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Agile Denk- und Arbeitsweisen lassen sich überall dort in NPOs und Zivilgesellschaft anwenden, wo Produkte und Projekte entwickelt werden: von der Kampagne oder digitalen Produkten über Strategieentwicklung bis zu Mitgliedergewinnung. Damit Agilität bessere Ergebnisse und Arbeitsbedingungen ermöglicht, sind die richtigen Rahmenbedingungen und Reflexion notwendig.
In diesem Engagement-Blog widmen wir uns daher folgenden Fragen: Was ist mit agilem Arbeiten gemeint? Welche Chancen bietet Agilität für das zivilgesellschaftliche Engagement? Welche Werte und Prinzipien sind handlungsleitend? Was ist Scrum und wie können NPOs Scrum oder Methoden wie Kanban nutzen?
Gerade NPOs haben es oft mit komplexen und unüberschaubaren Vorhaben zu tun. Gleichzeitig sind die Rahmenbedingungen von NPOs oft durch geringe zeitliche und finanzielle Ressourcen geprägt. Gerade wenn die Rahmenbedingungen, klare Planungen nicht zulassen, sind agile Methoden gut geeignet. Darüber hinaus stellen agile Arbeitsweisen Menschen und Zusammenarbeit stärker in den Mittelpunkt der Aufmerksamkeit, was Chancen für Engagierte, Mitarbeitende und die ganze Organisation bringt:
Vier Prinzipien haben die Begründer des agilen Manifests (Manifest für Agile Softwareentwicklung) identifiziert, die für NPOs und Zivilgesellschaft folgendermaßen formuliert werden können:
Die Prinzipien, wie auch das "Agile Manifest" selbst, kommen aus der Softwareentwicklung und wurden bislang viel häufiger im gewinnorientierten Sektor angewendet. NPOs sollten die Prinzipien und Werte für sich prüfen und immer für die eigene Organisation übersetzen. Allgemein braucht agiles Handeln folgende Schritte:
Die 12 agilen Prinzipien hinter dem Manifest geben Leitlinien für das Arbeiten und in diesem Überblick sind die Prinzipien und ihre Bedeutung für NPOs angepasst:
Immer nah an der Zielgruppe sein! Der Austausch und die kontinuierliche Beteiligung der Zielgruppe stehen im Mittelpunkt, um Projekte bedarfsorientiert und fortlaufend anzupassen.
Veränderungen willkommen heißen! Die Wünsche und Bedürfnisse der Menschen stehen im Fokus und an erster Stelle, auch wenn diese erst spät im Prozess sichtbar werden.
In kurzen Zeitintervallen arbeiten! Nutzbare und/oder konkrete Arbeitsergebnisse in kurzen Zeitintervallen (ca. 2-4 Wochen) liefern. Die Arbeit in kurzen, überschaubaren Zeitintervallen ist eine Säule agiler Arbeit.
Diversität und Vielfalt fördern! Projekte und Engagement sind auf Menschen mit unterschiedlichen Kompetenzen, Perspektiven und Stärken angewiesen, die eng zusammenarbeiten.
Vertrauen schafft Motivation! NPOs sollten eine Kultur etablieren, die darauf vertraut, dass Teams kreativ und selbstorganisiert arbeiten.
Persönliche Kommunikation ist durch nichts zu ersetzen! Auch in einer sich immer weiter digitalisierenden Welt, sind persönliche Beziehungen und Kontakte und gut funktionierender Kommunikationsfluss die Grundlage agiler Arbeit.
Ergebnisse bestimmen den Fortschritt! Fortschritt wird anhand konkreter und sichtbarer Ergebnisse bewertet. Auch Lernerfahrungen, also Erkenntnisse über falsche Annahmen oder Entscheidungen sind solche Ergebnisse, die helfen, Ressourcen und Energie besser zu fokussieren.
Auf ein nachhaltiges Arbeitstempo achten! Agilität braucht Kontinuität und Teams brauchen Zeit für Dialog, Ausprobieren und Anpassen, um ihre Arbeitsweisen zu finden.
Form folgt Funktion! Der Fokus liegt auf den Ergebnissen, die den Bedürfnissen der Zielgruppe entsprechen und erst dann folgt der äußere Rahmen und die Methoden zur Umsetzung.
