen sich im Engagement für Geflüchtete vor dem Hintergrund von Do No Harm?

Analyse und Reflexion der eigenen Angebote

  • Was wissen wir über den Kontext und welches Wissen fehlt uns?
  • Welche ungewollten negativen Nebenwirkungen sind in der Vergangenheit aufgetreten?
  • Wie können wir diese in Zukunft vermeiden oder abmildern?

Ein regelmäßiger Austausch im Team kann dabei helfen, aus Fehlern zu lernen und auch über Herausforderungen und Misserfolge zu berichten. Feste Formate und ein geregelter Ablauf der Treffen helfen dabei, den zeitlichen Rahmen und Fokus nicht zu verlieren. Zu Beginn der Projektplanung kann ein schrittweises Vorgehen – wie bei den 7 Schritten des Do No Harm – hilfreich sein.

Fehlerkultur: Mit- und voneinander lernen

  • Gibt es Austausch- und Vernetzungsangebote für einen offenen Dialog und zum Ansprechen von Herausforderungen und Misserfolgen?
  • Können Fehler im Team angesprochen werden und werden diese als Lernchance wahrgenommen?
  • Gibt es Angebote zur Weiterbildung und wie wird das Wissen zurück in die Organisation getragen?

Diskriminierung erkennen und aktiv werden

  • Gibt es offene Angebote und Schulungen zur Auseinandersetzung mit Diskriminierung?
  • Gibt es eine gemeinsam formulierte Haltung/ein Leitbild oder hängt die Auseinandersetzung mit Diskriminierung an Einzelpersonen?
  • Gibt es Informationen und feste Regelungen zur diversitätssensiblen Projekt- und Veranstaltungsplanung?
  • Gibt es ein offen kommuniziertes Vorgehen bei Fällen von Diskriminierung?

Auseinandersetzung mit Machtverhältnissen und Paternalismus

  • Welche Werte und Normen werden durch das Projekt vorausgesetzt oder zur Bedingung gemacht. Sind diese verhandelbar?
  • Wer hat Zugang zu Ressourcen? Woher kommt die Finanzierung und wer trifft Entscheidungen?
  • In welcher Sprache wird kommuniziert? Gibt es in allen Bereichen Angebote zur Sprachmittlung?
  • Wie wird die Projektarbeit in der Öffentlichkeitsarbeit dargestellt? Wer wird in welchen Kontexten gezeigt?

Quellen und Verweise

Do No Harm Trainer’s Manual von Jochen Neumann und Wolfgang Heinrich, KURVE Wustrow

The Do No Harm Handbook von CDA Collaborative Learning Projects  

Willkommen ohne Paternalismus. Broschüre mit Reflexions- und Praxishilfe von glokal e.V. 

 

Aus der Friedrich-Ebert-Stiftung

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