Einfachheit anstreben! Dinge nicht komplizierter machen als sie sind und Qualität statt Quantität von Arbeit und Engagement im Auge behalten.
Selbstorganisation ist der Erfolgsfaktor! Vertrauen und Konfliktbereitschaft sind der Antrieb für agile Teams. Beste Ergebnisse werden dadurch erzielt, dass alle Perspektiven und Erfahrungen in ein Projekt einfließen und Teams sich selbst organisieren.
Feedback ermöglicht Entwicklung! In festen Abständen werden Reflexionen, sog. Retrospektiven, abgehalten, um dabei zu prüfen, wie die Zusammenarbeit und Kooperation verbessert werden kann.
Agilität steht für ein ganzheitliches Konzept und ist mit Werten und Ideen verbunden. Agilität sollte nicht isoliert als Sammlung von Methoden verstanden werden. Im Folgenden fokussieren wir auf die Bedeutung von Werten auf Organisations- und individueller Ebene, erklären Unterschiede zu "klassischen" Arbeitsweisen, zeigen welche Fallstricke Sie vermeiden können und bieten Reflexionsfragen für die Praxis an.
Im Allgemeinen kann Agilität ein Instrument sein, um Führung und Zusammenarbeit zu verändern und Werte wie Vertrauen, Transparenz oder Beteiligung mit Leben zu füllen. Dies erfordert die Bereitschaft klassische Rollen zu überdenken, neu zu gestalten und Veränderungen umzusetzen, da Teams selbstorganisiert arbeiten und gemeinsam Verantwortung übernehmen. Veränderungen können sich so auch auf Organisationsebene, z.B. in Strukturen oder Organigrammen zeigen.
Organisationsebene: Hierarchie vs. Heterarchie
Hierarchie ist fast allen Menschen als Konzept und Organisationsstruktur bekannt. Weniger bekannt dagegen ist ihr Gegenteil: Heterarchie. Heterarchien sind nicht durch Über- oder Unterordnung geprägt, sondern durch gleichberechtigtes Nebeneinander. Daher basieren agile Organisationen auf:
Dahinter steckt ein Menschenbild, das Menschen als kompetente, engagierte und vertrauenswürdige, individuelle Persönlichkeiten betrachtet. Klassische Rollen wie Projektleitung oder Projektmitarbeiter_innen sind nicht vorgesehen. Dies erfordert Auseinandersetzung und Reflexion über Werte und notwendige Bedingungen für Agilität.
Reflexionsfragen für die Organisationsebene:
Hinweis für die Praxis: Wenn Entscheidungen nicht mehr nach (klassischen) Hierarchien gefällt werden, wie dann? Entscheidungen werden kompetenzbasiert gefällt: Je nach Themenfeld können sich immer wieder neue kompetenzorientierte Hierarchien ergeben. Dies erfordert transparente Kommunikation und eine vertrauensvolle, kooperative Zusammenarbeit.
Wird Agilität als ganzheitliches Konzept begriffen, stehen Menschen als ganze Person im Mittelpunkt. Daher betrifft agile Haltung auch verschiedene individuelle Reflexionsfelder, die Engagierte und Mitarbeitende für sich entdecken können.
Individuelle Ebene
Reflexion über die Haltung sich selbst gegenüber:
Reflexion über die Haltung gegenüber Menschen:
Reflexion über die Haltung gegenüber Arbeit und Engagement
Klassisches Projektmanagement: „Wasserfall-Modell“
Das Wasserfall-Modell erinnert an Wasser, welches Kaskaden hinabläuft und steht meist für eine etablierte Herangehensweise im klassischen Projektmanagement. Wichtige Elemente dieser Methode sind Planungsphasen, Meilensteine, schrittweises Arbeiten (Linearität) und klare Ablaufpläne.
Die Projektarbeit ist durch klare Hierarchien und Zuständigkeiten geprägt, was einerseits zu Übersichtlichkeit führt, gleichzeitig aber dazu führen kann, dass Partizipation und Berücksichtigung von Erfahrungswissen und Kompetenzen von allen Projektbeteiligten nicht im ausreichendem Maße stattfinden.
Starre Vorgaben im klassischen Projektmanagement können folgende negative Auswirkungen haben:
Gerade für NPOs kann eine flexible Projektgestaltung helfen, auf Unvorhergesehenes und sich verändernde Rahmenbedingungen zu reagieren.
Agiles Projektmanagement wird oft als Gegensatz zu klassischen Arbeitsweisen verstanden, dabei erfüllen sie unterschiedliche Funktionen. Jedoch können sich bestimmte Elemente beider Arbeitsweisen in einer Organisation ergänzen. Ziele des agilen Arbeitens sind:
Dies wird ermöglicht durch:
Agile Arbeitsweisen können kein Allheilmittel sein. Agilität ist nicht die Lösung für alle Probleme und auch nicht die Antwort auf alle Fragen.
Vermeiden Sie daher typische Missverständnisse, die oft im Zusammenhang mit Agilität auftauchen:
Sie wollen mehr Agilität in Ihre Organisation bringen? Dann achten Sie auf folgende Punkte:
Schritt für Schritt zu mehr Agilität
Tipp: Es kann zu Beginn hilfreich sein,einzelne Punkte zu wählen, an denen sich die Menschen in der Organisation in Experimentierräume ausprobieren können.
Im MuP-Thema im Fokus Organisationskultur und Engagement und der MuP-Broschüre Organisationskultur in Non-Profit-Organisationen. Erscheinungsformen, Analyse- und Veränderungsmöglichkeiten werden Bedeutung und Gestaltungsmöglichkeiten für Organisationskulturen praxisnah beleuchtet.
Die MuP-Praxishilfe Stakeholderanalyse und -management zeigt Möglichkeiten auf, Zielgruppen und Bedürfnisse zu analysieren. Mehr zu Veränderungsmanagement erfahren Sie im MuP-Trainingsbuch "Change: Veränderung", das Sie über unser Bestellformular bestellen können.
Scrum ist ein Rahmenwerk für Projekt- und Produktmanagement. Ein Rahmenwerk beschreibt alles, was zur Planung, Durchführung und Steuerung von Arbeit notwendig ist und bildet also den Rahmen für die Projektarbeit. Das schlanke Rahmenwerk bei Scrum dient dazu, komplexe Projekte schrittweise und sich wiederholend umzusetzen.
Scrum zeichnet sich durch verschiedene Rollen, Begriffe und Arbeitsweisen aus. Den gültigen Leitfaden für Scrum in deutscher Fassung, den sog. Scrum Guide gibt es verfügbar als Creative Common-Lizenz.
Scrum bietet einen Rahmen für einen agilen Projektansatz, indem drei Rollen vorgesehen sind:
Leitmotto des_der Product Owner_in / Produktbesitzer_in: „Die richtigen Dinge machen.“
Leitmotto des_der Scrum Master_in: „Die Dinge schnell machen.“
Leitmotto des Entwicklungsteams: „Die Dinge richtig machen.“
Eine erfolgreiche Anwendung von Scrum wird durch das Leben der fünf Werte Commitment (oder Selbstverpflichtung/Engagement), Fokus, Offenheit, Respekt, Mut möglich:
„Das Scrum Team committet sich, seine Ziele zu erreichen und sich gegenseitig zu unterstützen. Sein primärer Fokus liegt auf der Arbeit des Sprints, um den bestmöglichen Fortschritt in Richtung dieser Ziele zu bewirken. Das Scrum Team und dessen Stakeholder_innen sind offen in Bezug auf die Arbeit und die Herausforderungen. Die Mitglieder des Scrum Teams respektieren sich gegenseitig als fähige, unabhängige Personen und werden als solche auch von den Menschen, mit denen sie zusammenarbeiten, respektiert. Die Mitglieder des Scrum Teams haben den Mut, das Richtige zu tun: an schwierigen Problemen zu arbeiten.“ (Scrum Guide, S. 4. f.)
Hinweis: Klassische Rollen wie Projektmanager_in oder Projektleitung, Auftraggeber_in oder Projektmitarbeiter_in entfallen und sollten nicht mit den Scrum-Rollen gleichgesetzt oder verwechselt werden.
Beispiel Mitgliedergewinnung: Es soll eine Projekt zur Mitgliedergewinnung durchgeführt werden. "Produktbesitzerin" wäre die Vorständin, "Scrum-Master" wäre die Mitarbeiterin in der Geschäftsstelle und das "Entwicklungsteam" würde aus Engagierten und externen oder internen Expert_innen bestehen.
Scrum wird wird durch drei Säulen getragen: Transparenz, Überprüfung und Anpassung. Diese Säulen sind voneinander abhängig: Nur Transparenz ermöglicht Überprüfung. Überprüfung ist die Bedingung für Anpassung. Anpassung ist notwendig um Veränderung und bessere Ergebnisse zu bewirken.
Hinweis: Die beteiligten Personen müssen bevollmächtigt sein, Anpassungen vorzunehmen und sich selbst managen zu können. Dies bedeutet: Das Team wählt, wer welche Arbeit wie macht.
Wichtige Begriffe und Standards (sog. Artefakte) gehören zu den Grundlagen bei Scrum.
Beispiele können sein: Qualitätsanforderungen, funktionale Anforderungen, User Stories, erwarteter Aufwand, Fehler, die behoben werden müssen oder Verbesserungen.
Beispiel Mitgliedergewinnung: Im Product-Backlog werden alle Aufgaben festgehalten (z.B.: Ist-Stand-Erhebung, Analyse der bisherigen Zielgruppen und Strategien der Mitgliedergewinnung, Kampagnen- und Kommunikationsplanung, Reflexion der Zielwerte, etc.). Im Sprint Backlog werden einzelne Arbeitspakete aus dieser Übersicht und Sammlung in kurzen Zeitintervallen und nacheinander be- und abgearbeitet. In der User Story werden verschiedene potenzielle neue Mitglieder als Personas entwickelt um zielgruppen- und bedürfnisorientiert zu arbeiten und z.B. Kampagnen- und Kommunikationsmaßnahmen anzupassen.
Tipp: Ein wichtiger Begriff im Scrum-Vokabular ist die sog. Definiton of Done (DoD): Hier wird ein gemeinsames Verständnis festgelegt, wann eine Aufgabe als erledigt gilt oder ein Produkt "fertig" ist. Dies erhöht die Transparenz über Ziele und sorgt dafür, dass auch wirklich alle am gleichen Ziel arbeiten.
Im Glossar von "Agile goes Nonprofit" findet sich eine Übersicht zu mehr Begriffen mit kurzen Erklärungen und Links.
Sprints sind die Basis, auf der weitergearbeitet werden kann und bilden den „Herzschlag“ für Scrum. Ein Sprint dauert max. einen Monat, kann aber auch kürzer sein. In kurzen Zyklen können so Anpassungen und Lernerfahrungen in die weitere Teamarbeit eingebaut werden. Jeder Sprint besteht aus:
Kanban (wörtl. aus dem Japanischen: Signalkarte) ist eine Methode, die sich gut mit dem Rahmen Scrum verbinden lässt und dabei unterstützt, Prozesse durch strukturierte Visualisierung transparent abzubilden und Aufgaben zu organisieren.
An einem Kanban-Board (digital oder analog) werden alle Aufgaben festgehalten. Es können auch Limits vereinbart werden, wann zu viele Aufgaben in einer Spalte sind und die Weiterarbeit erschweren. Das Kanban-Board ermöglicht allen im Team zu sehen, wie weit Aufgaben schon bearbeitet wurden.
Das MuP-Thema im Fokus "Organizing und Engagement" zeigt, was sich hinter Organizing verbirgt und wie es angewandt wird.
Das MuP-Thema im Fokus beleuchtet, wie die Gleichberechtigung von Männern und Frauen auch im Bereich Engagement umgesetzt werden kann.
Das MuP-Thema im Fokus zeigt, wie Digitalisierung die Arbeit von NPOs und Zivilgesellschaft unterstützen kann und was dabei zu beachten ist.
Agiles Arbeiten mitgestalten. Strategien und Handlungsfelder der Mitbestimmung von Andreas Baukrowitz und Karl-Heinz Hageni (Institut für Mitbestimmung der Hans-Böckler-Stiftung)
Manifest für Agile Softwareentwicklung (deutsche Übersetzung)
Glossar von Agile goes Nonprofit
Der Scrum Guide. Der gültige Leitfaden für Scrum: Die Spielregeln von Ken Schwaber & Jeff Sutherland (deutsche Übersetzung)
Agile is Dead (Long Live Agility) von Dave Thomas
Jenseits der Transformation: neue Arbeit braucht neue Bürowelten von Joana Breidenbach